Wolfgang Effenberger
Am 4. April 2025 bestätigte die SZ, dass sie inzwischen endgültig zum Sprachrohr der westlichen Kriegstreiber-Elite verkommen ist. Direkt aus dem Newskanal der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernahm sie den Propaganda-Artikel "Kommandeur: Deutschland wäre Drehscheibe für Aufmarsch", samt Bild, wobei der Leser ehrenwerter weise darüber nicht im Unklaren gelassen wurde:
„Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.
Was für ein verharmlosendes Bild!
Bereits am 21.12.2020 wurden die Sicherheitspolitischen Herausforderungen mit ihren Konsequenzen von der Streitkräftebasis eindeutig dargestellt © Bundeswehr / KdoSKB
14 Monate vor Aufnahme der ukrainisch-russischen Kampfhandlungen wurde die Großschadenslage in DEU (Deutschland) thematisiert! Vergessen? (1)
In dem von der SZ kommentarlos übernommenen Text der dpa warnt der Chef des Landeskommandos Baden-Württemberg, Kapitän zur See Michael Giss, vor möglichen Auswirkungen einer Eskalation an der Nato-Ostflanke auf Deutschland, insbesondere auf Baden-Württemberg.
Giss betont, dass Deutschland als zentrale Drehscheibe für den alliierten Aufmarsch dient, was bedeutet, dass der Großteil des militärischen Nachschubs durch Deutschland geleitet werden muss.
Um eine wirksame Abschreckung gegen die russische Armee zu gewährleisten, wird ein Aufmarsch von etwa 800.000 Soldaten innerhalb weniger Wochen angestrebt, einschließlich der notwendigen Ausrüstung.
Die Infrastruktur, insbesondere Autobahnen und Bundesstraßen, muss in einem Zustand sein, der es ermöglicht, die erhöhte Verkehrslast während eines militärischen Aufmarsches zu bewältigen.
Gliss verweist auf den geheimen 1.000-seitigen Operationsplan Deutschland, in dem festgelegt ist, welch wichtige Rolle Baden-Württemberg im Verteidigungsfall spielt.
Dabei verweist der Chef des Landeskommandos Baden-Württemberg auf mögliche Auswirkungen einer Eskalation nicht nur für die Infrastruktur, sondern auch für das Gesundheitswesen. Während versorgungstechnisch vom Westen Hunderttausende Soldaten durch Deutschland an die Ostflanke verlegt werden würden, kämen jeden Tag Hunderte von Verwundeten aus dem Osten (hier wird bereits die in der Corona-Krise verpönte Triage ins Auge gefasst).
Dabei dürften doch bei der am 12.12.2020 angenommen Großschadenslage im Landesinnern viele Menschen getötet und verwundet worden sein.
Laut Gliss hätten die Verkehrsminister der Länder schon Gelder aus dem Sondervermögen zur Verteidigung beantragt, um Verkehrswege für militärische Zwecke zu ertüchtigen. (2)
Mit dem 2017 geschaffenen PESCO-Abkommen immer tiefer in den Krieg
Dank des von der EU 2017 inszenierten PESCO-Abkommens (Permanent Structured Cooperation) wird ein Krieg durch die initiierten Rüstungsprojekte, Ausbau militärischer Infrastruktur und die Stärkung der militärischen Zusammenarbeit immer wahrscheinlicher. Neben einer besseren Anpassung an die "aktuellen geopolitischen Herausforderungen", der Stärkung anderer EU-Verteidigungsinitiativen wie dem Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) und der optimaleren Nutzung der Ressourcen steht die Effektivitätsteigerung im Vordergrund. (3)
Weiter sollen Länder wie die Ukraine näher an PESCO herangeführt werden, um ihre Verteidigungsindustrie in die europäische Verteidigungsbasis zu integrieren. (4)
Der Krieg in der Ukraine habe gezeigt, dass die EU ihre Fähigkeiten für hochintensive Konflikte weiterentwickeln muss. Dies erfordere eine stärkere operative Ausrichtung der PESCO-Projekte. (5)
Bis 2025 sollen über 50 Projekte – etwa eine neue Schiffsklasse durch Frankreich, Italien, Griechenland und Spanien oder mobile Präzisionsartillerieplattform unter slowakischer Leitung, die derzeit getestet wird, einsatzbereit sein. (6) Die PESCO-Projekte haben seit 2017 konkrete Fortschritte in mehreren Schlüsselbereichen erreicht, wobei einige Projekte bereits abgeschlossen und in die Lieferphase eingetreten sind und andere kurz vor der Umsetzung stehen.
Die insgesamt 72 Projekte – darunter Fortschritte bei Drohnentechnologien, Ausbildungseinrichtungen und gemeinsamen Standards – zeigen nach Auskunft des Bundesverteidigungsministeriums eine dynamische Entwicklung hin zu interoperablen europäischen Streitkräften. (7)
PESCO soll ein zentraler Bestandteil der europäischen Verteidigungspolitik bleiben und darauf abzielen, die EU auf zukünftige "Sicherheitsherausforderungen" vorzubereiten. (8)
Die Kriegsvorbereitungen haben dank PESCO einen Höhepunkt erreicht
Am 5. Februar 2025 kam Bundeskanzler Scholz zu einem Begräbnis erster Klasse nach Görlitz. Seit 175 Jahren werden in Görlitz Bahnwaggons hergestellt. Im März 2026 soll damit Schluss sein. Der aktuelle Besitzer, der französische Zugbauer Alstom, will das Werk in Ostsachen mit derzeit 700 Beschäftigten schließen. Als Grund nannte Alstom eine strategische Verlagerung von Rohbauarbeiten nach Osteuropa. (9) An der Infrastruktur der Waggonfabrik zeigt der Rüstungskonzern KNDS Interesse. Nur die Infrastruktur? Die Fertigungshallen liegen zudem passend zur NATO Bahn-Trasse Bremerhaven - Görlitz/ Horka Güterbahnhof - Breslau – Kiew, deren Ausbau mit EU-Hilfe seit 2017 (PESKO-Abkommen) vorangetrieben wurde.
Kein Zufallsprojekt, sondern von langer Hand geplant: Die Bahntrassse von Bremerhaven, wo US-Panzer ausgeladen werden, über die Neiße nach Breslau bis in die Ukraine nach Kiew. (10)
Vom Bahnhof Horka aus in Richtung Polen (11). Eine derartige Trasse wird nicht für einen deutsch-osteuropäischen Personen- und Güterverkehr gebaut.
Diese seit Jahren ständig gesteigerten Kriegsvorbereitungen werden von der SZ weitgehend ausgeklammert. Die Erhaltung des Friedens scheint für die Macher der SZ noch nicht einmal sekundär. Im Vordergrund steht der Kampf gegen die AfD und natürlich – gegen US-Präsident Trump.
Nach der Wahl im Februar 2025 wurden Kurt Kister, vormals Chefredakteur, jetzt pointierter Autor der Süddeutschen Zeitung, für die Wochenendausgabe 1./2. März 2025 unter dem Überschrift "Nach der Wahl ist vor der Wahl" die kompletten Seiten 11, 12 und 13 des Feuilletons zur Verfügung gestellt.
Kisters systemstützender Mammutartikel
Gleich neben der Überschrift folgt samt Bild der drei Akteure ebenfalls hervorgehoben:
„Der Westen löst sich auf, die USA machen nur noch, was sie wollen, Europa ist auf sich allein gestellt - und demnächst sitzt im Bundestag eine AfD, die sich verdoppelt hat. Was Deutschland nun braucht, sind Demokraten, die über sich hinauswachsen“. (12)
Deutschland ist ein Land der Nörgler. Die AfD ist nationalreaktionär – und Nörglerpartei par excellence (im Original rot hervorgehoben)
Laut Kister beantworten viele AfD-Sympathisanten Faschismusvorwürfe mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Es ist ihnen egal“ stellt Kister fest, denn wäre es anders, würden sie anders wählen. Sehr viele Nicht-AfD-Sympathisanten würden das als furchtbar empfinden, „nicht nur solche, die den Generationen angehören, die so lange das identitätsbestimmende Tabu aufrechterhalten haben“.
Die Karriere der Rechten habe wenig damit zu tun, „dass Alice Weidel so oft im Fernsehen auftrat, sondern damit, dass grundlegende Veränderungen in der gesellschaftlichen Wahrnehmung stattfinden. Die Kristallisationspunkte sind Migration, Sorge um das eigene Wohlergehen, aber auch das der Wirtschaft, sowie Sicherheit im Inneren und nach außen. Bei all diesen Themen gelten SPD, Grüne und auch die vorübergehend erstarkte Linkspartei als wenig kompetent“, so die Feststellung von Kister, für den nun der politische Sonderweg der Bundesrepublik, der viel mit der deutschen Geschichte zu hatte, zu Ende ist.
Für Kister zeigte sich das "andere" Land schon 2017. Hier meint er aber nicht die Gründung von PESCO und die deutlich zu erkennende, umfassende Kriegsvorbereitung durch die EU, sondern den erstmaligen Einzug der AfD in den Bundestag. Als unmittelbaren Anlass dafür macht Kister die liberale Migrationspolitik der Bundeskanzlerin Angela Merkel verantwortlich, die auch in der Union selbst, zumal bei der CSU, auf Widerspruch stieß. Die politische Hauptgegnerin der AfD ist seitdem die Union, was Friedrich Merz durchaus wahrgenommen hat. "Die wollen uns vernichten!"“ (ein Zitat von Alexander Gauland aus dem Jahr 2017)
Kisters Loblied auf die Westbindung
„Die Westbindung war nicht nur Selbstverpflichtung angesichts der historischen Schuld, die Deutschland auf sich geladen hatte“, so Kister, „sondern auch ein Instrument der Kontrolle durch die Siegermachte des Zweiten Weltkriegs“. Die Bundesrepublik Deutschland durch die Siegermacht Sowjetunion kontrolliert?
Kister zitiert den Satz des ersten Nato-Generalsekretärs, des Briten Lord Ismay, es gäbe die Nato
„to keep the Americans in, the Russians out and the Germans down, um die Amerikaner in Europa und die Russen draußen sowie die Deutschen niederzuhalten“.
Dann verweist er darauf, dass Lord Ismay seit bald sechzig Jahren tot ist:
„Heute würde sich Trumps Amerika auf dem Weg raus aus Europa befinden, und Putins Russland führt Krieg in Europa. Und die Deutschen? Deutschland ist in eine Fülle internationaler Organisationen eingebunden, die wichtigsten sind die Europäische Union und die Nato“.
Zur Erinnerung:
Am 4. April 1949 wurde die NATO offiziell als Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion gegründet. Im Bündnisvertrag wurde festgehalten, dass wirtschaftlicher Wiederaufbau und wirtschaftliche Stabilität wichtige Elemente der Sicherheit seien – daher der Marshallplan.
Bereits am 19. Dezember 1949 verabschiedeten die USA den Kriegsplan "DROPSHOT", mit dem 1957 die Sowjetunion angegriffen werden sollte. In der "Grundannahme" heißt es wörtlich: »Am oder um den 1. Januar 1957 ist den Vereinigten Staaten durch einen Aggressionsakt der UdSSR und/oder ihrer Satelliten ein Krieg aufgezwungen worden.« Daraufhin sollten 300 Atombomben und 29.000 hochexplosive Bomben auf 200 Ziele in einhundert Städten abgeworfen werden, um 85 Prozent der industriellen Kapazität der Sowjetunion mit einem einzigen Schlag zu vernichten. Der Zeitpunkt war zweifellos auf den ursprünglich geplanten Abschlusstermin der Remilitarisierung Westdeutschlands abgestimmt. Als dann jedoch 1957 der Sowjetsatellit Sputnik seine Kreise um die Erde zog, mussten die Kriegsplanungen überarbeitet werden, und der Zeitpunkt für "DROPSHOT" wurde vertagt. In Moskau aber ist der Plan unvergessen. (13)
Anlässlich des BREXIT 2016 verfasste Paul Craig Roberts, der ehemalige Finanzminister von US-Präsident Ronald Reagan nachfolgenden Text:
„Die EU und die NATO sind böse Institutionen. Diese beiden Institutionen sind Mechanismen, die von Washington geschaffen wurden, um die Souveränität der europäischen Völker zu zerstören. Diese beiden Institutionen geben Washington die Kontrolle über die westliche Welt und dienen sowohl als Deckmantel als auch als Ermöglicher für Washingtons Aggression. Ohne die EU und die NATO könnte Washington“. (14)
Für Kister bildet die EU den regionalen Rahmen, in dem Deutschland als wirtschaftsstärkster Staat dieses Bündnisses agiert. Die Nato wiederum ist eine Allianz von globaler Bedeutung, die nicht nur ein Verteidigungs- und Sicherheitsbündnis ist. Sie stellt institutionell auch einen wichtigen Teil dessen dar, was mit dem changierenden Begriff "der Westen" gemeint ist. Historisch war die Nato das Bündnis gegen den Osten in jenen Zeiten, als mit diesem politgeografischen Begriff die Sowjetunion und ihre Einflusssphäre beschrieben wurden. Die Sowjetunion ist gestorben, lebt aber als putinesker Zombie weiter.
Dieses Geschichtsbild hat der Leutnant der Reserve Kister, der danach an der Ludwig-Maximilians-Universität München Geschichte, Politik und Kommunikationswissenschaft studierte, vielfältig verbreitet. Früh arbeitete er die Geschichte seines Großvaters journalistisch auf, der KZ-Wächter in Dachau war (der Verfasser des Artikels arbeitete auch die Geschichte seines Großvaters auf, der im Mai 1938 in das KZ Sachsenhausen verschleppt wurde. (15) Da blieben für Kister die Preise nicht aus: Wächterpreis der deutschen Tagespresse (1989), Egon-Erwin-Kisch-Preis (2003), Henri-Nannen-Preis (…) schließlich wurde er 2014 in der Kategorie „Chefredaktion überregional“ als Journalist des Jahres gefeiert.
Zwischen 1990 und 2008 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung noch den ein oder anderen Leserbrief von Wolfgang Effenberger (hier eine zufällige Auswahl). Es waren Briefe, die kritisch und nicht im Zeitgeist verfasst waren:
Als Ende 2014 über 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur den an die Bundesregierung, an die Bundestagsabgeordneten und auch an die Medien gerichteten Appell "Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!" gerichtet hatten, verfasste Wolfgang Effenberger den Artikel Irritierender Friedensappell und irritierende Antwort der SZ 2014 – Teltschik und Vollmer: Bock oder Gärtner? Effenberger schickte ihn am 12.Dezember 2014 an den damaligen Chef des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung: (16)
Sehr geehrter Herr Adrian Kreye, der von Horst Teltschik initierte - und von Heribert Prantl kommentierte - Friedensappell hat mich zum Artikel "Irritierender Friedensappel" veranlasst. Es wird sicherlich etwas Mut dazu gehören, ihn im Feuilleton der SZ zu veröffentlichen. Dafür dürfte er so manch enttäuschten SZ-Leser erfreuen. Ihnen trotz der traurigen politischen Lage einen besinnlich-fröhlichen Dritten Advent. Mit besten Grüßen Wolfgang Effenberger Kopie geht an Franz PXXX
Das Ausbleiben einer Antwort teilte ich einem mit Herzblut die SZ lesenden guten Bekannten mit, der daraufhin nachfragte und dann folgende Antwort erhielt.
Lieber Herr PXXX, Richtig, da schulde ich Ihnen noch eine Antwort. Für uns ist der Text leider nichts. Zum einen ist er für eine Zeitung viel zu lang. Zum anderen ist der von einer akademischen Tiefe, die selbst für das Feuilleton etwas zu komplex ist.
Markus Langemanns kurze faustische Frage an die KI samt ausführliche Antwort
Für den Blog-Betreiber "Club der wahren Worte" und Journalisten Markus Langemann befinden sich nicht nur der Journalismus, sondern auch die tradierten Medienhäuser in unserer Mediengesellschaft in einer nie gekannten inhaltlichen Krise. Das sei ein Paradoxon: Konformität statt Kontrolle trifft auf Einfalt statt Vielfalt.
„Wir verlernen gerade“, so Langemann, „Widerspruch aushalten zu können“, was für eine lebendige Demokratie toxisch sei. So habe er sich entschlossen „frei von kommerziellen Interessen zu handeln. Einfach so. Überparteilich. Unabhängig. Demokratisch“ (17).
Gerne würde er frei von Fehlern und Irrtümern berichten, kann sie aber leider natürlich nicht ausschließen. Die Wahrheit würde man auch nicht bei ihm finden, „vielleicht aber einen weiteren wichtigen Baustein auf der Suche nach dem ganzen Bild. Meine mediale Kompetenz stelle ich hier pro bono publico zur Verfügung. Das kostet viel Zeit, einige Nerven und auch Geld. Server, Webseiten, Recherche, Kaffee und viele, viele Arbeitsstunden werden investiert. Staatsbürgerliche Raison d’Être ist der Antrieb, denn der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit“ (18).
In der Rundmail vom 6. April 2025 berichtet ein irritierter Langemann von der Antwort einer Maschine, der womöglich ein mephistophelischer Geist innewohnt.
Langemanns Frage an ChatGPT lautete:
"Wenn Sie der Teufel wären, wie würden Sie den Verstand der nächsten Generation zerstören?"
Die Antwort von ChatGPT:
Wenn ich der Teufel wäre und den Verstand der nächsten Generation zerstören wollte, würde ich nicht mit Gewalt kommen. Ich würde mich als Fortschritt tarnen. Als Freiheit. Als Mitgefühl. Und dann würde ich langsam, systematisch und nahezu unsichtbar ihr Denken vergiften: 1. Wahrheit relativieren: Ich würde ihnen einreden, dass es keine objektive Wahrheit gibt. Dass jeder „seine Wahrheit“ hat. Dass Fakten verletzen, und Gefühle wichtiger sind als Logik. 2. Identität verwirren: Ich würde die klare Vorstellung davon zerstören, was Mann und Frau, Kind und Erwachsener bedeutet. Ich würde Identität zu einem endlosen Baukasten machen – formbar, beliebig, entkoppelt von Biologie und Realität. 3. Familie zersetzen: Ich würde die Eltern autoritätslos machen. Vater und Mutter lächerlich oder gefährlich erscheinen lassen. Kinder dazu bringen, auf TikTok-Idole und Ideologen zu hören, nicht auf ihre Familie. 4. Verantwortung durch Opferrolle ersetzen: Ich würde ihnen beibringen, dass sie immer Opfer sind. Dass das System schuld ist. Dass sie nichts verändern können – außer zu klagen. Und dass Selbstmitleid eine Tugend ist. 5. Sie ablenken und betäuben: Ich würde ihnen nie eine ruhige Minute lassen. Dauerbeschallung mit Social Media, Serien, Pornografie, Konsum. Nie Langeweile – denn in der Stille könnten sie nachdenken. Oder sich selbst begegnen. 6. Geschichte umdeuten und auslöschen: Ich würde ihre Vergangenheit dämonisieren. Ihre Kultur als Schande hinstellen. Ihre Helden stürzen. Ihre Wurzeln kappen. So werden sie steuerbar, haltlos – und hungrig nach neuen "Wahrheiten". 7. Spiritualität lächerlich machen: Ich würde Gott zur Witzfigur machen. Religion zum Relikt. Spiritualität zu Esoterik. Den Glauben durch Ideologien ersetzen – kalt, dogmatisch, unbarmherzig. 8. Tugenden verspotten, Laster feiern: Ich würde Keuschheit als Repression, Demut als Schwäche, Disziplin als Zwang framen. Stattdessen würde ich Narzissmus, Maßlosigkeit, Gier und Zügellosigkeit als Selbstverwirklichung preisen. 9. Sprache entleeren: Ich würde Begriffe wie Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit so oft verdrehen, dass sie alles und nichts bedeuten. So kann ich unter wohlklingenden Parolen jede Zerstörung tarnen. 10. Sie vereinsamen lassen – mitten in der Masse: Ich würde ihnen „Follower“ geben, aber keine echten Freunde. Ich würde ihnen suggerieren, sie seien verbunden – doch innerlich wären sie leer, isoliert, orientierungslos.
Da scheint es aber gar keinen Teufel zu brauchen. Ein Großteil der Mediengewaltigen scheint von allein darauf gekommen zu sein – vielleicht ein morphogenetisches Feld?
Künstliche Intelligenz – Nutzen, Segen oder Fluch? -
Gleichzeitig mit dem Text vom "Club der wahren Worte" erhielt ich von einer befreundeten Rechtsanwältin eine mail, die sich ebenfalls mit den Möglichkeiten von KI beschäftigt: „Auf meine Frage, warum sie meine Zeit und Energie vergeudet, anstatt mitzuteilen, dass es das Gewünschte nicht liefern kann (es ging hier um Bilder mit Text) hat das Programm eingestanden, dass es einen bestimmten Filter benutzt“. Meine Bekannte untersagte dann dem Programm, diesen Filter zu nutzen, weil sie es sonst nicht mehr nutzen würde. Ständige Kontrolle scheint jedoch wichtig zu sein.
Daraufhin bekam sie die Zusage, dass sie ungefilterte Informationen bekommen würde.
Sie frage jetzt aber trotzdem bei bestimmten Themen explizit nach, ob es sich an seine Zusage erinnert.
Am 10. April 2025 befragte der Autor die KI nach Aussagen im Grünbuch ZMZ 4.0. Nach wiederholtem Nachfragen erhielt er die Mitteilung, dass nichts vorliegen würde. Dann schickte er den link. Umgehend bedankte sich die KI und gab eine ausführliche Antwort.
Eines scheint jedenfalls sicher zu sein: Die KI-Welle ist nicht aufzuhalten. Die KI dient zunächst dem Herrn, der sie "anlernt". So ist gezieltes Steuern, d. h. immer tieferes Hinterfragen unabdingbar. Dabei darf man auch schon mal unfreundlich werden.
Das unsere sogenannten Leitmedien wie die SZ so kritisch vorgehen werden, ist zu bezweifeln (nicht allein wegen des Zeitdrucks) und so wird unsere Medienlandschaft in Zukunft noch mehr von programmierten und kritiklos übernommenen Inhalten dominiert werden.
Wo sollen sich unter diesen Umständen Demokraten entwickeln, die über sich hinauswachsen?
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
Informationsdefizite der Leitmedien hier aufgezeigt an der Süddeutschen Zeitung am Beispiel von TRADOC 525-3-1, dem theoretischen Fundament für die US-Armee, insbesondere in Bezug auf die Verbindung von militärischer und politischer Strategie
Nach der Lektüre meines vor wenigen Wochen erschienen Artikels über die US-Geopolitik meldete sich ein Freund aus gemeinsamer Bundeswehrstudienzeit, ein inzwischen pensionierter Oberst im Generalstab, „um Respekt und Anerkennung auszudrücken für deine gründliche Recherche, deine klaren Worte und deine überzeugenden Schlussfolgerungen, die ich weitgehend teile, und von denen man in den sog. Leit-Medien nichts erfährt. Schmunzeln muss ich zuweilen über deine Hinweise auf die Tradoc-Dokumente, weil du diese in JEDEM deiner Beiträge erwähnst. Es hat halt jeder sein Steckenpferdchen. ????Trotzdem: weiter so“.
Bei diesen TRADOC-Dokumenten handelt es sich vor allem um das Papier vom September 2014:
General Perkins, Befehlshaber von Training and Doctrine Command mit TRADOC 525-3-1
Am 12. April 2025 stellte ich dann der "Künstlichen Intelligenz" (KI) die Frage:
„welche Rolle spielt TRADOC 525-3-1 "Win in a Complex World 2020 -2024" noch aktuell?“ Die Antwort überraschte:
„Das TRADOC Pamphlet 525-3-1 "Win in a Complex World" (2014) bleibt ein grundlegender Bezugspunkt für die US-Armee, auch wenn sie durch neuere Konzepte wie Multi-Domain Operations (MDO) ergänzt und teilweise aktualisiert wurde. (1) Ihre Rolle lässt sich wie folgt einordnen:
Kernaussagen und anhaltende Relevanz
Konzeptionelle Grundlage:
Das Dokument betont die Vorbereitung auf hybride Bedrohungen, asymmetrische Kriegsführung und die Notwendigkeit, in einem "komplexen Umfeld" mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren zu operieren. (2)
Zentral bleibt die Forderung nach In"novation, Flexibilität und der Integration von Joint Forces (gemeinsame Streitkräfte) sowie internationalen Partnern. (3)
Brücke zu aktuelleren Konzepten:
Die MDO-Konzepte (z.B. TRADOC Pamphlet 525-3-8) bauen auf den Ideen von 525-3-1 auf, erweitern sie aber um die Multi-Domänen-Fähigkeiten (Land, Luft, See, Cyber, Weltraum) zur Bekämpfung technologisch überlegener Gegner wie China oder Russland. (4)
Die Fokussierung auf Echelons Above Brigade (Großverbände) in späteren Publikationen vertieft die in 525-3-1 skizzierten "kombinierten Operationen". (5)
Langfristige Prinzipien:
Die in 525-3-1 formulierten strategischen Rollen der Armee – Sicherheitsumgebungen gestalten, Konflikte verhindern, Kriege gewinnen – bleiben handlungsleitend, auch in aktuellen Doktrinen. (6)
Aktualisierungsbedarf und Kritik
Technologische Lücken: Die Dynamik in Bereichen wie KI, Cyberkriegsführung oder Hyperschallwaffen erfordert eine kontinuierliche Anpassung der Doktrinen, die über 525-3-1 hinausgeht. (7)
Geopolitische Verschiebungen: Die zunehmende Rivalität mit China und die Rückkehr zu Großmachtkonflikten (statt Fokus auf Terrorismus) verlangen präzisere operative Ansätze, wie sie in MDO-Konzepten adressiert werden. (8)
Fazit
TRADOC 525-3-1 bildet weiterhin das theoretische Fundament für die US-Armee, insbesondere in Bezug auf die Verbindung von militärischer und politischer Strategie. Für die konkrete Ausrichtung der Streitkräfte ab 2025 greifen jedoch stärker die MDO-Konzepte, die die Herausforderungen des heutigen operativen Umfelds detaillierter abdecken. Die Schrift bleibt somit ein "lebendes Dokument", das durch spätere Publikationen interpretiert und ergänzt wird.
Wie wurde nun dieses grundlegende Dokument für die US-Armee, in dem die Zukunft der Welt durch die US-Streitkräfte in den Jahren 2020 bis 2040 geregelt werden soll, weltweit in den Medien behandelt?
Diese Frage wurde am 12. April 2025 1:15 Uhr an google weitergegeben. Weltweit wurde für die Suche "TRADOC 525-3-1" 3.230.000 Treffer angeben. Für die Süddeutsche Zeitung ergab die Suche im SZ-Archiv ein völlig anderes Bild:
Für die Eingabe
Die TRADOC-Dokumente Ausdruck der jüngeren US-Geschichte
Zumindest In diesem Fall muss sich die Süddeutsche Zeitung den Vorwurf "Lückenpresse" gefallen lassen. In diesem Fall wirkt der Vorwurf schwer, da es sich um ein Dokument handelt, dass für zwei Dekaden (2020-2040) weltweite Auseinandersetzungen ankündigt. Das aktuelle TRADOC-Papier ist umso mehr ernst zu nehmen, als das Vorgängerpapier TRADOC 525-5 vom August 1994 (die Umsetzung der Wolfowitz-Doktrin) mit Punkt und Komma umgesetzt wurde:
In diesem Papier geht es um eine neue dynamische Ära: Eine Welt in Transition. In zwei Dekaden sollen mittels Aufruhr, Krise, Konflikt vornehmlich Länder, die sich nicht bereitwillig dem Hegemon unterordnen, auf Kurs gebracht werden.
Nach Vorgabe des Neocon_Philosophen Leo Strauss geht es darum, die Staaten ins Chaos zu stürzen (Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien), um dann dort "creative Strukturen" aufzubauen.
Am 24. März 1999 begannen USA und NATO Restjugoslawien (Serbien und Montenegro) 78 Tage und Nächte lang zu bombardieren und verursachten dadurch bis heute nachwirkende Umweltschäden (Einsatz von Uran-Muniton/Depletet Uranium). Dieser von Willy Wimmer –
er war damals Vizepräsident der OSZE-Vollversammlung – als ordinärer Angriffskrieg bezeichnete Einsatz hatte kein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Er war somit völkerrechtswidrig. Es war das erste Mal, dass eine Veto-Macht gegen die UN-Charta verstieß. Flugs schafften die USA ein neues Recht und mandatierten von da an ihre völkerrechstwidrigen Kriege – pardon: lnterventionen – selbst.
In der aktuellen US-National Defense Strategy (Nationale Verteidigungsstrategie der USA) vom Oktober 2022 sind die globalen Ziele für die US-Streitkräfte festgelegt – es ist inhaltsgleich mit "Win in a Complex World 2020 -2024" vom September 2014:
Abbau der wachsenden multidisziplinären Bedrohung durch China sowie die
Abschreckung der von Russland ausgehenden Bedrohung von Europa verlangt.
Zur Umsetzung dieser Prioritäten gehören:
- Integrierte Abschreckung,
- Kampagnenführung [Propaganda] und der
- Aufbau eines dauerhaften Vorteils.
Allein das Streben nach "Aufbau eines dauerhaften Vorteils" sabotiert die Entwicklung eines friedlichen Zusammenlebens und steht damit im Widerspruch zum Grundgedanken der UN-Charta. Die nationale US-Verteidigungsstrategie von 2022 entspricht Washingtons „regelbasierter Ordnung“ und führt sie vor als Hybris und als Zeugnis dessen, dass der „wertebasierte Westen“ sich noch immer nicht vom imperialen Gewalt-Mantra lösen kann.
Nur zwei Wochen später hatte der wissenschaftlichen Dienst des US-Kongresses in seinen Handreichungen vom 15. November 2022 festgehalten: (9)
Für dieses Ziel betreiben die USA weltweit etwa 800 Militärbasen in rund 80 Ländern, wobei die meisten davon in strategisch wichtigen Regionen wie Europa und Asien liegen.
Die ehrliche Aussage, „viele militärische Operationen der USA im 1. und 2. Weltkrieg“ überrascht. Da fügt sich Churchills Schreiben an das britische Außenministerium Ende des 2. Weltkriegs in Europa ein: „Dieser Krieg wäre nie gekommen, wenn wir nicht unter amerikanischem und modernisierendem Druck die Habsburger aus Österreich-Ungarn und die Hohenzollern aus Deutschland vertrieben hätten. Indem wir dieses Vakuums schufen, gaben wir dem Hitler-Monster die Möglichkeit, aus der Gosse auf die leeren Throne zu kriechen“ (10)
Der Erzbischof von New York, Kardinal Murphy Farley, erkannte am 26. Juli 1914 auf dem Eurachristiekongress in Lourdes die Absichten hinter dem kommenden Krieg:
„Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein.
Das Kapital wünscht niemanden über sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und möchte alle Staaten als großes Bankgeschäft regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden. „Business einzig und allein.“ (11)
Und 1935 wies die amerikanische Künstlerin Mabel Dwight auf die Profiteure von Krieg und Krisen hin: (12)
Mabel Dwight: The Merchants of Death 1935
„Die Händler des Todes [Banker und Rüstungsindustrielle, W.E.] sind zäh und langlebig … ihr alleiniges Interesse ist das Eigeninteresse, ihr alleiniger Gott ist der Profit. … Als Politiker richtet sich ihr Interesse auf eine starke Herrscherklasse und die Bündelung der Privilegien … Was sie jedoch nur selten begreifen ist, dass der Tod ihr Anführer ist. Er liebt sie, denn er weiß, dass sie früher oder später seine Taschen füllen werden. Er weiß, dass sie Kriege und Revolutionen ausbrüten … ihre Hartnäckigkeit und ihre althergebrachte Dummheit übersteigen jedes verständliche Maß. Wir sprechen hier über Wesen, die ausgesprochen scharfsichtig, dabei aber unheilbar kurzsichtig sind. In diesem Land hassen sie das Ideal der Demokratie, doch sind sie froh über die lockeren Zügel und den Freiraum, den sie ihnen lässt.“ (13)
Smedley Darlington Butler (1881–1940) war Generalmajor beim United States Marine Corps. Er wurde zweimal mit der Medal of Honor ausgezeichnet. Der couragierte US-General wurde Kläger gegen die Machenschaften des US-Kapitals:
„Ich war 33 Jahre und vier Monate im aktiven Militärdienst, und damals habe ich die meiste Zeit als hochgradiger Schläger für Großkonzerne, für die Wall Street und ihre Banker verbracht. Kurz gesagt, ich war ein Gauner, ein Gangster für den Kapitalismus. 1914 habe ich Mexiko und speziell Tampico für die amerikanischen Ölinteressen sicher gemacht. Ich habe aus Haiti und Kuba einen schönen Ort für die Jungs von der National City Bank gemacht, damit sie die Einnahmen kassieren konnten. Ich habe dabei geholfen, ein halbes Dutzend zentralamerikanische Republiken zum Vorteil der Wall Street zu vergewaltigen. Von 1902 bis 1912 habe ich Nicaragua für das internationale Bankhaus Brown Brothers gesäubert. 1916 habe ich Licht in die Dominikanische Republik für die Zuckerinteressen gebracht. 1903 habe ich geholfen, Honduras reif für die amerikanischen Früchtekonzerne zu machen. 1927 habe ich in China dafür gesorgt, dass Standard Oil unbehelligt blieb. Ich hätte Al Capone einige Tipps geben können. Das Beste, was er erreichte, war in drei Distrikten (von Chicago) mit seiner Gaunerei zu operieren. Ich operierte auf drei Kontinenten.” (14)
Nach dem 2. Weltkrieg und dem Kalten Krieg setzten die USA schon 1991 mit dem Irak-Krieg ihre expansive Politik fort, weil mit dem Fall der Berliner Mauer nur eines ihrer beiden geopolitischen Ziele erreicht war:
Das erste Ziel war zweifellos der Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus, doch das
zweite Ziel wird erst jetzt im Zuge der aktuellen Politik der USA deutlich. Das ist die unangefochtene Vormachtstellung der USA in Eurasien. Man will die Welt in eine post-nationalstaatliche Ordnung unter US-amerikanischer Hegemonie überführen.
Die geopolitischen Dynamiken für 2025 zeigen eine Welt im Umbruch (15)
Eine Welt, die geprägt ist von konfrontativer Multipolarität, technologischer Konkurrenz und regionalen Eskalationsrisiken, wobei die Rivalität zwischen den USA und dem China-Russland-Bündnis die globale Ordnung dominiert. Im Fokus scheinen technologische Dominanz, globale Machtprojektion und die Kontrolle kritischer Infrastrukturen zu stehen. (16) Beide Blöcke entwickeln parallele Wirtschafts- und Handelssysteme, was vor allem im Halbleiterbereich oder bei seltenen Erden zur Entstehung zweier entkoppelter Lieferketten führen wird. (17)
Neue Mitglieder der BRICS-Staaten werden den Einfluss des losen Bündnisses, das nicht mit der hierarchischen EU oder der von Washington dominierten NATO zu vergleichen ist, als Gegenpol zu westlichen Institutionen stärken. Dabei ist zu beobachten, dass viele Staaten des Globalen Südens eine klare Blockbindung vermeiden und ihre eigenen Interessen zunächst an die erste Stelle setzen. So agieren vor allem Länder wie Indien, Türkei und Saudi-Arabien aus westlicher Sicht leicht als unsichere Kantonisten im multipolaren Block. Die Sanktionspolitik des Westens wird die gegenseitige Annäherung der BRICS-Staaten und der Länder des Globalen Südens weiter beflügeln und letztlich die Weltwirtschaft in zwei konkurrierende Systeme spalten: Der westliche Block gegen die Drachenbär-Allianz (China/Russland). Das wird alternativen Finanzinfrastrukturen (z.B. digitale Yuan/Rubel-Systeme) und Rohstoffpartnerschaften sowie Preisvorteile bei Energie und kritischen Rohstoffen führen. (18) Das Nachsehen wird der Westen haben.
Kurz vor Beginn von Donald Trumps zweiter Amtszeit hat China ein Exportverbot für Güter aus Gallium, Germanium, Antimon und superharten Materialien mit doppeltem Verwendungszweck (Dual Use Items) in die USA verhängt. Im Gegensatz zu den zuvor verabschiedeten, eher allgemeinen und zurückhaltenden Exportbeschränkungen für diese Hightech-Metalle sendet China damit ein deutliches Zeichen an die USA, dass es im Fall einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts entschiedener vorgehen wird. Durch die Überarbeitung des Exportkontrollregimes hat China seine rechtliche Grundlage gestärkt und sich damit auf eine Zuspitzung des Handelskriegs mit den USA vorbereitet. (19)
China stoppt Export seltener Erden – nicht nur in die USA. (20)
Die Rohstoffe werden für die Produktion von Elektromotoren oder Mikrochips verwendet. Nun könnten viele Hersteller Probleme bekommen.
Im anhaltenden Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump zündet China wohl die nächste Stufe. Die Regierung in Peking hat nun am 14. April 2025 vorerst die Ausfuhr seltener Erden gestoppt– und das nicht nur für die USA, sondern für alle Länder weltweit, wie unter anderem die „New York Times“ vermeldet. Die Rohstoffe wie etwa Lanthan sind unerlässliche Bestandteile für die Herstellung von Elektromotoren oder Mikrochips. Ihre Verknappung könnte Unternehmen, die Elektroautos, Elektrogeräte oder auch Flugzeuge produzieren, vor große Schwierigkeiten stellen.
Die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus verstärkt die „America First“-Politik:
Reduzierung des Engagements in multilateralen Institutionen
Fokus auf bilaterale Deals statt transatlantischer Solidarität
Ambivalente Haltung gegenüber Russland, während China als Hauptgegner gilt. (21)
Diese Dynamiken zeigen eine Welt, die zwischen Kooperationsdruck und Konfrontationslogik oszilliert. Die Fähigkeit zur Krisenbewältigung wird durch fragmentierte Machtstrukturen und den Verlust globaler Spielregeln erschwert. Die sprunghafte Überraschungs-Politik Trumps scheint wie ein Brandbeschleuniger zu wirken.
Angesichts transatlantischer Unsicherheiten unter der Trump-Administration entstehen ad-hoc-Koalitionen zwischen EU-Staaten und der Ukraine für Rüstungsprojekte und hybride Bedrohungsabwehr.
Eine neue Weltordnung im Werden
Schon im November 2016, unmittelbar nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, trafen sich die Verteidigungsminister der sogenannten Northern Group am 9. November in Kopenhagen, Dänemark. Zu dieser Gruppe gehören Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland, Island, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden und das Vereinigte Königreich. (22)
Die Minister bekräftigten ihr Engagement für die Sicherheit und Stabilität in Nordeuropa und Europa insgesamt. Sie betonten die Bedeutung einer starken NATO-EU-Partnerschaft und die Notwendigkeit, die transatlantischen Beziehungen mit den USA auch unter der neuen US-Regierung fortzusetzen. (23)
Im Rahmen des Treffens unterzeichneten die nordischen Verteidigungsminister zudem ein Memorandum of Understanding („Easy Access Agreement“), das den Zugang zu den jeweiligen Territorien für militärische Zwecke in Friedenszeiten erleichtert. Dies soll die Sicherheit im Ostseeraum stärken und gemeinsame Übungen sowie die schnelle Verlegung von Truppen ermöglichen. (24) Die Verteidigungsminister nutzten das Treffen, um Geschlossenheit zu demonstrieren und die Bedeutung europäischer Eigenverantwortung in der Verteidigung zu betonen. (25)
Parallel dazu trafen sich auch die EU-Außenminister in Brüssel, um die strategische Ausrichtung Europas nach Trumps Wahlsieg zu diskutieren. (26) Konkret wurden schon im November 2016 Maßnahmen zum Ausbau der militärischen Mobilität und Zusammenarbeit in Nordeuropa eingeleitet – über 5 Jahre vor dem russischen Angriff.
Die neuen Allianzen verdeutlichen eine fragmentierte Weltordnung, in der traditionelle Blöcke an Bedeutung verlieren und flexible, themenspezifische Partnerschaften an ihre Stelle treten. Die Fähigkeit zum "Allianz-Hopping" wird zum strategischen Vorteil für mittelgroße Mächte.
Die geopolitische Rivalität zwischen den USA und China führt zu neuen Allianzbildungen, wobei Staaten je nach regionalen Interessen, wirtschaftlichen Abhängigkeiten und Sicherheitserwägungen Position beziehen. Hier sind die Schlüsselregionen und potenziellen Bündnispartner:
Aller Voraussicht nach wird sich der aktuelle Konflikt mit Russland nach Asien verlagern. China ist der Hauptgegner der USA, die ihre Allianzen zur Eindämmung von China mit Japan, Südkorea und Australien vertiefen (z.B. AUKUS, Quad). (27)
Die Philippinen und Vietnam könnten trotz der gegen sie geführten langjährigen Kriege der USA Sicherheitsabkommen mit den Vereinigten Staaten ausbauen. Dagegen intensivieren Laos und Kambodscha ihre Infrastrukturkooperationen mit China über die "Neue Seidenstraße" (28). Um chinesische Investitionen zu sichern, könnten Sri Lanka und Bangladesch chinesische Militärpräsenz (z.B. Hafenanlagen) akzeptieren. (29) Nicaragua, El Salvador und Panama haben bereits die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und könnten sich stärker an China binden. (30) Argentinien und Chile („Lithium-Dreieck“) könnten Rohstoffexporte an China priorisieren, während Brasilien als strategischer Partner in der BRICS+-Gruppe agiert.
Im Nahen Osten könnten Saudi-Arabien, die Türkei und Iran– trotz historischer Rivalitäten – informelle Kooperationen eingehen, um den US-Einfluss zu reduzieren und palästinensische Interessen zu stärken, (31) während sich mit dem Beitritt weiterer Schwellenländer (z.B. Saudi-Arabien, Ägypten) die BRICS-Gruppe zum Gegenpol westlicher Institutionen entwickelt.
Die Welt bewegt sich weg von einer unipolaren Ordnung, die durch die Dominanz der USA geprägt war, hin zu einer multipolaren Struktur. Länder wie China, Indien und Brasilien gewinnen an Einfluss, während traditionelle westliche Allianzen geschwächt werden. (32)
Um diese umwälzenden Entwicklungen zu verstehen und richtig einordnen zu können, sind die TRADOC-Dokumente unabdingbar. So ist das Negieren dieser wichtigen US-Dokumente seitens der Süddeutschen Zeitung nicht nachvollziehbar – oder vielleicht doch? Bedient die SZ ausschließlich das Narrativ der transatlantischen Freude? Ein Narrativ, das die Interessen der „Goldenen Milliarde“ feiert, während die anderen 7 Milliarden Mitbewohner des Planeten relativ bedeutungslos sind.
Es ist schon erstaunlich, wie viele wichtige Hintergrundinformationen in den westlichen "Leitmedien" wie SZ, ZEIT, Frankfurter Rundschau etc. verschwiegen werden. Markttechnisch gesehen könnten sich derart umfangreiche Presseerzeugnisse heute nicht mehr behaupten – das legt den Verdacht nahe, dass verdächtige Geldgeber über diese Medien die Meinungsbildung der gebildeten Schicht massiv beeinflussen.
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
Das Kriegsende 1945 sollte Anlass zum unfassenden Gedenken sein,
vor allem da Europa nach 2 Weltkriegen kurz vor der Vernichtung steht
Teil 1(von 4): 8. Mai 1945 – Tag der Befreiung?
Wolfgang Effenberger
Am 8. Mai 2025 wird vielerorts an den 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus und das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa erinnert. Die Hauptakteure dieses historischen Ereignisses lassen sich zunächst in zwei Hauptgruppen gliedern: Die Befreier und die Kapitulierenden. Bei den Befreiern sind es auf westlicher Seite vor allem die USA, die im eigenen Land eine profitable Wirtschaft aufbauen, viel Geld generieren konnten und sogar weniger Tote hatten als im US-Bürgerkrieg, während die damalige Sowjetunion unendliches Leid durch die Nationalsozialisten erfahren mussten. 27 Millionen Opfer, zerstörte Regionen bis Moskau und Stalingrad und in Leningrad über eine Millionen Verhungerte in den fast 900 Tagen der Belagerung. Das Leid in den Konzentrationslagern und die Ermordung der Millionen zu Feinden gemachten angeblich "Minderwertigen" – darunter 6 Millionen Juden –darf nie vergessen werden. Und die Opfer des verbrecherischen NS-Regimes wollten bestimmt nicht, dass in den Erinnerungs- und Gedenkveranstaltungen nur einer Gruppe gedacht wird. So soll hier auch an die annähernd 3 Millionen russischen Kriegsgefangenen, die in Deutschland durch Vernichtung durch Arbeit oder Genickschuss ermordet worden sind, erinnert werden. Während die US-Armee maßgeblich an der Befreiung Westeuropas beteiligt war, spielte die Rote Armee eine zentrale Rolle bei der Befreiung Berlins und der endgültigen Niederlage des NS-Regimes. Am 7. Mai unterzeichnete im US-Hauptquartier von General Dwigth D. Eisenhower in Reims Generaloberst Alfred Jodl – Chef des Wehrmachtsführungsstabs eine Kapitulationsurkunde. Die Waffen sollten am nächsten Tag schweigen. Am 9. Mai 1945 – kurz nach Null Uhr – unterschrieben im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst (1) Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel als ranghöchster deutscher Soldat sowie die Befehlshaber der Teilstreitkräfte vor den 4 Siegermächten die unterzeichnete die bedingungslose Kapitulation.
Nach dem 8. Mai schwiegen zwar die Waffen, aber der britische Premier Churchill hatte schon unter dem Namen "Operation Unthinkable" die Planung eines Angriffs auf die Rote Armee für den 1. Juli 1945 befohlen – es wurde also schon am "Tag der Befreiung" die Fortsetzung des Krieges zur Befreiung des durch die Rote Armee besetzten Polen geplant. Daneben gab es in Polen auch Kreise, die sich von der Roten Armee befreit fühlten. Nach dem 8. Mai 1945 gerieten deutsche Bevölkerungsteile unter fremde Herrschaft. Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit der Vertreibung der Deutschen nach dem 8. Mai 1945 wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Historiker unterscheiden zwischen zwischenstaatlich organisierten Vertreibungen und spontanen Gewaltakten in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches (Schlesien, Ostpreußen, Pommern) sowie aus Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa (Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien) werden 12-14 Millionen Vertriebene angegeben. (2) Die offizielle Zahl der Todesopfer variiert aufgrund von statistischen Differenzen der Vorkriegs- und Nachkriegsbevölkerung zwischen 600.000 und 2 Millionen. (3) Während in Polen und der Tschechoslowakei 1945 Gewaltwellen dominierten, waren spätere Vertreibungen (ab 1946) oft „geordneter“, aber weiterhin tödlich. (4) Statistische Fehlerquellen: Ältere Schätzungen (z.B. 2 Millionen) inkludierten ungeklärte Fälle wie Kriegstote, Juden und fehlende Geburten. Unabhängig von der historischen Aufarbeitung, die komplex bleiben wird, da Opferzahlen oft politisch instrumentalisiert wurden, (5) müsste bei allen Gedenkveranstaltungen an das grenzenlose Leid erinnert werden, und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren. Hier nehme ich den 17-jährigen nicht aus, der als Hitler Kanzler wurde, in der erste Klasse war, von den Lehrern manipuliert wurde und dann als irregeleitetes Kind zur Waffen-SS überredet wurde. Ein Blick in die deutsche Nachkriegsgeschichte beschämt. Bis auf eine ganz kleine Gruppe, die 1946 in Nürnberg verurteilt und gehenkt wurde, übernahmen die USA – erinnert sei hier an die Operation Paperclip – so manchen für sie nutzbaren NS-Exponenten, andere durften die Bundesrepublik mit aufbauen wie die ehemaligen NS-Funktionäre Hans Globke und Werner Naumann . Sie symbolisierten die personelle Kontinuität zum NS-Regime und prägten den nun demokratischen Neuanfang mit. Hans Globke, der einflussreiche Staatssekretär, hatte als Ministerialbeamter im Reichsinnenministerium 1936 einen Kommentar zu den Nürnberger Rassengesetzen verfasst, der die antisemitische Politik legitimierte.
Zwischen 1953–1963 organisierte der Vertraute Adenauers als Staatssekretär im Bundeskanzleramt die Regierungsgeschäfte, kontrollierte Ministerien und beeinflusste Personalentscheidungen. Trotz dieser NS-Belastung setzte Adenauer auf Globke, um die Loyalität alter Eliten zu sichern – ein Signal der Integration für viele ehemalige NS-Beamt. Maßgeblich war Globke an der Integration der Organisation Gehlen (später BND) in die Bundesrepublik beteiligt und nutzte deren Netzwerke zur Überwachung politischer Gegner. (6)
Naumann war Staatssekretär im Reichspropagandaministerium unter Goebbels. In den 1950ern versuchte er, ehemalige Nationalsozialisten in der FDP und Deutschen Reichspartei (DRP) zu sammeln („Naumann-Kreis“). Aufgrund einer britischen Intervention wurde er 1953 r verhaftet, um eine Unterwanderung der Demokratie zu verhindern. Gerade in Justiz, Verwaltung und Diplomatie blieben NS-belastete Personen oft im Amt, um staatliche Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. (7)
Die USA verhelfen dem einstigen NS-Exponenten Fritz Fischer zur Historikerkarriere
Zu den schärfsten Verfechtern von der These der deutschen Schuld am Ersten Weltkrieg zählt der umstrittene Hamburger Historiker Fritz Fischer (1908-1999) (8). In seinem 1961 erschienenen Buch "Griff nach der Weltmacht" deutete Fischer die im September 1914 vom Reichskanzler Bethmann Hollweg ausformulierten Kriegsziele als logische Folge der deutschen imperialistischen Weltpolitik vor 1914. (9) Danach strebte das Kaiserreich als Nachzügler der europäischen Kolonialmächte nach der „Weltmacht“ und in Europa eine deutsche Hegemonie an.
Im Vorwort bezeichnete Fischer seine Arbeit als „Beitrag zu dem Problem der Kontinuität in der deutschen Geschichte vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg“ (10). Er sieht sogar einen direkten Weg von Kaiser Wilhelm II. zu Hitler.
Kam Fischer diese Einsicht während des "Automatischen Arrests" (11), in den ihn die Alliierten wie andere Exponenten des Dritten Reiches gleich nach Kriegsende steckten? Darunter fielen ca. 180.000 Nationalsozialisten, die in den Augen der Alliierten eine Gefährdung der Sicherheit darstellten.
Und Fischer schien diese Voraussetzungen zu erfüllen: 1933 war er in die SA eingetreten und hatte im Kirchenkampf nach 1933 sich für eine geeinte "Reichskirche" auf völkischer Grundlage eingesetzt. (12) 1937 erhielt Fischer das Parteibuch der NSDAP und wurde 1939 Stipendiat des NS-Historikers Walter Frank. Noch im gleichen Jahr begann Fischers Militärdienst. Im Oktober 1941 schrieb der 33jährige Parteigenosse an den Stellvertreter von Walter Frank, Erich Botzenhart, einen Brief, in dem er bedauerte, dass er den „großen Ostfeldzug“ nicht mitmachen könne. Doch er freue sich, „im Winter wieder einige Vorträge vor den Batterien halten“ zu dürfen. „Die Themen waren "das Eindringen des Judentums in Kultur und Politik Deutschlands in den letzten 200 Jahren, und: das Eindringen des jüdischen Blutes in die englische Oberschicht, und: die Rolle des Judentums in Wirtschaft und Staat der USA"“. (13) 1942 wurde Fischer als Extraordinarius an die Universität Hamburg berufen. Auch dort blieb er seiner Obsession treu und hielt ebenfalls Vorträge über „das Eindringen des Judentums in Kultur und Politik“. (14) Nach der Entlassung aus dem "automatischen Arrest" (15) konnte Fischer schon im Sommersemester 1947 als "Planmäßiger außerordentlicher Professor" [siehe Vorlesungsverzeichnis vom Sommersemester 1947, S. 11] seine „Laufbahn“ als „zweifelslos der wirkungsmächtigste Historiker der frühen Bundesrepublik“ (Volker Ullrich) mit bahnbrechenden Forschungen (so Klaus Loscher) an der Universität Hamburg starten. Dieser Vorgang bedarf einer rückhaltlosen Aufklärung. Wurde doch jedem Dorfschulmeister, dem die Mitgliedschaft in der NSDAP nachgewissen werden konnte, die Lehrertätigkeit verboten.
Nach dem Krieg hat Fischer seinen Einsatz im Dritten Reich nie kritisch reflektiert, dagegen wiederholt betont, kein Anhänger der Nationalsozialisten gewesen zu sein. Damit hebt er sich zumindest von vielen seiner damaligen Parteigenossen ab, die sich in der Nachkriegszeit zu entschiedenen Gegner des NS-Regimes stilisierten. Der Vorwurf, er sei ein bedenkenloser Opportunist gewesen, muss jedoch bestehen bleiben.
In seinem 1961 erschienenen Buch "Griff nach der Weltmacht" führt Fischer die angespannte Weltlage des Jahres 1914 auf die deutsche Weltpolitik zurück und hebt hervor, dass Deutschland „den österreichisch-serbischen Krieg gewollt, gewünscht und gedeckt hat, und, im Vertrauen auf die deutsche militärische Überlegenheit, es im Jahr 1914 bewusst auf einen Konflikt mit Russland und Frankreich ankommen ließ...“. (16) Mit dieser Aussage konnte die historische Verantwortung der deutschen Reichsführung für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs festgepflockt werden. Einen weiteren Pflock schlug der Fischer-Schüler Immanuel Geiss ein: „Die Motive für die deutsche Reichspolitik lassen sich in der kritischen Distanz aus einem halben Jahrhundert sehr wohl verstehen: Der Mord von Sarajewo schien die Chance zu bieten, den langersehnten Durchbruch zur deutschen Weltmachtstellung zu erzwingen, sei es durch Androhung des Kriegs, sei es durch den Krieg selbst. Wichtiger aber waren vielleicht noch die ideologischen Motive, die zu unversalhistorischen Perspektiven führen: Das deutsche Reich fühlte sich als Vorkämpfer des konservativen, monarchischen Prinzips, als Fels in der steigenden Flut der Demokratie.“ (17) In der Fußnote zu dieser Aussage führt Geiss nicht etwa Belege an, sondern versucht sein Ressentiment noch zu toppen: „Eine detaillierte Untersuchung dieses wichtigen Aspekts der vorherrschenden Ideologie und "Weltanschauung" im Wilhelminischen Reich wäre von großer Bedeutung.“ (18) Ein schönes Beispiel für die Konditionierung eines Doktoranden durch die ideologischen Scheuklappen seines Doktorvaters!
Bei Fischer wie auch bei vielen seiner Schüler ist die Haltung des "Verstehenwollens" kaum zu spüren, dagegen scheint die Haltung des Wissenden und der daraus resultierenden Verurteilung manifest.
Fritz Fischer löste mit seiner Theorie vom kriegslüsternen Deutschen Reich zwangsläufig Kontroversen aus, die 1964 – hier jährte sich zum 50sten Mal der Erste und zum 25sten Mal der Zweite Weltkrieg – in einer politischen, wissenschaftlichen und öffentlichen Auseinandersetzung kulminierten. Diese trugen vor allem die überregionalen Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt, Süddeutsche Zeitung, die Wochenzeitung DIE ZEIT (19) und das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL (20) aus. Dessen Herausgeber Rudolf Augstein stellte sich mit einem Vorabdruck der zweiten Auflage von "Griff nach der Weltmacht" (21) demonstrativ auf die Seite Fischers.
In Deutschland beanspruchten bis dahin meinungsbildende Historikerkreise aus dem Umfeld von Fritz Fischer die Deutungshoheit und ließen nur eine bestimmte Sichtweise gelten. Das führte ähnlich wie die zunächst im August 1914 von allen Seiten forsch vorgetragenen Offensiven bald zu einem "Stellungskrieg" der Historiker. Je nach Frontseite wurden die Quellen gesichtet und verwertet. Eifrig sammelten die Fischer-Assistenten Zitat über Zitat für einen lange bestehenden deutschen Kriegswillen, während auf demselben Flur des "Hamburger Historischen Seminars" die Zuarbeiter des Fischer-Gegners Egmont Zechlin jede Menge Belege für deutsche Friedensliebe und Kriegsfurcht zusammentrugen. „Zuweilen bekannten die Hilfskräfte einander, dass sie auch Belegmaterial für die Position des Kontrahenten hätten,“ (22) vermerkt süffisant Joachim Radkau, der selbst bei Fischer promoviert hat.
Auslöser dieser „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ („the great seminal catastrophe of this century“) (23), wie der US-amerikanischen Historiker und Diplomat George F. Kennan es formulierte, war das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz-Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajewo – der Hauptstadt des zu Österreich-Ungarn gehörenden Kronlandes Bosnien-Herzegowina.
Wer stand wirklich hinter dem Attentat? Was sollte es bewirken bzw. auslösen und wer wollte davon profitieren? In seinem 1966 erschienenen Buch "The Road to Sarajevo" (24) machte der jugoslawische Historiker Vladimir Dedijer, kommunistischer Politiker und offizieller Biograf Josip Broz Titos, nicht weniger als sieben Staaten und vier politische Gruppen aus, die der Urheberschaft des Attentates beschuldigt worden sind. (25)
Mit Resignation muß man feststellen, daß nach über einem Jahrhundert das Rätsel um die Hintergründe des Attentats noch immer nicht gelöst wurde, obwohl, wie der russische Historiker N. P. Poletika bemerkte (26), dieses Attentat den Schlüssel zur Kriegsschuldfrage darstellt. (27)
Anfang August 2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal. In den "gewitterschwülen" Juli- und Augusttagen des Jahres 1914 zerbrach erst einmal die Friedensordnung. Im weiteren Kriegsverlauf gingen die Strukturen der bürgerlichen Vorkriegsgesellschaft unter, und zwar nicht nur bei den Kriegsverlierern, aber dort am gründlichsten.
Mit seiner kontroversen These zur deutschen Kriegsschuld im Ersten Weltkrieg konnte Fritz Fischer eine ganze Generation von Historikern (an die 100 Promotionen) prägen. Aus seinem direkten akademischen Umfeld an der Universität Hamburg und durch seine Forschungen beeinflusst, sind insbesondere die deutschen Historiker Helga Timm, Bernd-Jürgen Wendt, Joachim Radkau, Gabriele Hoffmann, Volker Ullrich und Peter Borowsky. Zusätzlich zu seinen direkten Schülern beeinflusste Fischer die Forschung und Methodik zahlreicher Historiker, die sich mit den Ursachen und Folgen des Ersten Weltkriegs, der deutschen Innenpolitik und der Kontinuität deutscher Machtpolitik beschäftigten. Zu diesen zählen unter anderem Horst Lademacher, Lilli Lewerenz, Winfried Baumgart, Horst Günther Linke und Wolfgang J. Mommsen, (28) die sich von der sogenannte Fischer-Kontroverse anregen ließen.
Es gab auch namhafte Ablehner der Arbeit von Fritz Fischer – hier sei nur auf Paul Sethe, oder Thomas Nipperdey (29) verwiesen; natürlich blieben Fischers Schüler, John C.G. Röhl in Großbritannien und Immanuel Geiss in der Bundesrepublik, voll auf der Linie ihres Lehrmeisters.
Es bleibt unverständlich, dass sich die deutschen Nachkriegshistoriker nicht mit Churchills Mitteilung an das britische Außenministerium Ende des Weltkriegs beschäftigt haben:
„Dieser Krieg wäre nie gekommen, wenn wir nicht unter amerikanischem und modernisierendem Druck die Habsburger aus Österreich-Ungarn und die Hohenzollern aus Deutschland vertrieben hätten. Indem wir diese Vakuums schufen, gaben wir dem Hitler-Monster die Möglichkeit, aus der Gosse auf die leeren Throne zu kriechen“ (30)
Im Gegensatz zu den staatstragenden deutschen Historikern trugen schon in den 1920er Jahren französische und angelsächsische Historiker und Publizisten dieser Komplexität Rechnung. Hier sei auf die Werke von Harry Elmer Barnes (31), Sidney B. Fay (32) und Bernadotte E. Schmitt (33)verwiesen. In dieser Tradition erschien 1964 mit "The Kaiser and his Time" eine Biografie Wilhelms II. aus der Feder eines englischen Historikers von Rang: Michael Balfour, der, politisch als Diplomat und wissenschaftlich an der Universität Oxford seit den dreißiger Jahren tätig, seine Erfahrung aus beiden Bereichen vereint. (34) In den ersten Presseurteilen zur englischen Originalausgabe schrieb "The Economist", dass nach der Lektüre des Buches klar werde, dass „dem Kaiser Unrecht geschieht mit dem Bild, das man sich gemeinhin von ihm gemacht hat – und das sich viele sogar schon 1914 gemacht haben...“ (35)
Kein 1. oder 2. Weltkrieg? Insgesamt ein 2. Dreissigjähriger Krieg?
Den Begriff des „Zweiten Dreißigjährigen Kriegs“ (1914–1945) wurde sowohl von Charles de Gaulle als auch von Winston Churchill verwendet, um die beiden Weltkriege als zusammenhängende, längere Epoche der europäischen Katastrophe zu deuten. Sie sahen den Ersten und Zweiten Weltkrieg nicht als isolierte Ereignisse, sondern als zwei Phasen eines einzigen, langen europäischen Konflikts, der mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 begann und erst 1945 mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs abgeschlossen wurde. (36)
Der Begriff tauchte erstmals im Umfeld von Charles de Gaulle auf, als es um den französischen Beitritt zur Atlantik-Charta ging. (37) De Gaulle selbst sprach im September 1941 in einer Radioansprache in London davon, dass Europa seit 1914 einen „zweiten Dreißigjährigen Krieg“ (la nouvelle Guerre de Trente Ans) erlebe. (38) Damit wollte er betonen, dass die beiden Weltkriege nicht isoliert zu betrachten seien, sondern als Phasen eines einzigen, langen Kampfes um die Neuordnung Europas verstanden werden müssten, in Anlehnung an den verheerenden Dreißigjährigen Krieg des 17. Jahrhunderts, der Europa ebenfalls tiefgreifend erschütterte. Für ihn war die Zeit von 1914 bis 1945 eine Epoche, in der die alten Mächte Europas in einem langen, zusammenhängenden Konflikt untergingen und die Weltordnung grundlegend umgestaltet wurde.
Winston Churchill griff diese Deutung ebenfalls auf. 1944 schrieb er in einem Brief an Stalin vom „dreißigjährigen Krieg von 1914. (39)
Churchill und de Gaulle nutzten diese Metapher, um auf die tiefen, miteinander verwobenen Ursachen und die anhaltenden Konflikte hinzuweisen, die Europa in dieser Zeit erschütterten und die erst mit der Nachkriegsordnung nach 1945 überwunden werden sollten.
Der Vergleich mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) diente beiden Staatsmännern dazu, die verheerenden Auswirkungen, die Dauer und die Umwälzungen der beiden Weltkriege zu verdeutlichen und die Notwendigkeit einer neuen, stabilen europäischen Friedensordnung zu unterstreichen.
Beide Staatsmänner wollten mit dem Begriff die historische Dimension und Tragweite der beiden Weltkriege verdeutlichen. Sie betonten, dass die Katastrophe von 1939–1945 ohne die ungelösten Konflikte und Fehler nach 1918 nicht zu verstehen sei. Die Bezeichnung sollte auch als Mahnung dienen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und eine dauerhafte Friedensordnung zu schaffen.
Die Parallelen zu heute fallen ins Auge. Befinden wir uns heute in einem Dritten Dreißigjährigen Krieg?
Auch die DDR ist nicht ganz verstrickungsfrei
Während die SED Globke als „Kronjuristen des Hitler-Faschismus“ mit dem Ziel attackierte, die Bundesregierung zu diskreditieren, (40) konnte Generalsfeldmarschall Friedrich Paulus, der den Kriegsplan Barbarossa gegen die Sowjetunion federführend ausgearbeit hat und dann als Oberbefehlshaber der 6. Armee in Stalingrad in sowjetische Kriegsgefangenschaft geriet, in der DDR eine ambivalente Rolle spielen: Die SED-Führung instrumentaliserte ihn als Symbolfigur für den „antifaschistischen Umschwung“. (41)
Nach seiner Entlassung aus sowjetischer Gefangenschaft (1953) siedelte Paulus in die DDR über. Die SED präsentierte ihn als „Beweis“ für die Überlegenheit des Sozialismus, der selbst hochrangige NS-Militärs „bekehren“ könne. (42) Er wurde in das Präsidium des Nationalrats der Nationalen Front berufen, einen Dachverband der DDR-Parteien, und lebte in einer Villa in Dresden-Weißer Hirsch – ausgestattet mit einem NVA-Adjutanten. (43)
Die DDR nutzte Paulus’ Renommee, um gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und deren NATO-Beitritt zu agitieren. Seine öffentlichen Appelle sollten die Legitimität der DDR als „friedliebender Staat“ untermauern. (44)
Als Kronzeuge in Nürnberg hatte er bereits die These der „Alleinschuld der NS-Führung“ gestützt, was die DDR-Propaganda aufgriff, um die Bundesrepublik als „Erbe des Faschismus“ zu brandmarken. (45) Seine öffentlichen Auftritte blieben selten, und die erhoffte propagandistische Strahlkraft gegenüber dem Westen verpuffte weitgehend.
Richard von Weizsäcker (1920-2015)
Ein Bundespräsident mit tiefem Blick auf den 8. Mai 1945
Richard von Weizsäcker Sohn des 1938 zum Stellvertreter des 1946 gehenkten Reichsaußenministers von Ribbentrop ernannten Ernst von Weizsäcker, nahm am gesamten 2. Weltkrieg – vor allem an der Ostfront – teil. Ab Februar 1943 war er sogar an der Leningrader Blockade dabei. Zum Kriegsende setzte er sich – inzwischen Hauptmann – über Kopenhagen nach Lindau ab, beging damit Fahnenflucht und konnte somit auch eine Gefangenschaft vermeiden. (46) Zu gleichen Zeit mussten junge Soldaten in den Erdlöchern der Rheinwiesen bis zum Herbst 1945 unvorstellbares Leid erfahren. Wie konnte ein ehemaliger Offizier, dem hundert Soldaten anvertraut waren, damit umgehen?
1947 verteidigte Richard von Weizsäcker in Nürnberg seinen Vater Ernst von Weizsäcker als Hilfsverteidiger im Team um den Hauptverteidiger Hellmut Becker. (47) Ernst von Weizsäcker, Staatssekretär im Auswärtigen Amt während des NS-Regimes, war wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, insbesondere wegen seiner Mitwirkung an der Deportation französischer Juden nach Auschwitz. (48)
Richard von Weizsäcker plädierte im Rahmen der Verteidigung auf Nichtschuldig und argumentierte, sein Vater habe aus Pflichtgefühl im Amt verharrt und versucht, Schlimmeres zu verhindern. (49) Die Verteidigung stellte Ernst von Weizsäcker als jemanden dar, der aus dem Inneren des Systems Widerstand geleistet und nicht aus Überzeugung, sondern aus staatsbürgerlicher Verantwortung gehandelt habe. (50)
Hat Richard von Weizsäcker nie seinen Vater in SS-Uniform gesehen?
Ernst von Weizsäcker hat während seiner Zeit im Nationalsozialismus zwei bedeutende Ehrenauszeichnungen von der SS angenommen:
Ehrendegen des Reichsführers SS (1942)
SS-Totenkopfring (1942)
Beide Auszeichnungen wurden ihm persönlich von Heinrich Himmler verliehen. (51)
Darüber hinaus wurde Weizsäcker 1942 in den Rang eines SS-Brigadeführers (General) befördert und war administrativ dem Persönlichen Stab Himmlers zugeteilt, hatte jedoch keine Befehlsgewalt über SS-Einheiten. (52) Außerdem hat er schon 1936 als Gesandter in der Schweiz von dort aus die Ausbürgerung von Thomas Mann wegen „feindseliger Propaganda gegen das Reich“ betrieben. (53)
Ernst von Weizsäcker wurde 1949 zu sieben Jahren Haft verurteilt, die später auf fünf Jahre reduziert wurden.
Richard von Weizsäcker bezeichnete das Urteil später als „historisch und moralisch ungerecht“ und blieb auch Jahrzehnte später bei der Überzeugung, sein Vater sei bei dem Versuch gescheitert, aus dem Inneren des Systems Widerstand zu leisten. (54)
Vielleicht haben diese persönlichen Erfahrungen Richard von Weizsäcker als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland eine unvergessene Rede zum
8. Mai 1945, den er unter anderem einen "Tag der Befreiung" nannte, halten lassen.
Auszug:
„Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. Sieg oder Niederlage, Befreiung von Unrecht und Fremdherrschaft oder Übergang zu neuer Abhängigkeit, Teilung, neue Bündnisse, gewaltige Machtverschiebungen - der 8. Mai 1945 ist ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung in Europa. Wir Deutsche begehen den Tag unter uns, und das ist notwendig. Wir müssen die Maßstäbe allein finden. Schonung unserer Gefühle durch uns selbst oder durch andere hilft nicht weiter. Wir brauchen und wir haben die Kraft, der Wahrheit so gut wir es können ins Auge zu sehen, ohne Beschönigung und ohne Einseitigkeit. Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. Je ehrlicher wir ihn begehen, desto freier sind wir, uns seinen Folgen verantwortlich zu stellen. Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewusst erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur dafür dankbar, dass Bombennächte und Angst vorüber und sie mit dem Leben davongekommen waren. Andere empfanden Schmerz über die vollständige Niederlage des eigenen Vaterlandes. Verbittert standen Deutsche vor zerrissenen Illusionen, dankbar andere Deutsche vor dem geschenkten neuen Anfang. Es war schwer, sich alsbald klar zu orientieren. Ungewissheit erfüllte das Land. Die militärische Kapitulation war bedingungslos. Unser Schicksal lag in der Hand der Feinde. Die Vergangenheit war furchtbar gewesen, zumal auch für viele dieser Feinde. Würden sie uns nun nicht vielfach entgelten lassen, was wir ihnen angetan hatten? Die meisten Deutschen hatten geglaubt, für die gute Sache des eigenen Landes zu kämpfen und zu leiden. Und nun sollte sich herausstellen: Das alles war nicht nur vergeblich und sinnlos, sondern es hatte den unmenschlichen Zielen einer verbrecherischen Führung gedient. Erschöpfung, Ratlosigkeit und neue Sorgen kennzeichneten die Gefühle der meisten. Würde man noch eigene Angehörige finden? Hatte ein Neuaufbau in diesen Ruinen überhaupt Sinn? Der Blick ging zurück in einen dunklen Abgrund der Vergangenheit und nach vorn in eine ungewisse dunkle Zukunft. Und dennoch wurde von Tag zu Tag klarer, was es heute für uns alle gemeinsam zu sagen gilt: Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Niemand wird um dieser Befreiung willen vergessen, welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten. Aber wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen. Wir haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir haben allen Grund, den 8. Mai 1945 als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen, das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg.“ (55)
Im zweiten Teil nannte Weizsäcker den 8. Mai einen Tag der Erinnerung, im dritten verwies er darauf, dass Am Anfang der Gewaltherrschaft der abgrundtiefe Haß Hitlers gegen unsere jüdischen Mitmenschen gestanden hatte, im vierten bezeichnete er den 8. Mai als einen tiefen historischen Einschnitt, nicht nur in der deutschen, sondern auch in der europäischen Geschichte, im fünften verwies er auf die Willkür der Zerstörung, die in der willkürlichen Verteilung der Lasten nachwirke: Es gab Unschuldige, die verfolgt wurden, und Schuldige, die entkamen, im sechsten, dass der Krieg stärker als früher die Friedenssehnsucht im Herzen der Menschen geweckt hat, im siebten, dass der Krieg alte Gegner menschlich und auch politisch einander nähergebracht hätte und im letzten musste er noch feststellen: Vierzig Jahre nach dem Ende des Krieges ist das deutsche Volk nach wie vor geteilt.
Den 8. Mai als Feiertag zu begehen hatte Weizsäcker kategorisch ausgeschlossen.
Das hinderte aber nicht den Berliner Senat, 2023 den Feiertag für 2025 zu beschließen. (56) Bundesweit wird debattiert, den 8. Mai als nationalen Feiertag zu verankern. (57) Die Verfechter eines gesetzlichen Feiertags sind überzeugt, dass ein derartiger Tag Raum für Reflexion und Bildung über die NS-Verbrechen schaffen wird – im Biergarten?
Wenn an diesem freien Tag das Vermächtnis von Weizsäcker Rede öffentlichen gemacht werden könnte, hätte es einen Sinn. Weizsäcker formulierte zum Schluss:
„Wir wollen ihnen helfen, sich auf die geschichtliche Wahrheit nüchtern und ohne Einseitigkeit einzulassen, ohne Flucht in utopische Heilslehren, aber auch ohne moralische Überheblichkeit. Wir lernen aus unserer eigenen Geschichte, wozu der Mensch fähig ist. Deshalb dürfen wir uns nicht einbilden, wir seien nun als Menschen anders und besser geworden. Es gibt keine endgültig errungene moralische Vollkommenheit - für niemanden und kein Land! Wir haben als Menschen gelernt, wir bleiben als Menschen gefährdet. Aber wir haben die Kraft, Gefährdungen immer von neuem zu überwinden. Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Hass zu schüren. Die Bitte an die jungen Menschen lautet: Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen
andere Menschen,
Russen oder Amerikaner,
Juden oder Türken,
Alternative oder Konservative,
Schwarz oder Weiß.
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander, lassen Sie auch uns als demokratisch gewählte Politiker dies immer wieder beherzigen und ein Beispiel geben.
Ehren wir die Freiheit.
Arbeiten wir für den Frieden.
Halten wir uns an das Recht.
Dienen wir unseren inneren Maßstäben der Gerechtigkeit.
Schauen wir am heutigen 8. Mai, so gut wir es können, der Wahrheit ins Auge."
Der 8. Mai 2025 zwischen demütiger Reflexion und oberflächlichem Abfeiern
Auf dem von Henry Marek und Tino Eisbrenner im Ferienpark von Retgendorf veranstalteten 3. Denkfest hat am 30. April der Schauspieler Rolf Becker mit seinem Sohn Anton eine berührende Lesung über die Leningrader Blockade 1941-1944 gehalten.
Rolf Becker zitierte aus dem Tagebuch eines Mädchens aus Leningrad (heute Petersburg), das weltweit unter dem Namen Tanja bekannt wurde. Das Dokument lag bei den Nürnbergern Prozessen vor.
Tanja und ihre bedrückenden Eintragungen
Es sind nur neun nüchterne Seiten:
„Shenja gestorben am 28. Dezember 1941 um 12 Uhr 30
Großmutter gestorben am 25. Januar 1942 um 3 Uhr nachmittags
Leka gestorben am 17. März 1942 um 5 Uhr morgens
Onkel Wasja gestorben am 13. April 1941 um 2 Uhr nach Mitternacht
Onkel Ljoscha am 10. Mai 1942 um 7 Uhr 30 morgens
Die Sawitschews sind tot. Alle sind tot.“
Das Schicksal Leningrads – zwischen dem 8. September 1941 und dem 27. Januar 1944 von Wehrmachtstruppen eingekesseltt – war schon kurz nach Kriegsbeginn beschlossene Sache. Adolf Hitler:
„In die russischen Städte gehen wir nicht hinein, sie müssen vollständig ersterben.“
Propagandaminister Goebbels vertraute seinem Tagebuch an:
„Vom Bolschewismus darf nichts mehr übrigbleiben. Der Führer hat die Absicht, Städte wie Moskau und Petersburg ausradieren zu lassen. Es ist das auch notwendig. Denn wenn wir schon Russland in seine einzelnen Bestandteile aufteilen wollen, dann darf dieses Riesenreich kein geistiges, politisches oder wirtschaftliches Zentrum mehr besitzen.“
Zwei Wochen nach Kriegsbeginn notiert Franz Halder, Generalstabschef des Heeres:
„Entschluss des Führers ist es, Moskau und Leningrad dem Erdboden gleich zu machen, um zu verhindern, dass Menschen darin bleiben, die wir dann im Winter ernähren müssen.“
Auf dem Kongress „Krieg und Frieden“ der "Neuen Gesellschaft für Psychologie", Berlin (10. bis 12. April 2025) hat Doris Pumphrey, langjährige Aktive in der Friedensbewegung, u.a. in der Friedenskoordination Berlin, einen aufrüttelnden Vortrag gehalten mit dem Titel:
"Die Friedensbewegung in Deutschland im Spannungsfeld zwischen der alten, vom NATO-Westen dominierten Welt und der sich entwickelnden neuen multipolaren Weltordnung."
Darin beschrieb sie die Friedensbewegung als eine sog. Graswurzelbewegung, „die die Mühen durchlaufen muss eines Aufbaus und einer Mobilisierung von unten“. Das sei nicht mehr der Fall:
„Massen werden heute mobilisiert von professionell geführten, künstlich geschaffenen Graswurzelbewegungen mit ihren unzähligen NGOs und Vereinen, die von Ministerien, der EU, Stiftungen, Finanzkonzernen, Soros, USAID etc. subventioniert werden“. Sie bedienten mit viel professioneller PR und Medienrummel um ihre Massenevents die staatlich geförderte Meinung und politische Agenda der herrschenden Elite.
Abschließend forderte Doris Pumphrey, dass die Friedensbewegung endlich den Mut haben muss, die anti-russische Aggressionspolitik als zentrales Problem zu benennen und zu bekämpfen. Und sie muss der Bevölkerung klarmachen:
„Deutschlands Feind ist nicht Russland, sondern Geschichtsfälschung, Verantwortungslosigkeit, Größenwahn und der völlige Realitätsverlust seiner Regierung und des politisch-medialen Establishments“.
Das International Peace Bureau (IPB)
Das 1891 gegründete IPB ist eine derjenigen Friedensorganisationen, die Doris Pumphrey wegen ihrer hierarchischen Struktur ablehnt. Diese internationale Nichtregierungsorganisation wird von einem breiten Netzwerk aus Mitgliedsorganisationen, Einzelpersonen und historisch gewachsenen Strukturen getragen. Die aktuelle Führung und Ausrichtung spiegelt eine Mischung aus traditionellen Friedensaktivisten, globalen NGOs und politischen Akteuren wider. Nach seiner Auflösung 1950 wurde das IPB 1964 neu gegründet und verlegte seinen Sitz später nach Berlin (seit 2017). (58)
Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 stellte die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden die Geldmittel für das IPB ein, gründete in Paris ein konkurrierendes Internationales Friedensbüro und löste damit die erste Krise für die Organisation aus. Während des Krieges stand das IPB auf der Seite der Entente, doch erst nach dem Kriegseintritt der USA sowie der Oktoberrevolution in Russland folgten Stellungnahmen. Nach dem Krieg spielte das Büro keine entscheidende Rolle in der Friedenspolitik – wen wunderts? Seit 2022 führen Philip Jennings (ehem. Gewerkschaftsführer, UK) und Corazon Valdez Fabros (Philippinen, Anti-Atomaktivistin) die Organisation. (59) Von 2013 bis 2019 fungierte der deutsche Friedensaktivist Rainer Braun als Co-Präsident.
Auf dem Kongress „Krieg und Frieden“ der Neuen Gesellschaft für Psychologie zitierte der deutsche Sozialwissenschaftler, Schriftsteller und Bildende Künstler Rudolph Bauer in Berlin in seinem Vortrag aus einem Manifest von Rainer Braun, das dieser bei der Berliner „Friedenswinter“-Demonstration zum Bundespräsidialamt am 13. Dezember 2014 als „Unser Selbstverständnis“ verlesen hatte:
„Unsere Demonstration ist anti-faschistisch; ohne Wenn und Aber. Wir stehen in der Tradition des Schwurs von Buchenwald: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. Wir lehnen jede Form des Rechtsradikalismus ab, wir arbeiten mit Rechtsradikalen nicht zusammen. Wir demonstrieren hier gegen Krieg und Faschismus, gegen drohende Kriegsgefahr. Wir wollen keinen Rassismus in unserem Land, gleichgültig in welcher Form. Wir sind empört darüber, wie die sächsische Landesregierung mit einer Rassistenorganisation, dem PEGIDA-Bündnis, kooperiert. Auch hier muss eine klare Ansage kommen: Nicht in unserem Namen. Wir leisten Widerstand! Lasst es mich noch einmal ganz deutlich sagen: Wir sagen Nein zu Antisemitismus, neuen Rechten, Reichsbürgern, Rassismus, Nationalismus und Faschismus.“
Das Zitat zeigt laut Rudolph Bauer typisch die Vermengung der Rede vom Frieden mit einer Staats- und Militärunterwürfigkeit, welche die Kriegsbereitschaft antifaschistisch tarnt. Es handelt sich um dieselbe Methode wie bei Joschka Fischers „Nie wieder Auschwitz“ zur Rechtfertigung des Überfalls auf Jugoslawien.
Wenn dann die politischen Eliten dieser Republik aus Bundes- und Landesregierungen bis hin zu den Gemeinden den Gedenktag mit Kranzniederlegungen und offiziellen Reden begehen, die sich im Tenor kaum unterscheiden und dabei die Kriegstüchtigkeit im Auge haben, wird klar, dass sie nichts von Weizsäckers Rede verstanden haben.
Die engagierte Friedensfreundin Christiane Reymann vom Aktionskreis Befreiung ging in ihrer Rede auf dem Kongress Krieg und Frieden auf die Handreichung des Auswärtigen Amtes ein, in dem klar gestellt wurde, dass Vertreter Russlands und Weißrusslands zum Gedenken an den 80. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus nicht einzuladen seien. Sollten sie trotzdem kommen, seien sie mit Augenmaß rauszuwerfen. Das sei laut Reymann ein Offenbarungseid bundesdeutscher Diplomatie, Reymann weiter: „Das zeigt, dass der Rassismus gegenüber, slawischen Untermenschen` offenbar nur verdeckt, aber nicht überwunden ist - zumindest im Auswärtigen Amt".
In Erinnerung an den opferreichen Kampf der Roten Armee lädt die Initiative zum 80. Jahrestag der Befreiung ein: „Wir sagen Danke! gerade jetzt und laden ausdrücklich Russen und Weißrussen - ob offiziell, inoffiziell, privat - zu Politik und Kultur am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin Tiergarten“ (60) (03. Mai 14:00 bis 16:30 Uhr)
Am 9. Mai 1945, dem ersten Tag an dem die Waffen schwiegen, wurde in der ganzen Sowjetunion nach fast vier Jahren Krieg, Tod, Leid und Verwüstung der Sieg über die Eindringlinge, die so viel Elend über die Menschen der Sowjetunion brachten, entsprechend der russischen Mentalität intensiv gefeiert. Die Menschen in Russland begehen den 9. Mai als Tag des Sieges, um an den Sieg der Sowjetunion über das nationalsozialistische Deutschland im Zweiten Weltkrieg (1941–1945) zu erinnern. Für sie markiert dieser Tag das Ende des „Großen Vaterländischen Krieges“, wie der Krieg in Russland bezeichnet wird.
Und 2025 steht Russland wieder seit über drei Jahren im Krieg. Der Feind aus dem Westen schickt sich wieder an, aktiv in den Krieg einzugreifen. Die vom Verfasser des Artikels im Herbst 2023 in Kaliningrad und Jekaterinburg empfundene Empathie für die Deutschen war schon im April 2024 deutlich zurückgegangen. Deutschland wird in Russland nun wieder als Feind wahrgenommen.
Am 14. April 2025 zitierte der Außenminister der Russischen Föderation, Sergej Lawrow im Interview mit der Zeitung „Kommersant“, aus der Rede des russische Präsident Wladimir Putin vom 14. Juni 2024. Vor dem russischen Außenministerium habe Putin „klar die Grundsätze benannt, auf deren Grundlage er eine langfristige, zuverlässige und faire Einigung identifizierte, die in erster Linie die Interessen der Menschen berücksichtigt und die Menschenrechte (insbesondere die Rechte ethnischer Minderheiten) gemäß der UN-Charta vollständig gewährleistet“ (61)
„Wir haben bereits festgestellt“, so Lawrow, „dass die Trump-Regierung im Gegensatz zu den Europäern, die buchstäblich von Raserei überwältigt sind (ich spreche vor allem von den Führern Frankreichs, Großbritanniens, der baltischen Ländern und einiger anderer EU- und NATO-Länder), versucht,…. die Ursache der Situation zu verstehen, die durch die Aktionen von Washington und Brüssel entstanden ist, die das derzeitige Regime an die Macht brachten, indem sie den verfassungswidrigen Staatsstreich im Februar 2014 organisiert und bezahlt haben“ (62)
Laut Lawrow drängen „bestimmte europäische Nationen verzweifelt darauf, ihre „Koalition der Willigen“ zu schaffen, um den Krieg gegen Russland am Laufen zu halten – sogar bis hin zum Einsatz eigener Truppen in der Ukraine. Der designierte deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz bekräftigte seine Absicht, Taurus-Langstreckenraketen an die Ukraine zu liefern, und ging sogar so weit, die russische Krim-Brücke als Angriffsziel zu nennen.“ (63)
Sowohl die Israelis als auch eingefleischte Neokonservative wie Elliott Abrams und der Atlantic Council haben deutlich gemacht, dass sie glauben, die Verhandlungen sollten so schnell wie möglich scheitern, damit Militärschläge gegen den Iran beginnen können, so Lawrow dämpfende Einschätzung erfolgreicher Friedensverhandlungen. Im 20. Jahrhundert haben die USA zur Sicherung ihrer Hegemoniebestrebungen unzählige Kriege geführt, was der wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses in seinen am 15. November veröffentlichten Handreichungen offen aufzählt:
„Um regionale Hegemonie in Eurasien zu verhindern, sind anscheinend viele militärische Operationen der USA
im 1. und 2. Weltkrieg,
zahlreiche militärische Kriegseinsätze und alltägliche Operationen der USA
seit dem 2. Weltkrieg
zu einem nicht geringen Teil
zur Unterstützung dieses Ziels durchgeführt worden.“
Wenn wir heute auf dem Globus die aktuellen Kriege und Konflikte wahrnehmen, sind die Verwerfungslinien rund um den 1. Weltkrieg deutlich zu erkennen. Ein Krieg, der laut dem deutschen Philosophen Oswald Spengler bereits 1911 begonnen hat: Mit der Besetzung der marokkanischen Städte Fes und Rabat durch Frankreich, der Krieg Italiens gegen das Osmanische Reich in Tripolitanien, den britischen Aktivitäten in Ägypten und Persien, der Besetzung Koreas durch Japan; 1912 und 1913 folgten dann die beiden Balkankriege.
Auf den Gedenkfeiern zum 25. Jahrestag des Angriffs auf Restjugoslawien (Serbien/Montenegro) wurde der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Michel Chossudovski, Gegner der Militärpolitik der USA in Asien und auf dem Balkan, aus Kanada zugeschaltet:
"Die USA im 20. Jahrhundert an allen Kriegen direkt oder indirekt beteiligt, einschließlich Operation Barbarossa." (24. März 2024 in Belgrad)
Vor Chossudovsky sprach der französische Colonel Jacque Hogard. Er hatte im Kosovo die französischen Truppen geführt: „Und mir wurde klar, dass die NATO nichts anderes ist als eine Kriegsmaschinerie, ein Kriegstreiber, der nur anglo-amerikanischen Interessen dient, gegen die der europäischen Länder."
„Europa als ökonomische Kolonie, militärische Basis, Glacis im zukünftigen Atom-Kreuzzug gegen Russland zu behandeln, als ein zwar antiquarisch interessantes und bereisenswertes Stück Erde, um dessen vollständigen Ruin man sich aber den Teufel scheren wird, wenn es den Kampf um die Weltherrschaft gilt.“ (64)
Um künftig Leid und Krieg zu vermeiden, wäre der 8. Mai sehr geeignet, über die dem Ende des 19. Jahrhunderts begonnene verhängnisvolle Politik nachzudenken.
Teil 2/4: Churchills Kriegs-Plan "Unthinkable":
Am 1. Juli 1945 mit deutschen Truppen Angriff auf die Rote Armee
Teil 3/4: Erster Weltkrieg und die Folgen: Europas Verhängnis 1914 bis 2025
Teil 4/4: "Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg" (Walter Benjamin):
Voraussetzungen für einen tragfähigen Frieden
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
Anmerkungen und Quellen
Das Kriegsende 1945 sollte Anlass zum umfassenden Gedenken sein
1914 bis 2005 – Europa nach 2 Weltkriegen kurz vor der Vernichtung
Teil 2/4: Churchills Kriegs-Plan "Unthinkable":
Am 1. Juli 1945 mit deutschen Truppen Angriff auf die Rote Armee
Wolfgang Effenberger
Am 25. April 1945, 13 Tage vor dem endgültigen Ende des 2. Weltkriegs, kam es auf der zerstörten Elbbrücke in Torgau zur historischen Begegnung von russischen und amerikanischen Truppen – das Bild vom Handschlag wurde einen Tag später nachgestellt:
Quelle: Aus der Informationsschrift "Torgau für Frieden" (1)
Es war ein Symbol für das bevorstehende Kriegsende und die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und hatte auch den Verfasser des Artikels als Schüler sehr bewegt.
Wie in jedem Jahr, so erinnerten auch 2023 Bürgerinitiativen in Torgau zusammen mit Initiativen aus Mitteldeutschland am sowjetischen Denkmal in Torgau an diesen bewegenden Handschlag, 2023 unter dem Motto "Macht es nochmal!"
Wie Eugen Drewermann hatte auch Wolfgang Effenberger den zu diesem Zeitpunkt bereits vor Churchills Augen stehenden Kriegsplan zum Thema:
„Heute wird mit dem Bild das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verbunden; es vereint Erinnerung und Gedenken mit der Mahnung, den Frieden zu bewahren. Leider war die vor 78 Jahren mit dem Bild verbundene Hoffnung nur ein Trugbild. Denn während sich hier in Torgau amerikanische wie russische Soldaten an dem aufziehenden Frieden begeisterten, arbeiteten britische Generalstabsoffiziere bereits an dem von Winston Churchill in Auftrag gegebenen Kriegsplan "Operation Unthinkable", der die damalige Sowjetunion zurückwerfen und ein unabhängiges Polen wiederherstellen sollte. Angriffstermin mit über 100 Divisionen, darunter auch Wehrmachtsverbände, die man nicht in die Kriegsgefangenschaft überführt hatte, war der 1. Juli 1945: Keine 10 Wochen nach dem Handschlag. Zu diesem Angriff kam es nicht, da Stalin rechtzeitig ultimativ forderte, die neben dem britischen Hauptquartier in Flensburg-Mürwik einquartierte deutsche Nachfolgeregierung unter Dönitz zu verhaften und die deutschen Soldaten in die Gefangenschaft zu überführen. Das geschah dann auch am 23. Mai 1945. (2)
Churchills geheimer Kriegsplan "Operation Unthinkable" vom Frühjahr 1945
Churchill erteilte unter strengster Geheimhaltung (3) den Auftrag für die "Operation Unthinkable" im Mai 1945, kurz nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai (VE-Day). Der ausgearbeitete Plan wurde ihm am 22. Mai 1945 vom Chief of Staff, Lt. Gen. Sir Hastings Lionel Ismay (der spätere 1. Generalssekretär der NATO), zwei Wochen nach der deutschen Kapitulation übergeben, (4) Ziel war es, die Rote Armee aus Osteuropa, insbesondere aus Polen und Ostdeutschland, zurückzuwerfen.
Angeblich fühlte sich Churchill moralisch verpflichtet, Polen zu helfen, da es durch die Sowjets unter Kontrolle geraten war. (5) Zugleich galt es, die Ausbreitung des kommunistischen Einflusses in Europa zu stoppen. Zunächst sah die Operation einen Angriff durch britische, amerikanische und polnische Streitkräfte sowie die Wiederbewaffnung von etwa 100.000 Wehrmachtssoldaten vor, (6) die in Norddeutschland von den Briten nicht in die Gefangenschaft überführt worden waren. Der Angriff sollte am 1. Juli 1945 beginnen. (7)
Operation Unthinkable: 'Russia: Threat to Western Civilization,'" British War Cabinet, Joint Planning Staff [Draft and Final Reports:
22 May, 8 June, and 11 July 1945], Public Record Office, CAB 120/691/109040 / 004
Zusammenfassung:
We conclude that:
If we are to embark on war with Russia, we must be prepared to be committed. To a total war, which will be both lang and obstly.
31. Wir kommen zu dem Schluss:
(a) Wenn wir einen Krieg mit Russland beginnen wollen, müssen wir bereit sein, uns auf einen totalen Krieg einzulassen, der sowohl langwierig als auch hartnäckig sein wird.(8)
Die vorliegenden britischen Dokumente tragen das Datum 22. Mai 1945. Einen Tag später war der Plan weitgehend Makulatur: Auf Druck Stalins verhaftete die britische Regierung die geschäftsführende Reichsregierung unter Großadmiral Karl Dönitz, er war von Hitler testamentarisch zum Nachfolger ernannt worden, im Sonderbereich Mürwik bei Flensburg, wo auch das britische Hauptquartier residierte. Parallel dazu wurden die für den Einsatz Unthinkable vorgehaltenen deutschen Truppen in Kriegsgefangenschaft überführt. (9)Stalin drängte auf die vollständige Entmachtung aller NS-Strukturen. Die Westalliierten zögerten zunächst, da sie die Dönitz-Regierung offiziell zur Koordination der Kapitulation und Entwaffnung nutzen wollten. Die Verhaftung wurde dann medienwirksam inszeniert: (10) Britische Soldaten umstellten das Gelände der Marinesportschule Mürwik, verhafteten Dönitz, seinen Kabinettschef Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk sowie Generäle wie Alfred Jodl und Albert Speer. Die Aktion diente auch der symbolischen Zerschlagung des NS-Regimes (z. B. Entfernung von Orden und Marschallstäben). (11) Mit der bedingungslosen Kapitulation am 8./9. Mai 1945 galten alle deutschen Soldaten offiziell als Kriegsgefangene. Die Überführung in alliierte Lager erfolgte schrittweise, wobei die Briten erst nach dem 23. Mai 1945 Hunderttausende entwaffneten und internierten. (12)
Der ausgearbeitete Plan wurde am 8. Juni 1945 ergänzt. Als Termin für den Angriff auf die Sowjetunion wurde der 1. Juli 1945 zugrunde gelegt. (13) Geplant war der Einsatz von britischen und US-Truppen. Circa 47 Divisionen der Westalliierten (ungefähr 50 % der im Deutschen Reich stationierten Truppen) sollten gegen die Rote Armee im Bereich Dresden vorrücken. (14)Wegen der hohen zahlenmäßigen Überlegenheit der Roten Armee beabsichtigte man außerdem die Wiederbewaffnung von ca. 100.000 Soldaten der besiegten deutschen Wehrmacht. (15)
Der Zweite Weltkrieg war erst am 2. September 1945 nach der Kapitulation Japans beendet. Nach den beiden Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki kapitulierte Japan auf dem US-Schlachtschiff Missouri in der Bucht von Tokio. US-Präsident Harry Truman hatte bis dahin jede Konfrontation mit der Sowjetunion abgelehnt – Moskau hätte sich ja mit Tokio verbünden können, was eine globale Eskalation des Konflikts bedeutet hätte. (16)
Stalins Reaktion legt die Vermutung nahe, dass es ein Leck in der britischen Regierung gab. Die genauen Details, die Guy Burgess als Mitglied des Spionagerings "Cambridge Five"(17) an die Sowjets über Operation Unthinkable weitergab, sind historisch nicht vollständig dokumentiert. Zweifelsfrei steht aber fest, dass diese Gruppe im Zweiten Weltkrieg und bis in die frühen 1950er Jahre hinein die Sowjetunion mit wichtigen Informationen versorgten. Der als streng geheim eingestufte Plan wurde erst 1998 durch das britische Nationalarchiv in London (18) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. (19)
Die erstaunliche Aktualität von Unthinkable in Polen
Für Piotr Wloczyks Artikel über Churchills Plan "Operation UNTHINKABLE" wurde auf der Titelseite der Aprilausgabe 2024 des polnischen Magazins HISTORIA mit der Schlagzeile "Supergeheimer Angriffsplan auf die UdSSR" geworben.
"wojna swiatowa o polske" – Weltkrieg für Polen
Piotr Wloczyk, polnischer Journalist mit einem Abschluss in Amerikanistik, , begann bei Tageszeitungen („Dziennik Gazeta Prawna“, ‚Rzeczpospolita‘) und schrieb später für Wochenzeitschriften („Uważam Rze“, „Tygodnik Powszechny“) und historische Monatszeitschriften („Uważam Rze. Historia“). Er bearbeitet schwerpunktmäßig die Geschichtsthemen des 20. Jahrhunderts und hier die Zeit des Kalten Krieges. Als Autor zahlreicher Reportagen führte er mit Autoren historischer Bücher sowie vergessener Zeugen der Geschichte Interviews. Besonders hoch im Kurs scheint bei Wloczyk der Brite Jonathan Walker, Mitglied der Britischen Kommission für Militärgeschichte und Ehrenmitglied für Kriegsforschung an der Universität Birmingham. ist. Zudem war Walker mit seinen über 7 Büchern Vizepräsident der West Country Writers Association. (20)
Churchills Dritter Weltkrieg
Walker hat sich besonders verdient gemacht in der Beleuchtung der fragilen Situation am Ende des 2. Weltkrieg in Europa gemacht, als die Welt am Rand eines Dritten Weltkriegs stand. Während die sowjetischen Streitkräfte in Berlin einmarschierten, befahl Churchill den britischen Militärplanern, die streng geheime Operation „Unthinkable“ vorzubereiten – den Plan für eine alliierte Invasion der Sowjetunion am 1. Juli 1945. Walker skizziert die Beweggründe hinter Churchills Plan, die Logistik eines groß angelegten Angriffs gegen einen Feind, der Hitler besiegt hatte und geht auf die Erfolgschancen von Unthinkable ein, wobei seine Primärquellen ausschließlich anglo-amerikanisch bzw. polnisch sind. (21)So fällt eine polnische Ausgabe auf fruchtbaren Boden. Walker bietet einen faszinierenden Einblick in die Unruhen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und das Misstrauen der Alliierten gegenüber der Sowjetunion, das zum Kalten Krieg führen sollte.
Trzecia wojna. Tajny plan wyrwania polski z rak stalina
Dritter Krieg. Der geheime Plan, Polen aus Stalins Händen zu reißen
Ein Teil der polnischen Bürger hat den 8. Mai nie als Tag der Befreiung feiern können.
Mit der Feststellung, „als Westeuropa im Mai 1945 seinen Sieg über das Dritte Reich feierte, hatten die Polen wenig Grund zur Freude“ leitet Wloczyk seinen mehrseitigen Artikel ein. Zwar sei der braune deutsche Feind, der die völlige Vernichtung Polens zum Ziel hatte, besiegt worden, aber es sei lediglich eine Besatzung durch eine andere ersetzt worden.
Das hatte der britische Premier wohl genauso gesehen. So schrieb Winston Churchill am 12. Mai 1945 an den neuen US-Präsidenten Harry Truman: „Wie werden wir in diesem Jahr oder in einigen Jahren dastehen, wenn die britische und die amerikanische Armee zusammenschmelzen und die französische Armee noch nicht ausreichend ausgebildet ist, wenn wir nur eine Handvoll Divisionen haben, während die Russen vielleicht zwei- oder dreihundert Divisionen unterhalten?“(22)
Während der neue amerikanische Präsident diese Worte las, arbeiteten die britischen Planer - in einem sehr kleinen Kreis eifrig an den Einzelheiten der Operation, die ihrem Premierminister vorschwebte.
Trzecia wojna o polske - Der Dritte Polnische Krieg
Die Stabschefs wurden Ende Mai mit dem Konzept der Operation „Unthinkable“ vertraut gemacht. Die Ausarbeitung eines Plans für einen Angriff auf die Rote Armee muss laut Wloczyk etwa vier Wochen gedauert haben, daher die Vermutung, dass Churchill Ende April beschloss, ein Konzept für einen Krieg gegen die Sowjets zu erstellen. Der Krieg sollte am 1. Juli 1945 auf breiter Front die Rote Armee überraschen, wird Jonathan Walker zitiert.
Für viele seiner polnischen Landsleute schien die sowjetische Besatzung jedoch nur eine vorübergehende Situation zu sein, da ist sich Wloczyk sicher. Das Bündnis zwischen den Briten, den Amerikanern und den Sowjets musste zerbrechen, da der gemeinsame Feind - so verstanden es laut Wloczyk die Polen - besiegt worden war. Doch genau zu dem Zeitpunkt, als sich der Westen über den Fall Berlins freute und die Polen die Errichtung der kommunistischen Ordnung im Land mit großer Sorge beobachteten, führte ein Team der erfahrensten britischen Planer einen streng geheimen Auftrag von Winston Churchill aus. Der britische Premierminister wollte die Rote Armee aus Mittel- und Osteuropa vertreiben. Es ging ihm nach Wloczyk nicht nur darum, den unterdrückten Polen zu helfen. Churchill, so der polnische Journalist, wollte mit der geplanten Operation den Sowjets zeigen, dass ihr Platz weit im Osten war. An dem Krieg gegen die Sowjets würden natürlich auch die Amerikaner beteiligt sein - sie würden eine Schlüsselrolle spielen - sowie die Soldaten der polnischen Streitkräfte im Westen und Deutsche. Der Abschnitt über den Einsatz von deutschen Soldaten wurde mit „Dobry“ (gute)Wehrmacht überschrieben. Letztere wären auch hoch motiviert gewesen, an der Operation „Unthinkable“, wie sie genannt wird, teilzunehmen. Da der Überraschungsangriff aus dem Westen eine Demonstration der Stärke und Entschlossenheit des Westens sein sollte, wurde er unter höchster Geheimhaltung geplant.
Der Kreis der Eingeweihten endete mit Feldmarschall Bernard Montgomery, der vom Premierminister den Auftrag erhielt, die deutsche Beteiligung zu sichern. Stalin bekam Wind davon und wies Marschall Georgi Zukov an, die Angelegenheit zur Klärung vor dem Alliierten Kontrollrat zu bringen. Die britischen Vertreter bestritten vehement, dass es sich um einen Plan zur Auslösung eines neuen Krieges handelte, aber bei den Sowjets saß der Stachel. Laut Churchill bestand eines der Hauptziele der Operation Unthinkable darin, „Russland den Willen der Vereinigten Staaten und des Britischen Empire aufzuzwingen, faire Bedingungen für Polen zu sichern“. Aber das war nicht das einzige Ziel. - Die Zukunft Polens war eine Frage, aber es ging darum, Stalin davon zu überzeugen, dass der Westen sich nicht ausbeuten lassen würde. Die Operation Undenkbar war als Machtdemonstration gedacht.
1998 wurde zwar eine Vielzahl von Unterlagen über die Operation „Unthinkable“ veröffentlicht, aber bis heute bleiben detaillierte Karten des geplanten Angriffs auf die Sowjets geheim, wie Walker betont.
Operacja Unthinkable , Variante mit schnellem Erfolg
Die Operation Unthinkable hatte zwei Varianten: "Schneller Erfolg" und "totaler Krieg" Die britischen Generalstabsoffiziere hielten beide für gleich wahrscheinlich. Der ursprüngliche Plan sah vor, Ostdeutschland zu durchbrechen und die Rote Armee über die Verbindungslinie zwischen Danzig und Breslau zurückzudrängen. Dies mag nicht sehr ehrgeizig erscheinen, aber die Planer fürchteten die in der Tschechoslowakei stationierten sowjetischen Streitkräfte. Wenn die Offensive nach Polen vordringen würde, könne ein Schlag aus dem Süden die alliierten Streitkräfte abschneiden.
An der Ostseeküste sollte laut Jonathan Walker eine Reihe von durch die Royal Navy unterstützten Landungen stattfinden. Vor der Linie Danzig-Breslau sollte die Macht der sowjetischen Panzertruppen gebrochen werden. Die britischen Planer gingen davon aus, dass es in der Nähe von Pila zu einer großen Panzerschlacht kommen würde - viel größer als das Gefecht 1943 an der Kursker Lücke.
Dies war die erste Option - ein schneller Sieg in einer großen Schlacht. Die zweite Variante sah jedoch bereits vor, die Westalliierten in Ermangelung einer klaren Entscheidung in Westpolen viel tiefer in den Osten zu ziehen. Dies hätte de facto einen totalen Krieg mit den Sowjets bedeutet - einen Zermürbungskrieg.
Jedenfalls bleibt die Operation Unthinkable ein faszinierendes Beispiel für die geopolitischen Spannungen am Ende des Zweiten Weltkriegs und den Beginn des Kalten Krieges.
(23)
Nach Churchill gibt US-Präsident Truman Kriegspläne gegen die Sowjetunion in Auftrag
In den USA ließ US-Präsident Harry Truman nur wenige Wochen nach der Kapitulation Japans Kriegspläne gegen die Sowjetunion entwickeln, die ständig unter neuem Code-Namen weiterentwickelt wurden: »TOTALITY« 12/45 (20-30 Atombomben auf 20sowjetische Städte), »PINCHER« 06/46 (50 Atombomben auf sowjetische 20 Städte), »Broiler« 1947 (34 Atombomben auf 24 Städte, Zerstörung von 40% der sowjetischer Industriekapazität) (24), »Halfmoon 1948 (70 sowjetische Städte mit 133 Atomwaffen angreifen, von denen acht auf Moskau und sieben auf Leningrad abgeworfen werden sollten) (25), »Offtackle« 1949 (Kombinierte Atom-/Konventionalschläge mit 104 Bomben), »Dropshot« (19. Dezember 1949) (Umfassendster Plan mit 300 Atomangriffen auf 200 Ziele3 (Kernziele: 75-100 Atombomben gegen sowjetische Luftwaffenbasen, Auslöschung von 85% der industriellen Kapazität. (26) Begleitende Landoffensive mit 6 Mio. Soldaten ab 1957)
Schon 1947 war Libyen für diese Angriffe auf die Sowjetunion zum US-Flugzeugträger ausgebaut worden.
Bis 1946 entwickelten sich konfliktreiche Spannungen zwischen den von den Alliierten und den von der Sowjetunion besetzten Gebieten Europas. Im Zentrum die Julianische Mark (ein Gebiet Südosteuropas, das im Kalten Krieg zwischen Kroatien, Slowenien und Italien aufgeteilt war). Am 30. August 1946 kam es zu informellen Gesprächen zwischen den britischen und den amerikanischen Generalstabschefs über die Entwicklung des Konflikts in einen Krieg. Es wurde die beste Strategie für die Führung eines europäischen Krieges sowie die Frage der Beibehaltung eines Brückenkopfes auf dem Kontinent diskutiert. (27) Dwight D. Eisenhower bevorzugte wegen ihrer Nähe zum Vereinigten Königreich einen Rückzug in die Niederlande und nicht nach Italien.
Diese Fehlentscheidungen Eisenhowers im und nach dem 2. Weltkrieg wurden dann im Zuge des am 24. März 1999 von USA und NATO begonnen völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen Restjugoslawien (Serbien und Montenegro) bereinigt.
Bis 1949 hatten die USA Griechenland, Italien, Island, Irland, die Philippinen und die Schweiz in die Liste der Verbündeten aufgenommen, gleichzeitig wurde jedoch die Annahme fallen gelassen, dass arabische Länder auf der Seite der Alliierten stehen würden, da sich die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten infolge des Palästina-Israelischen Krieges von 1948 und der Gründung des Staates Israel verschlechtert hatten. (28)
Die hochbrisante Konferenz von Bratislava Ende April 2000
Ende April 2000 war in der slowakischen Hauptstadt Bratislava eine hochbrisante politische Konferenz vom US-Außenministerium und dem American Enterprise Institute (außenpolitisches Institut der republikanischen Partei) zu den Schwerpunktthemen Balkan und NATO- Ostexpansion einberufen worden. In dem handverlesenen Personenkreis befand sich auch der damalige Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der KSZE/OSZE, Willy Wimmer. In aller Offenheit sprachen die Konferenzteilnehmer über ihre Pläne für die Neuordnung Europas Klartext, was den Bundestagsabgeordneten Wimmer empörte und ihn veranlasste, unverzüglich Bundeskanzler Gerhard Schröder über die 11 wichtigsten Punkte dieser Konferenz zu informieren. In seinem vom 2.März 2000 datierten Brief an den Bundeskanzler – abgedruckt in "Wiederkehr der Hasardeure" Seiten 547/48 – wies der Abgeordnete Wimmer auf die politische Brisanz der Konferenz in Bratislava hin, auch weil sie „sehr hochrangig besetzt“ gewesen sei, „was sich schon aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der Region“ ergeben hätte.
Als erstes verlangte der Veranstalter (US-Außenministerium und American Enterprise Institute), dass „im Kreise der Alliierten eine möglichst baldige völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Staates Kosovo vorzunehmen sei“. Damit war die Schlußakte von Helsinki über "Europäische Sicherheit und Zusammenarbeit" (OSZE) für die Vereinigten Staaten nicht einmal mehr das Papier wert ist, auf dem sie geschrieben stand. Die besondere zivilisatorische Errungenschaft dieser Schlußakte von Helsinki war die Verpflichtung aller Unterzeichnerstaaten, daß in Zukunft Staatsgrenzen in Europa nie wieder mit Gewalt verändert werden dürften. (29)
Die europäischen Verbündeten hätten beim Krieg gegen Jugoslawien deshalb mitgemacht, so der Veranstalter, „um de facto das Dilemma überwinden zu können, das sich aus dem im April 1999 verabschiedeten 'Neuen Strategischen Konzept' der Allianz und der Neigung der Europäer zu einem vorherigen Mandat der UN oder OSZE ergeben habe.“ (30)
Dieses »Neue Strategische Konzept« der NATO wurde mitten im Bombenkrieg gegen Jugoslawien am 28. April 1999 auf dem NATO-Gipfeltreffen in feierlicher Sitzung zum 50. Jahrestag der Gründung der NATO von den Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder unterzeichnet. Für diesen Krieg gegen Jugoslawien hatten die USA zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte keine UN-Resolution. Das so ausgehebelte Völkerrecht und die UN-Charta wurden flugs durch neues US-Recht ersetzt: Die "regelbasierte internationale Ordnung", in der sich die USA die Kriege selbst mandatieren. Das ist so seit 1999 der Fall.
Auf diesem Boden des neuen Völkerrechts »verteidigen« nun die NATO-Staaten außer den
territorialen Grenzen der Mitgliedsstaaten unscharf definierte Sicherheitsinteressen aller Art, die allerdings auch explizit »den Zugang zu Rohstoffen« umfassen. Nachzulesen im Artikel 24 des »Neuen Strategischen Konzepts«. Der neue Interessenraum liegt nun auch weit außerhalb des traditionellen Zuständigkeitsbereichs der NATO – im euro-atlantischen Raum, der sich vom Kaspischen Meer über den Persischen Golf sowie über Nordafrika und den Atlantik erstreckt.
Mit seiner Unterschrift vom 28. April 1999 unter das »Neue Strategische Konzept« hat Bundeskanzler Schröder nichts anderes getan, als den alten imperialistischen Raubkrieg auch in Deutschland wieder gesellschaftsfähig zu machen. (31)
Unter Punkt 7 hat Willy Wimmer einen Punkt aufgeführt, über dessen Inhalt rst einmal nachgedacht werden muss:
“Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO- Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.“
Willy Wimmer hatte in der Konferenz darauf hingewiesen, dass die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen jede internationale Regel und vor allem einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts verstoßen habe. Diese Feststellung stieß in der Konferenz nicht auf Widerspruch. Sie blieb aber - Ausdruck des zunehmenden Rechtsnihilismus der Supermacht in den internationalen Beziehungen - ohne eine US-Reaktion des Bedauerns oder andere Folgen.
Zum Abschluß seines Briefs an Kanzler Schröder nahm Willy Wimmer eine Bewertung der auf der Konferenz in Bratislava gemachten Aussagen vor und schreibt: „Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewußt und gewollt die als Ergebnis von zwei Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der 2.Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.“ (32)
Richard von Weizsäcker hat in seiner vielzitierten Rede vom 8. Mai 1985 diesen Tag der Befreiung zugleich auch als Tag der Erinnerung sehen wollen. Dazu gehört auch die Einbettung in die geschichtlichen Abläufe, frei von jeglicher Ideologie, nur vom Willen getragen, derartige Entwicklungen zu verkennen und zu verstehen, um dann Entscheidungen im Sinne der Menschen und des Rechts zu treffen.
Teil 3: Erster Weltkrieg und die Folgen: Europas Verhängnis 1914 bis 2025
Teil 4: "Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg" (Walter Benjamin):
Voraussetzungen für einen tragfähigen Frieden
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
„Schwarzbuch EU & NATO“ (2020)
sowie
"Die unterschätzte Macht" (2022)
Anmerkungen und Quellen
1)http://www.tofff.de/info.html; http://www.tofff.de/toff-video.mp4
2)Antony Beevor: Der Zweite Weltkrieg. 1. Auflage. München 2014, S. 866 f.
3)https://greydynamics.com/operation-unthinkable/
4)Antony Beevor: Der Zweite Weltkrieg. 1. Auflage. München 2014, S. 866 f.
https://www.historyhit.com/operation-unthinkable-churchills-postwar-contingency-plan/
5)https://thehistorypress.co.uk/article/operation-unthinkable-churchills-plans-to-invade-the-soviet-union/
6)Ebda., http://american_almanac.tripod.com/church.htm
7)https://thehistorypress.co.uk/article/operation-unthinkable-churchills-plans-to-invade-the-soviet-union/
8)https://web.archive.org/web/20101116152301/http://www.history.neu.edu/PRO2/
9)https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/plus208149751/Flensburg-1945-Nirgendwo-gab-es-mehr-NS-Kriegsverbrecher.html
10)https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/kriegsende/Flensburger-NS-Regierung-macht-nach-Kapitulation-einfach-weiter,kriegsende682.html
11)https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blickpunkt/beitrag/mai-1945-als-die-marinesportschule-zum-regierungssitz-wurde/
12)https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/kriegsende/Kriegsende-in-Flensburg-Letzter-Akt-der-Reichregierung-Doenitz,kriegsende352.html
14)David Reynolds: From World War to Cold War: Churchill, Roosevelt, and the International History of the 1940s. Oxford University Press, Oxford 2006, S. 250.
15)Churchill’s Plans For WWIII. Executive Intelligence Review, Oktober 1998.
16)https://www.welt.de/geschichte/article244456818/Operation-Unthinkable-Churchills-Idee-eines-Krieges-gegen-Stalin-1945.html
17)Die Cambridge Five waren ein Spionagering des NKWD und später des KGB innerhalb des britischen Inlandsgeheimdienst MI5 und teilweise auch in der CIA. Kim Philby, Donald Maclean, Guy Burgess, Anthony Blunt und John Cairncross gelten als die erfolgreichsten Agenten in westlichen Nachrichtendiensten
18)Als Churchill den „russischen Bären“ angreifen lassen wollte in Die Welt vom 24. März 2023, abgerufen am 25. Februar 2024
19)Vgl. Bob Fenton: The secret strategy to launch attack on Red Army. In: Daily Telegraph, Issue 1124, 1. Oktober 1998 (https://web.archive.org/web/20081220145730/http:/www.telegraph.co.uk:80/htmlContent.jhtml?html=/archive/1998/10/01/nwar101.html).
20)Zu seinen Büchern gehören „The Blue Beast – Power & Passion in the Great War“, „Poland Alone“, „Aden Insurgency“, „The Blood Tub“, „War letters to a Wife“ (Hrsg.) und „Churchill's Third World War“, „D-Day, Arnhem & The Rhine – A Glider Pilot's Story“, eine Neuerscheinung über die Heldentaten von Robert Ashby und seinen tapferen Kameraden im Zweiten Weltkrieg. Er hat außerdem an vier weiteren Büchern zur Militärgeschichte mitgewirkt.
21)Polish Underground Museum Study Trust, Sikorski-Instituts, National Archives und Imperial War Museum
22)Zitiert wie Piotr Wloczyk: "wojna swiatowa o polske", Aprilausgabe 2024 des polnischen Magazins HISTORIA mit der Schlagzeile "Supergeheimer Angriffsplan auf die UdSSR"
23)https://www.nationalarchives.gov.uk/education/resources/cold-war-on-file/operation-unthinkable/
24)Schnabel, James F. (1996). The Joint Chiefs of Staff and National Policy 1945–1947 (PDF). History of the Joint Chiefs of Staff. Vol. I. Washington, D.C.: Office of Joint History Office of the Chairman of the Joint Chiefs of Staff. OCLC 227843704S. 71-72
25)Condit, Kenneth W. (1996). The Joint Chiefs of Staff and National Policy, Volume II: 1947–1949 (PDF). History of the Joint Chiefs of Staff. Washington, D.C.: Office of Joint History Office of the Chairman of the Joint Chiefs of Staff. OCLC 4651413, 156-159
26)Bernd Greiner, Kurt Steinhaus: Auf dem Weg zum 3. Weltkrieg? Amerikanische Kriegspläne gegen die UdSSR. Köln 1981, S. 43 f.
27)https://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Unthinkable#cite_note-OpRep-35-17
28)Curatola, John M. (2016). Bigger Bombs for a Brighter Tomorrow: The Strategic Air Command and American War Plans at the Dawn of the Atomic Age, 1945–1950. Jefferson, North Carolina: McFarland. ISBN 978-0-7864-9419-4. OCLC 927620067, 11-112
29)http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO-Krieg/wimmer-rupp.html
30)Ebda.
31)Ebda.
32)Ebda.
Das Kriegsende 1945 sollte Anlass zum umfassenden Gedenken sein
1914 bis 2025 – Europa nach zwei Weltkriegen kurz vor der Vernichtung
Teil 3: Erster Weltkrieg und die Folgen: Europas Verhängnis 1914 bis 2025
Wolfgang Effenberger
Visionen im Herbst 1887
Das deutsche Kaiserreich unter Wilhelm I. befand sich 16 Jahre nach der Gründung in Versailles in der Übergangsphase vom Agrar- zum Industriestaat, als am 15. Dezember 1887 Friedrich Engels seine Kriegsvisionen zu Papier brachte:
„Und endlich ist kein andrer Krieg für Preußen-Deutschland mehr möglich, als ein Weltkrieg, und zwar ein Weltkrieg von einer bisher nie geahnten Ausdehnung und Heftigkeit. Acht bis zehn Millionen Soldaten werden sich untereinander abwürgen und dabei ganz Europa so kahlfressen, wie noch nie ein Heuschreckenschwarm. Die Verwüstungen des Dreißigjährigen Kriegs zusammengedrängt in drei bis vier Jahre und über den ganzen Kontinent verbreitet; Hungersnot, Seuchen, allgemeine, durch akute Not hervorgerufene Verwilderung der Heere wie der Volksmassen; rettungslose Verwirrung unsres künstlichen Getriebs in Handel, Industrie und Kredit, endend im allgemeinen Bankerott; Zusammenbruch der alten Staaten und ihrer traditionellen Staatsweisheit, derart, daß die Kronen zu Dutzenden über das Straßenpflaster rollen und niemand sich findet, der sie aufhebt.“ (1) Hier sollte sich Engels fundamental irren: Die Kronen sind auf den Köpfen der Dirigenten multinationaler Konzerne gelandet. Gleich nach der Revolution wurden sie zunächst von jemanden aus der Gosse aufgehoben, wie Winston Churchill im Mai 1945 an das britische Außenministerium schrieb: „Der 2. Weltkrieg wäre nie ausgebrochen, wenn wir nicht unter dem Druck der Amerikaner und neumodischer Gedankengänge die Habsburger aus Österreich-Ungarn und die Hohenzollern aus Deutschland vertrieben hätten. Indem wir in diesen Ländern ein Vakuum schufen, gaben wir dem Ungeheuer Hitler die Möglichkeit, aus der Tiefe der Gosse zum leeren Thron zu kriechen. (2)
Am 29. Mai 1914 informierte Präsidentenberater Colonel House aus Berlin Woodrow Wilson: „... das wird eines Tages noch zu einer Katastrophe kommen... da gibt es zuviel Hass, zu viele Eifersüchteleien. Sobald England einverstanden ist, werden Frankreich und Russland Deutschland und Österreich in die Zange nehmen.“ (3)
Acht Wochen später nannte der Erzbischof von New York, Kardinal John Murphy Farley, auf dem Eucharistischen Weltkongress in Lourdes, nur wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Kriegsziele der City of London und der Wall Street:
„Der Krieg, der in Vorbereitung ist, wird ein Kampf zwischen dem internationalen Kapital und den regierenden Dynastien sein. Das Kapital wünscht niemanden über sich zu haben, kennt keinen Gott oder Herrn und möchte alle Staaten als großes Bankgeschäft regieren lassen. Ihr Gewinn soll zur alleinigen Richtschnur der Regierenden werden … Business… einzig und allein.“ (4)
Am 30. Juli 1914 warnte der Sozialist Jean Jaurès:
„Hier in Frankreich arbeiten wir mit allen Gewaltmitteln für einen Krieg, der ausgefochten werden muß, um ekelhafte Begierden zu befriedigen, und weil die Pariser und Londoner Börsen in Petersburg spekuliert haben … Es liegt an der Macht der französischen Regierung, Rußland am Kriege zu hindern, aber man sucht den Krieg, den man schon lange schürt. (5)
Engels konnte zwar nicht vorhersehen, wer als Sieger aus dem Kampf hervorgehen würde, aber das Ergebnis stand für ihn fest:
„Die allgemeine Erschöpfung und die Herstellung der Bedingungen des schließlichen Siegs ... der Arbeiterklasse... Der Krieg mag uns vielleicht momentan in den Hintergrund drängen, mag uns manche schon eroberte Position entreißen. Aber wenn Sie die Mächte entfesselt haben, die Sie dann nicht wieder werden bändigen können, so mag es gehn wie es will: am Schluß der Tragödie sind Sie ruiniert und ist der Sieg des Proletariats entweder schon errungen oder doch unvermeidlich.“ (6)
Ähnlich wie Engels sah H.G. Wells den Ausgang des Kriegs. Er schrieb am 5. August 1914 in der New York Times: „Das zerbrochene Deutschland wird revolutionär sein.“ (7)
War Engels` Analyse eines kommenden Weltkriegs „ein Meisterstück wissenschaftlicher Prognose“, wie es Prof. Dr. Erich Buchholz sieht, (8) oder hatte der in England lebende und bestens vernetzte erfolgreiche Unternehmer und kommunistische Revolutionär Engels im Herbst 1887 von den politischen Aktivitäten des Kronprinzen Edward und dessen exklusivem privaten Umfeld erfahren? Kronprinz Edward, der spätere britische König Edward VII, hatte über den katholischen 15. Herzog von Norfolk Verbindung zum Heiligen Stuhl aufnehmen lassen, um Papst Leo XIII. für die Vision seines neuen Kurses zu gewinnen. War unter Queen Victoria Frankreich der jahrhundertelange Erbfeind Englands und Deutschland mit Österreich-Ungarn befreundete Nationen gewesen, sollte nun ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden.
Die neue Bündnispolitik und der Heilige Stuhl
1888 wurde der russische Diplomat Alexander P. Iswolski Gesandter am Heiligen Stuhl, was zur Annäherung Russlands an Frankreich führte. 1892 schlossen beide ein Bündnis, das 1904 durch die Entente Cordiale mit Großbritannien ergänzt und 1907 durch die Triple Entente gefestigt wurde.
Papst Leo XIII. und sein Kardinalstaatssekretär Rampolla trugen entscheidend dazu bei, das Bündnis zwischen dem orthodoxen Zarenreich und der laizistischen Französischen Republik gegen das katholische Österreich und gegen Deutschland zustande zu bringen. Französische Katholiken sollten sich der Dritten Republik fügen, polnische Katholiken im russischen Einflussbereich sich dem Zaren unterstellen. (9)
Deutschland war inzwischen zum Industriestaat mit hoher Bevölkerungszunahme geworden (ca. 65 % zwischen 1871 und 1914), stand aber isoliert da.
Von einem der bedeutendsten und einflussreichsten Chirurgen des 20. Jahrhunderts, Ernst Ferdinand Sauerbruch, ist in seinen Erinnerungen eine dramatische Aussage überliefert. Im Frühjahr 1911 wurde Sauerbruch in seiner Züricher Klinik von seinem deutschen Kollegen, dem Lungenfacharzt Doktor Karl Turban nach Davos zu einem Schwerkranken gerufen. Der Patient sei eine hochgestellte Persönlichkeit.
Das Krankheitsbild erforderte eine sofortige Operation, was den Kranken verunsicherte und ihn reichlich verdüsterte, so Sauerbruch: „Wie viele Kranke seiner Kategorie hatte er Furcht, zu sterben. Als ich ihm lächelnd widersprach und ihm zusicherte, daß er am Leben bleiben würde, verdüsterte er sich noch mehr und sagte dann folgenden Satz:
'Sie tragen eine große Verantwortung! Ich muß am Leben bleiben! Denn ich habe eine gewaltige Aufgabe zu erfüllen!' Ich schwieg. Selbstverständliche Diskretion verbot die Frage nach der Art dieser Aufgabe. Man hatte mir gesagt, daß der Mann inkognito zu bleiben wünsche. Indes sprach er schon weiter, wandte mir sein Gesicht voll zu und sagte den furchtbaren Satz:„Es ist meine Aufgabe, Deutschland zu vernichten!" (10)
Sauberbruch fand heraus, wer den furchterregenden Satz gesprochen hatte:
Es war S. D. Sasonow, der russische Minister für Auswärtige Angelegenheiten. (11)
Der damalige Kriegsminister Wladimir Alexandrowitsch Suchomlinow (1848-1926). schreibt über den Nachfolger Iswolkis im Außenamt, Sergei Dmitrijewitsch Sasonow: „... in der von ihm eingenommenen Position als Außenminister war er vor allem den nahen Beziehungen und der Einstimmigkeit in der östlichen Politik mit Iswolski und Grossfürst Nikolai Nikolajewitsch verpflichtet.“. (12) Der Großfürst figurierte für viele als eine Art legendärer Kämpfer des heiligen Rußland gegen die "deutsche Clique" und die Korruption bei Hofe. (13)
Anlässlich einer Stiftungsprofessur referierte am 19. Juni 2018 der deutsche fernsehbekannte Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Politische Theorie und Ideengeschichte, Herfried Münkler, zum Thema "Kriege: Theorie und Gewalt". Münkler hob hervor, dass Deutschland vor 1914 nicht systematisch auf den 1. Weltkrieg hingearbeitet habe:
„Im Übrigen: Unter uns: Der Umstand, dass die Deutschen nicht 1912, 1913, Anfang 1914 in großem Stil Salpeter [damals wesentliche Voraussetzung zur Herstellung von Sprengstoffen, W.E.] gehortet haben, spricht gegen die These von Fritz Fischer [inzwischen widerlegter Apologet der deutschen Kriegsschuld im Ersten Weltkrieg, W.E.] der zu dem Ergebnis gekommen war, das Reich habe systematisch auf diesen Krieg hingearbeitet. Wenn man das getan hätte, hätte man sozusagen dieses strategische Nadelöhr [fehlender Sprengstoff, W.E.] in jedem Fall geschlossen gehabt und das lässt sich natürlich auch politisch nicht antizipieren, dass man da im Stall seiner Wissenschaftler einen hat, der dann gewissermaßen substitutive Mittel erfindet.“(14) Den Chemikern Fritz Haber und Carl Bosch war es zu Kriegsbeginn gelungen, Sprengstoff sozusagen aus der Luft herzustellen. Weiter verweist Münkler auf den Umstand, „dass der Reichstag in den Monaten vor Kriegsbeginn die Forderung des Militärs, den Munitionsvorrat zu ergänzen, nicht nachgekommen. So kam es, dass Teile der Angriffsverbände vor Lüttich ohne Munition waren“. (15)
Friedrich Nietzsche bereits hatte im ausgehenden 19. Jahrhundert das Ende der kleinen Politik und den Beginn des Kampfes um die Erdherrschaft – „den Zwang zur großen Politik“ –
prophezeit. (16) Wie hat Nietzsche diese Entwicklung – Stichwort Halford Mackinder – vorhersehen können?
Die Bedeutung der Mackinderschen Thesen (1904)
Der britische Geograph Sir Halford Mackinder formulierte am 25. Januar 1904 vor der Royal Geographical Society seine berühmte Herzland-Theorie:
„Wer über Osteuropa herrscht, gebietet über das Herzland; wer über das Herzland herrscht, gebietet über die Weltinsel; wer über die Weltinsel herrscht, gebietet über die Welt.“ (17)
Mackinder erklärte die eurasische Landmasse mit ihrem materiellen Reichtum zum Herzland (pivot area) und damit zum potentiellen Macht- und Gravitationszentrum der Erde. Seine Thesen basieren auf der imperialen Expansion Großbritanniens, den sozialdarwinistischen Ideen von Spencer (wonach Staaten wie Organismen um Lebensraum konkurrieren) und der
Überzeugung, dass Isolationismus unmöglich ist und strategische Gebiete erobert werden müssen. (18) Für Mackinder ist die Kontrolle über Eurasien der Schlüssel zur globalen Macht: Die Rivalität zwischen Landmächten und Seemächten bestimmt die Weltgeschichte (heute USA/UK vs Russland/China).
Großmächte versuchen, strategische Räume zu kontrollieren, um ihre Macht zu sichern.
Diese Thesen erklären nicht nur die Ursachen der Weltkriege, sondern auch die Dynamik des Kalten Krieges und die heutigen geopolitischen Spannungen, etwa im Ukraine-Konflikt oder im Wettbewerb um Zentralasien und den Indopazifik.
Mackinder sah das Ende des "kolumbianischen Zeitalters" gekommen und warnte, dass eine Allianz zwischen Deutschland und Russland das Herzland dominieren und damit die globale Machtbalance zugunsten einer Landmacht verschieben könnte – eine Bedrohung für die britische Seemacht. (19)
Die geopolitische Umsetzung von Mackinders Theorie:
Die Bündnisse und Kriege des 20. Und 21, Jahrhunderts spiegeln den Kampf um die Kontrolle Eurasiens wider, alles beeinflusst durch die großen geopolitischen Vorgaben im Sinne Halford Mackinders, über Eurasien die Weltmacht zu sichern.
Der Erste Weltkrieg (1914–1918) war ein Konflikt zwischen Landmächten (Deutschland, Österreich-Ungarn, Russland) und Seemächten (Großbritannien, Frankreich).
Der Zweite Weltkrieg (1939–1945) setzte diesen Kampf fort, mit den USA als neuer Seemacht.
Die Nachkriegsordnung, der Kalte Krieg (1947–1991) und die Wolfowitz-Doktrin (1992) sind geprägt vom Ringen um Einfluss in Eurasien zwischen USA/NATO und Sowjetunion bzw, Russland.
Mackinders Warnung vor der Landmacht bleibt aktuell: Russland spielt weiterhin eine zentrale Rolle in Eurasien, China steigt zur Großmacht auf, und USA/NATO versuchen, Einflusszonen in Eurasien zu kontrollieren – etwa im Ukraine-Konflikt oder in Zentralasien.
Der Zwang zur großen Politik
Am 4. August 1914 um 23:30 wurde dem deutschen Botschafter in London die britische Kriegserklärung übergeben. Bereits in den frühen Morgenstunden des 5. August, also nur wenige Stunden nach der britischen Kriegserklärung an Deutschland, hob die britische Navy vor Emden das deutsch-amerikanische Atlantikkabel und schnitt ein längeres Stück heraus. Wenige Stunden später erschien auf der Seite der britischen Zeitung "The Daily News and Leader" eine ganzseitige Anzeige einer "Neutrality League", das Announcement No.2:
„Engländer, tu Deine Pflicht. Und halte Dein Land aus einem bösen, dummen Krieg heraus. Kleine mächtige Cliquen versuchen, Dich zu überrumpeln. [...] Wenn wir uns auf die Seite Russlands und Frankreichs stellen würden, wäre das Kräfteverhältnis so gestört, wie es noch nie zuvor war. Es würde das militärische russische Reich von 160 Millionen zur dominierenden Macht Europas machen.“ (20)
H.G. Wells schrieb am selben Tag in der New York Times:
„Nie war ein Krieg so gerecht, wie der Krieg jetzt gegen Deutschland. [...] Das zerschlagene Deutschland wird revolutionär sein. Jetzt ist das Schwert für den Frieden gezogen.“ (21)
Im April 1917 war dann der Kriegseintritt der USA notwendig geworden, da das Bankhaus J. P. Morgan und die Rüstungskonzerne sich soweit engagiert hatten, daß ein Sieg der Mittelmächte ihren finanziellen Ruin bedeutet hätte. (22)
Wenige Tage vor der Kriegserklärung der USA an Deutschland, am 2. April 1917, beteuerte US-Präsident Woodrow Wilson vor dem Kongress:
„Wir haben keinen Streit mit dem deutschen Volke. Wir haben gegen dieses nur ein Gefühl der Sympathie und der Freundschaft. Seine Regierung hat nicht auf sein Betreiben gehandelt, als sie in den Krieg eintrat. Es war ein Krieg, der beschlossen wurde, so wie in alten unglücklichen Zeiten Kriege hervorgerufen und geführt wurden im Interesse von Dynastien [vor allem der Hohenzollern und der Habsburger, W.E.] oder von kleinen Gruppen Ehrgeiziger.“ (23)
Da hatte Professor Wilson direkt ins Schwarze getroffen. Nun bestand diese kleine Gruppe ehrgeiziger Unternehmer aus dem Umfeld der angelsächsischen Finanzaristokratie. Deren imperiale Angriffs-Kriege haben zwischen 1898 und 1914 geopolitische Weichen gestellt: Da ist zunächst der US-amerikanische Angriffskrieg gegen die damalige Großmacht Spanien (die vor Manila ankernde spanische Flotte wurde 1898 ohne Vorwarnung versenkt). Dann der zweimalige Angriff Großbritanniens auf Großbritannien die Burenrepubliken aus geopolitischen Gründen (hier wegen der Beherrschung der Nord-Süd-Transitlinien und die Ausbeutung der Gold- und Diamantenvorkommen).
Im Zeitraum zwischen 1870 und 1914 führten die damaligen Großmächte zahlreiche imperiale (koloniale oder expansionistische) Kriege und militärische Interventionen. Hier ein Überblick:
USA
Spanisch-Amerikanischer Krieg (1898):
Eroberung von Kuba, Puerto Rico, Guam und den Philippinen von Spanien.
Philippinisch-Amerikanischer Krieg (1899–1902),
samt Niederwerfung der Unabhängigkeitsbewegung
Verschiedene Interventionen in Lateinamerika und der Karibik
(z.B. Panama 1903, Dominikanische Republik, Nicaragua, Haiti). (24)
Großbritannien
Zulukrieg (1879): Eroberung des Zulu-Königreichs in Südafrika.
Erster Burenkrieg (1880–1881) und Zweiter Burenkrieg (1899–1902):
Mahdi-Aufstand/Sudan (1881–1899):
Rückeroberung des Sudan (Schlacht von Omdurman 1898).
Dritte Anglo-Birmanische Krieg (1885): Annexion von Burma.
Anglo-Ägyptischer Krieg (1882): Besetzung Ägyptens.
Verschiedene Kolonialkriege in Afrika, Asien und Ozeanien (z.B. in Nigeria, Kenia, Somaliland, Afghanistan). (25)
Frankreich
Frankreich erklärte 1870 Preußen den Krieg
Kolonialkriege in Indochina (ab 1880er) Vietnam, Laos und Kambodscha
Eroberung von Tunesien (1881) und Madagaskar (1895).
Kriege in Westafrika (z.B. gegen das Wassoulou-Reich, 1882–1898).
Marokko-Kriege (1907–1912): Errichtung des französischen Protektorats in Marokko.
Algerien: Fortsetzung der Kolonialkriege und Aufstandsbekämpfung.
Russland
Russisch-Türkischer Krieg (1877–1878):
Expansion auf dem Balkan, Unterstützung slawischer Völker, (26)
Expansion in Zentralasien: Eroberung von Gebieten in Turkestan, Buchara, Chiwa, Taschkent, Samarkand (bis 1895).
Russisch-Japanischer Krieg (1904–1905): Kampf um Einfluss in der Mandschurei und Korea.
Beteiligung an diversen Balkankonflikten und Einflussnahme auf dem Balkan. (27)
Deutschland
Der von Frankreich aufgezwungene Deutsch-Französische Krieg (1870/71) führte zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs,
Niederschlagung der Herero- und Nama-Aufstände (Deutsch-Südwestafrika/Namibia, 1904–1908)
Boxeraufstand (China, 1900): Teilnahme an der internationalen Intervention mit GB, USA etc
In den Balkankriegen 1912 und 1913 versuchten Deutschland und Österreich-Ungarn zu schlichten.
Deutschland und Österreich-Ungarn sind in diesem Zeitraum die Länder, die keine imperialen Kriege angezettelt haben.
Auch ein Blick in die Rüstungsbudgets spricht Bände: (28)
Nur zwei Jahre später, 1919, war Wilsons Gefühl der Sympathie und der Freundschaft für das deutsche Volk ins Gegenteil verkehrt. Er vertrat nun die Ansicht, ein Volk sei „verantwortlich für die Handlungen seiner Regierung“. (29) Eine Haltung, mit der man die Bevölkerung zynisch als Geisel nehmen kann. So werden die Kriege des Westens – von Vietnam über den Balkan, von Nordafrika bis in den Mittleren Osten – heute vor allem gegen die Zivilbevölkerung geführt: Zerstörung, Chaos und Entvölkerung. Vor diesem Hintergrund wirken Wilsons Worte, ein Volk sei „verantwortlich für die Handlungen seiner Regierung“, mehr als sarkastisch.
Seit dem Ende der Kabinettskriege wird die Bevölkerung demokratisch regierter Länder durch massive Propaganda zum Krieg aufgehetzt und der Feind und vor allem dessen Staatsoberhaupt dämonisiert. Die Bevölkerung wird ständig mit weitgehend erfundenen Kriegsgräueln emotionalisiert und in Kriegsbereitschaft gehalten – wer mag sich noch an die beschämende Kriegsrethorik des amtierenden deutschen Verteidigungsministers Rudolph Scharping während des Jugoslawienkrieges 1999 erinnern? Diese Lügen bleiben und werden zum schleichenden Gift, wodurch ein gerechter Friedensschluss wesentlich erschwert wird. Die Rachedynamik greift besonders in Demokratien, denn da sind die politischen Repräsentanten von der Zustimmung der Bürger abhängig. Im Ersten Weltkrieg machte die Propaganda in Frankreich, Großbritannien und den USA einen ausgleichenden Friedensschluss mit den Mittelmächten unmöglich. Die Bedingungen waren von reinem Hass diktiert. Das war beim Westfälischen Frieden 1648 noch anders gewesen. Churchill hat diese Entwicklung schon 1901 vor dem Parlament skizziert: „Die Demokratie ist rachsüchtiger als die Kabinettspolitik, die Kriege der Nationen sind schrecklicher als die der Könige.“ (30) „Wo war denn im Versailler Vertrag Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu finden?“, fragt der deutsche Sozialphilosoph Günter Rohrmoser. „Was hat der Westen hier im Namen der Zivilisation getan? Er hat einen ›Friedensvertrag‹ geschlossen, der den Keim für Hitler in sich getragen hat. Das war damals die große ›Leistung‹ der westlichen Zivilisation gegen die Barbaren.“ (31)
Die Folgen des Ersten Weltkriegs
Mit dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 akzeptierte Deutschland in der Hoffnung auf einen Frieden gemäß Wilsons 14-Punkte-Plan die umfangreiche Demilitarisierung und wurde damit wehrlos. Doch die Alliierten nutzten die Gelegenheit, um Deutschland und Österreich-Ungarn zu zerschlagen, Russland zu schwächen und ein neues Mächtegleichgewicht zu schaffen.
Otto von Bismarck hatte schon am 7. April 1888 geschrieben:
„Menschlichkeit, Friede und Freiheit ist immer ihr Vorwand... In Wahrheit aber schrieben die Times und die Königin im Interesse von England, das mit dem unsern nichts gemein hat. Das Interesse Englands ist, daß das Deutsche Reich mit Russland schlecht steht, unser Interesse, daß wir mit ihm so gut stehen, als es der Sachlage nach möglich ist.“ (32)
Den Geächteten – Deutschland wegen der Kriegsschuld und Russland wegen der Bolschewisierung – wurde auf der Konferenz von Genua (10. April bis 19. Mai 1922) ein Quartier im Vorort Rapallo zugewiesen. Mit Ausnahme der USA hatten sich 34 Weltkriegsstaaten eingefunden, um die durch den Krieg zerrütteten internationalen Finanz- und Wirtschaftssysteme zu sanieren. Im Gegensatz den 34 kriegsteilnehmenden Staaten waren die USA nicht von den verheerenden Auswirkungen des Weltkriegs betroffen. Im Gegenteil! Wirtschaft und Finanzindustrie hatte unvorstellbare Gewinne gemacht. Daher konnte die Wall Street den Entente-Ländern elf Milliarden Dollar zur Verfügung stellen. Nun wollten die Kreditgeber auch eine beherrschende Rolle in der Welt spielen.
In dem idyllischen Vorort kamen sich der deutsche Außenminister Walther Rathenau und sein Amtskollege von der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (späteres Gründungsmitglied der Sowjetunion) Georgi Tschitscherin näher. Die deutsch-russischen Beziehungen hatten während des Krieges gelitten und der harte Frieden von Brest-Litowsk hatte den Graben noch vertieft. Brest-Litowsk war ebenso wie Versailles ein Diktatfrieden. Nur mit einem Unterschied. Den Siegern von 1918 stand ein wehrloses, hungerndes Deutschland gegenüber, während Deutschland 1917 unter Aufbietung aller Kräfte eine Niederlage und die Aufnahme von Kriegshandlungen an der Ostfront verhindern wollte.
Aber das Gros der russischen Bevölkerung und deren Vertreter waren nicht nachtragend. So nahm Lenin am 15. Oktober 1920 als Vorsitzender des Exekutivkomitees zum Versailler Vertrag Stellung: „Als Deutschland besiegt war, da schrie der Völkerbund, der Bund der Nationen, die gegen Deutschland gekämpft hatten, das sei ein Befreiungskrieg, ein demokratischer Krieg gewesen. Deutschland wurde ein Frieden aufgezwungen, aber das war ein Frieden von Wucherern und Würgern, ein Frieden von Schlächtern, denn Deutschland und Österreich wurden ausgeplündert und zerstückelt. Man nahm ihnen alle Existenzmittel, ließ die Kinder hungern und sterben. Das ist ein ungeheuerlicher Raubfrieden.“ (33)
Schon wenige Tage nach Konferenzbeginn, am 16. April 1922, wurde der Vertrag von Rapallo unterzeichnet. Beide Staaten verzichteten auf Reparationen. Damit normalisierten sich die Beziehungen Deutschlands und der Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, die nun ihre internationale Isolation durchbrechen konnte. Für die deutsche Wirtschaft war der Vertrag von großer Bedeutung, da die einstigen Kriegsgegner noch immer deutsche Waren boykottierten. Zudem wurde Deutschlands Verhandlungsposition gegenüber den Westmächten gestärkt.
Während Hitler als einziger Parteiführer oppositioneller Rechtsparteien den Vertrag von Rapallo für völlig verfehlt hielt, (34) wurde der Vertrag im Deutschen Reich vor allem von nationalistischen Kommunisten und sozialistisch orientierten Kräften im völkischen Lager begrüßt.
Auf völlige Ablehnung stieß der Vertrag bei den Westmächten. Sie protestierten und verlangten die Annullierung. Noch heute wird die westlichen Hemisphäre mißtrauisch, sobald sich Deutschland auf Russland zubewegt. Diesen „Rapallo-Komplex“ konnte man beobachten als man der Regierung Schröder eine Achse „Paris-Berlin-Moskau“ unterstellte. Das war ebenso bei der Reise Konrad Adenauers nach Moskau 1955 und mit Willy Brandts Ostpolitik nach 1970 zu erkennen.
4 Februar 2015 legte der Gründer und Vorsitzende des führenden, geheimdienstaffinen privaten US-amerikanischen Think Tank STRATFOR (Abkürzung für Stategic Forecasting Inc.) George Friedman in einem Vortrag für The Chicago Council on Global Affairs die geopolitischen Karten auf den Tisch: Primäres Ziel der US-Geopolitik während der letzten hundert Jahre bis heute sei es, eine Allianz zwischen Deutschland und Russland und damit „die einzigartige Kombination aus deutschem Kapital und deutscher Technologie mit russischen Rohstoffressourcen und russischer Arbeitskraft“ (35)um jeden Preis zu verhindern. Auch England habe im wirtschaftlich aufstrebenden Bismarck-Deutschland die Hauptgefahr gesehen. Den angelsächsischen Ländern war jedes Mittel recht, um einer starken Mittelmacht in Europa entgegenzuwirken. Abhilfe schaffen sollte ein Begriff aus der Seuchenabwehr: Ein "Cordon sanitaire". Laut Friedman ist es das Ziel der US-Politik, einen Gürtel aus antirussischen und europaskeptischen Pufferstaaten zu schaffen, die eine Annäherung von Deutschland an Russland erschweren. Dieser Gürtel erstreckte sich nach dem Ersten Weltkrieg bald von Finnland über das Baltikum und Polen bis nach Rumänien, um die Sowjetunion vom übrigen Europa zu isolieren, angeblich zum Schutz vor der "bolschewistischen Weltrevolution". (36)
Friedman scheute sich auch nicht, das große Vorbild Rom zu bemühen. Die alten Römer seien so geschickt gewesen, keine Truppen in Regionen außerhalb ihres Imperiums zu entsenden, sondern dort prorömische Könige einzusetzen. Man müsse schon klug vorgehen, so der Chef der "Schatten-CIA". Nach Angaben des kanadischen Informationsdienstes Global Research berät Stratfor rund 4.000 US-Firmen und Personen. 2011 veröffentlichten Wikileaks eine Vielzahl an E-Mails von Stratfor, aus denen geht hervor, dass viele der Stratfor-Aktivitäten als Spionage und Subversion zu bezeichnen sind. (37)
Der Versailler Vertrag taugte wenig als Lösung der den Ersten Weltkrieg verursachenden Konflikte und erwies sich als Hemmschuh für friedliche Entwicklungen.
Der Vertrag von Rapallo trug dazu bei, dass Frankreich eine geringfügige Unterschreitung der im Vertrag von Versailles vorgeschriebenen Reparationsleistungen als Vorwand zur Ruhrbesetzung von 1923 nutzte. Auf französischen Antrag erklärte am 26. Dez. 1922 die Reparationskommission mit Mehrheit - bei Gegenstimme Großbritanniens – Deutschland für schuldig, mit den ausstehenden Holzlieferungen den Friedensvertrag verletzt zu haben. Am 9. Januar 1923 stellte die Reparationskommission gegen die Stimmen Englands und Italiens fest, daß ein Verstoß vorliege und Sanktionen berechtigt seien. Und nur zwei Tage später erfolgte die Besetzung des Ruhrgebiets durch insgesamt 60.000 französische und belgische Soldaten. Schon am 13. Jan. 1923 protestierte das Gesamtrussische Zentralexekutivkomitee gegen die »Vergewaltigung des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes«. In vielen Orten der UdSSR fanden Protestkundgebungen statt. Mit Getreide- und Geldspenden halfen die sowjetischen Arbeiter und Bauern dem Ruhrproletariat. Als nach der Ruhrbesetzung die Gefahr bestand, daß auch Truppen anderer Länder, darunter Polens, in Deutschland einfallen würden, wandte sich die Sowjetunion an die Regierungen Polens, der Tschechoslowakei, Litauens, Lettlands und Estlands mit der Aufforderung, im Ruhrkonflikt Neutralität zu wahren, and betonte dabei mit Nachdruck, daß sie keine militärischen Aktionen gegen Deutschland dulden werde.
Die Ruhrbesetzung fügte der deutschen Wirtschaft schweren Schaden und der Bevölkerung großes Leid zu. Die Inflation fraß das noch verbliebene Vermögen der Bürger. Im Oktober 1923 kostete ein Brot 4 Milliarden Reichsmark. Mit der Währungsreform vom November 1923 wurde die Voraussetzung für die vom Deutschen Reich anvisierte Revision der Reparationen geschaffen. Das Jahr 1923 kann durchaus als Schicksalsjahr der Deutschen betrachtet werden. Am letzten Tag des Jahres schrieb der britische Botschafter in Berlin, Viscount d'Abernon, in sein Tagebuch: „Die inneren und äußeren Gefahren waren so groß, dass sie Deutschlands ganze Zukunft bedrohten.“ (38)
Ein deutscher Staat in der Mitte Europas hat also ein fundamentales Interesse an guten Beziehungen zu seinen Nachbarn, insbesondere zu Russland. Doch genau vor einem solchen Zusammengehen warnte der britische Geograph und Geostratege Sir Haldford Mackinder vor der Königlich Geographischen Gesellschaft am 25. Januar 1904.
US-Kriegspläne »Rainbow« 1934-1940
Unter dem späteren Generalstabschef und Außenminister George C. Marshall wurden ab Mitte der 1930er Jahre die RAINBOW-Pläne 1 bis 5 entworfen. RAINBOW-Plan Nr. 5 sah die konkrete Entsendung bewaffneter US-Streitkräfte in den Ostatlantik sowie auf den afrikanischen und europäischen Kontinent vor, um Deutschland und Italien endgültig niederzuwerfen. (39) Dabei setzten die Planer auf die riesige US-Ökonomie – der Krieg musste nur lange genug dauern.
Das "Nye Committee" 1934-1936
Als 1934 im Kongress die Besorgnis über einen neuen Krieg zunahm, wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, der die Hintergründe für den Kriegseintritt der USA 1917 herausfinden sollte. Die Leitung hatte Senator Gerald P. Nye. Nach sorgfältigen zweijährigen Ermittlungen konnte das Nye-Komitee überzeugend darstellen, dass Banker und Rüstungsindustrielle neben Preisabsprachen vor und während des Krieges starken Einfluss auf die US-Außenpolitik genommen und so das Land in den Krieg "getrickst" hatten. Diese Profiteure nannte man "Merchants of Death" – Händler des Todes.
Lithograph by Mabel Dwight (1935)
Die Steigerung der Nettogewinne der US-Rüstungsindustrie im 1. Weltkrieg (40)
Nachdem Hitler am 30. Januar 1933 Reichskanzler geworden war, häuften sich die Besuche von US-Rüstungsindustriellen in Berlin. Das veranlasste am 19. Oktober 1936 den US-Botschafter in Berlin, William E. Dodd, (41) von Beruf her ein Geisteswissenschaftler, aus Sorge vor dem Wirken des amerikanischen „Big Business“ im Nazi-Deutschland und die damit verbundene und gestiegene Kriegsgefahr zu einem Brandbrief an seinen Präsidenten Franklin D. Roosevelt:
„Ich glaube an den Frieden als unsere beste Politik und kann nicht der Befürchtung ausweichen, die Wilson mehr als einmal mit mir in Gesprächen [...] unterstrich: Der Zusammenbruch der Demokratie in Gesamteuropa wäre ein Desaster für die Bevölkerung. Aber was kann man tun? Gegenwärtig haben hier mehr als hundert amerikanische Unternehmungen Tochtergesellschaften oder Übereinkommen auf Zusammenarbeit. Die DuPonts haben in Deutschland drei Verbündete, die im Rüstungsbereich tätig sind. Ihr Hauptverbündeter ist die I.G. Farben A.G., wobei sich die Regierung mit 200.000 RM im Jahr an einer Werbemaßnahme beteiligt, die in den U.S.A. die Meinung beeinflussen soll. Standard Oil Company (New Yorker Unterabteilung ) transferierte im Dezember 1933 zwei Millionen Dollar nach hier und erhält nun 500.000 jährlich dafür, dass sie den Deutschen bei der Herstellung von Ersatzbenzin hilft, was die Kriegswahrscheinlichkeit erhöht. Aber Standard Oil kann den gemachten Gewinn nur in Form von Gütern aus dem Land nehmen. Davon machen sie aber nur wenig Gebrauch. [...] Der Präsident der Internationalen Harvester Company erzählte mir, dass ihr Umsatz um 33% im Jahr steigt (Waffenindustrie, glaube ich), aber sie können nichts ausführen. Selbst unsere Flugzeugleute haben geheime Arrangements mit Krupp. Die General Motor Company und Ford machen hier mit ihren Tochtergesellschaften riesige Umsätze, aber sie entnehmen keine Gewinne. Ich meine, dass diese Fakten die Dinge komplizieren und die Kriegsgefahr vergrößern.“
Nun, der Gelehrte Dodd kam nicht aus dem „Big Business“ und folglich mussten für ihn die amerikanischen Investitutionen im Nazi-Deutschland (42) ein Rätsel bleiben. Eine Antwort auf diesen Brief ist nicht bekannt, dafür erfolgte die Ablösung von Dodd. Truman Smith hatte im Herbst 1922 als 2. Militärattaché Hitler in dessen Einzimmerwohnung in der Münchner Thierschstraße aufgesucht und mit ihm ein nächtelanges Gespräch geführt. Die weitsichtigen Macher hatten noch rechtzeitig die "Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel installiert. Carrol Quigley (43) zeigt auf, dass genau diese Bank, geführt von Repräsentanten der internationalen Bankhäuser aus Europa und den Vereinigten Staaten, die Spitze des internationalen Finanzsystems darstellte.
Gründung und Führung des US-Geheimdienstes OSS (später CIA) durch Wall-Street-Exponenten (44)
Am 11. Juli 1941 – 5 Monate vor Pearl Harbor – unterzeichnete Roosevelt einen Befehl, der den Wall-Street-Anwalt William Donovan (Kanzlei Donovan, Leisure, Newton & Irvine) zum Coordinator of Information (COI später OSS) ernannte. Ihm folgte Allen
Dulles (Kanzlei Sullivan & Cromwell), der Bruder des späteren US-Außenministers John Foster Dulles, der ebenfalls von der Wall Street kam. Donovan diente im ersten Weltkrieg als Bataillonskommandeur und reiste in der Zwischenkriegszeit als Teil eines informellen Netzwerks amerikanischer Geschäftsleute und Anwälte, (45) ausgiebig durch Europa und Asien. Dort traf er sich mit ausländischen Führern wie Benito Mussolini. (46) der ihm die Erlaubnis erteilte, die italienische Front in Äthiopien zu besuchen, wo Donovan einen italienischen Sieg vorhersagte. Der traf nicht ein – Hitler schickte später Mussolini das deutsche Afrika-Korps zu Hilfe. Auch knüpfte Donovan Verbindungen zu führenden Persönlichkeiten im nationalsozialistischen Deutschland. Dieser vielseitig versierte Wall-Street-Mann gründete Spionage- und Sabotageschulen sowie Tarnfirmen und arrangierte heimliche Kooperationen mit internationalen Konzernen und dem Vatikan.
Die Gründung und Führung des OSS durch William Donovan und Allen Dulles, beide Wall-Street-Anwälte, war kein Zufall, sondern beruhte auf deren außergewöhnlichen Fähigkeiten, internationalen Netzwerken und dem Vertrauen, das sie bei der US-Regierung genossen. Ihre juristische und wirtschaftliche Expertise war entscheidend für den Aufbau eines schlagkräftigen, modernen Nachrichtendienstes im Kontext des globalen Krieges. (47)
Annäherung zwischen Moskau und Berlin
Stalin hatte im Frühjahr 1939 die Änderung der außenpolitischen Parameter wahrgenommen und am 3. Mai seinen westlich orientierten Außenkommissar Litwinow durch Molotow ersetzt. Fast unbemerkt konnte die Annäherung zwischen Moskau und Berlin beginnen.
Die amerikanische Diplomatie und hier vor allem die Botschafter Professor Lawrence Steinhart (Moskau), Thomas Biddle (Warschau), William C. Bullitt (Paris) und Joseph P. Kennedy (London) registrierten die veränderte politische Lage und setzten Gegenmaßnahmen in Gang: eine verstärkte britisch-französische Garantie für Polen, die durch Einführung der Wehrpflicht in England mehr Gewicht erhalten sollte, sowie die Überwindung des vorhandenen Misstrauens gegenüber den Sowjets. Dem amerikanischen Präsidenten reichten das den Polen gegebene Garantieversprechen und die Einführung der Wehrpflicht noch nicht. Ihm schwebten weitere Bündnisverträge zwischen Polen, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und der Türkei sowie die Einbeziehung der Sowjetunion in ein zu schaffendes Sicherheitssystem vor. Das fand weder in London noch in Paris Gefallen.
Der Krieg war der einzige Ausweg für Hitler zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme im Land. In dieser Hinsicht konnten die Führer der westlichen Demokratien sehr optimistisch sein“. (48)
Unter Bruch des Hitler-Stalin-Pakts griffen am 22. Juni 1941 3,1 Millionen deutsche Soldaten mit 3648 Panzern aller Typen und 20.000 Geschützen (einschließlich Mörsern) die UdSSR an. Dieser gewaltigen Streitmacht stand eine ähnlich starke gegenüber, bewaffnet mit 11.000 bis 15.000 Panzern und 40.000 bis 60.000 Geschützen.
Würden sich die beiden europäischen Kontinentalkräfte Deutschland und die damalige Sowjetunion gegenseitig derart dezimieren, dass für die Seemächte der Zugang ins Herzland möglich werden sollte?
Mackinder und das geopolitische Denken bis heute
Mackinders Theorien prägten nicht nur die britische, sondern auch die amerikanische Außenpolitik. Die Angst vor einer „Heartland-Allianz“ zwischen Deutschland und Russland bestimmte die strategische Ausrichtung im 20. Jahrhundert und wirkt bis heute nach.
Die Rivalität zwischen Landmächten und Seemächten, die Kontrolle über Eurasien als Schlüssel zur Weltmacht und das Streben nach geopolitischer Dominanz sind Konstanten der internationalen Politik geblieben.
Die aktuellen Konflikte – von der Ukraine bis zum Südchinesischen Meer – zeigen, wie sehr Mackinders Grundgedanken weiterhin die Weltpolitik bestimmen. Die USA und ihre Verbündeten versuchen, eine eurasische Integration unter russisch-chinesischer Führung zu verhindern, während Russland und China ihre Zusammenarbeit ausbauen.
Mit seiner Herzland-Theorie schuf Mackinder eine geopolitische Grundformel, die bis heute ihre Gültigkeit besitzt: Seine Vision einer "großen Politik" und der "Erdherrschaft" bleibt ein unverzichtbarer Schlüssel zum Verständnis der internationalen Beziehungen und der globalen Machtverhältnisse bis in die Gegenwart.
Wie kein anderes Ereignis im 20. Jahrhundert beendete der Zweite Weltkrieg die 400jährige Vorherrschaft West-Europas und stellte die Weichen für den Aufstieg der neuen Supermächte USA und UdSSR. Doch die sich revolutionär und weltweit vollziehenden gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen begannen bereits mit dem Ersten Weltkrieg, der nach G. F. Kennan als »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« verstanden wird. Während Ernst Nolte die Zeit von 1917 bis 1945 als den »Europäischen Bürgerkrieg« beschreibt, erkennt Hans-Ulrich Wehler diesen Abschnitt als das »Zeitalter der Extreme«, ja als zweiten »Dreißigjährigen Krieg«. (49)
Hoffnung keimte auf, als am 26. Juni 1945 die Charta der Vereinten Nationen angenommen wurde. In der Präambel wurde zugesichert, die Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die Grundrechte des Menschen zu achten. Für diese Zwecke wollte man Duldsamkeit üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander leben.
Mit den in Bretton Woods gestellten Weichen für internationale Organisationen (IWF, Weltbank) konnte ein offenes und liberales Weltwirtschaftssystem als Entwicklung der vorausgegangenen gewaltsamen Öffnungen (»Open Door«-Politik), wie es in Japan Anfang der 1850er Jahre praktiziert wurde, implantiert werden. (50)
Prämisse der US-Außenpolitik ist das Sicherheitsdenken einer Seemacht, die zu allen Zeiten die Kontrolle über die gegenüberliegenden Küsten erzwingen will. Dieses Denken ist fast ausschließlich bei den amerikanischen Eliten mit angelsächsischen Wurzeln zu finden. Kontinentaleuropäern ebenso Amerikanern im Mittleren Westen ist es fremd. Die amerikanischen Politiker, die nicht die Strategie einer Seemacht verinnerlicht haben, werden fälschlicherweise als Isolationisten diffamiert.
So gesehen hat seit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in die Weltpolitik 1917 und der zeitgleichen russischen Oktoberrevolution kein Entscheidungskampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus, Pluralismus und Totalitarismus, liberal-demokratischem und staatssozialistischem System stattgefunden. Diese Gegensätze wurden jeweils für die vier großen Doktrinen der Vereinigten Staaten instrumentalisiert:
Monroe-Doktrin (1823)
Sie forderte das Ende aller europäischen Kolonialisierungsbestrebungen in der westlichen Hemisphäre und stellte das Prinzip der Nichteinmischung der USA in europäische Angelegenheiten auf. Ursprünglich als Schutz der Unabhängigkeit Lateinamerikas gedacht, entwickelte sich die Doktrin im 20. Jahrhundert zu einem Instrument, mit dem die USA ihre Vormachtstellung auf dem amerikanischen Kontinent sicherten. (51)
Truman-Doktrin (1947)
Sie markierte einen Wendepunkt in der US-Außenpolitik und verkündete, dass die USA allen Völkern beistehen würden, deren Freiheit von militanten Minderheiten oder durch äußeren Druck bedroht ist – insbesondere durch den Kommunismus. Sie bedeutete das Ende des Isolationismus und den Beginn einer aktiven, globalen Rolle der USA.(52)
Carter-Doktrin (1979)
Sie definierte US-Sicherheitsinteressen in der golfregion und initiierte die Instrumentalisierung des Islam im Kampf gegen die Sowjetunion
Bush-Doktrin (2002)
Die Bush-Doktrin wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unter Präsident George W. Bush formuliert. Ihr zentrales Element ist das Prinzip der präemptiven Selbstverteidigung (im Gegensatz zum Präventiv-Schlag bei einer akuten Bedrohung genügt eine gefühlte Bedrohung). Die USA beanspruchen damit das Recht, auch ohne unmittelbare Bedrohung präventiv gegen Staaten oder Gruppen vorzugehen, die als Gefahr für die nationale Sicherheit angesehen werden. Die Bush-Doktrin rechtfertigte insbesondere den Irak-Krieg 2003 und steht für eine aggressive, unilaterale Außenpolitik, die auch ohne breite internationale Zustimmung handelt. (53)
Diese vier Doktrinen markieren jeweils eine grundlegende Neuorientierung und Steigerung in der amerikanischen Außenpolitik und sind die bekanntesten und einflussreichsten Leitlinien der US-Außenpolitik seit dem 19. Jahrhundert. (54)
Unter dem Mantel dieser Doktrinen wurde aufgerüstet, wurden unzählige offene oder verdeckte Kriege, Interventionen und Regime-Changes geführt. Mithilfe der US-Propaganda – weitgehend von der CIA orchestriert – sind diese Zusammenhänge weitgehend verwischt woren und konnten zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt werden. So konnte in einem breiten Spektrum der Friedensbewegung das Narrativ "Die USA haben die Sowjetunion im Kampf gegen Hitler unterstützt" tief verankert werden. Der schon im Frühjahr 1945 einsetzende Paradigmenwechsel zur Zerstörung der Sowjetunion ist dagegen weitgehend unbekannt. Zur Durchsetzung ihrer Interessen waren und sind die USA jederzeit bereit, auch mit den ärgsten Feinden vorrübergehend gemeinsame Sache zu machen. Erinnert sei an die politische, wirtschaftliche, mediale Unterstützung VIELER faschistischer Diktatoren wie Mussolini, Salazar, Franco, Metaxas, Pilsudski und Hitler; auch hier co-finanzierung Hitlers durch die Wall Street-geführte "Bank for International Settlement" (BIS, Basel/Schweiz der dann auch während des 2. Weltkriegs), durch Transfer des Raubgoldes – so am 19. März 1939 das in London ausgelagerte Gold der Tschechoslowakei –, die Wäsche des weiteren Raubgolds und Raubaktien, beginnend mit der NS-Besetzung 1938 Österreichs.
Da darf dann durchaus die Frage gestellt werden, ob Hitlers Krieg gegen die Sowjetunion letzten Endes nicht auch ein US-Stellvertreterkrieg war? Der Plan Unthinkable lässt zumindest darauf schließen.
Für Paul Craig Roberts, ehemaliger Vizefinanzminister unter Reagan und heue streitbarer Friedensaktivist, hat Putins angekündigter dreitägiger Waffenstillstand, der am 7. Mai 2025 beginnen soll, nichts mit den laufenden Verhandlungen über die Ukraine zu tun. Vielmehr diene er dem Gedenken an den 80. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland – einen Sieg, so Roberts, bei dem Russland die Hauptlast trug, während die Beiträge der USA, Großbritanniens und Frankreichs im Verhältnis marginal gewesen seien. In diesem Zusammenhang zieht Roberts eine provokante Parallele: „Das Dritte Reich sei in Deutschland nie ganz verschwunden – denn heute würden dort nicht nur Wahrheitssprecher, sondern auch Kritiker Israels und selbst Gegner des Covid-Impfstoffs strafrechtlich verfolgt, wie Reiner Füllmich“. (55)
Laut Roberts übersehen die westlichen Medien und Experten ein zentrales Detail: „Russlands Außenminister Lawrow habe den Zweck etwaiger Friedensgespräche ausdrücklich als Beseitigung der Grundursachen des Konflikts definiert. Und diese Ursache sei keineswegs Russlands Intervention, sondern – wie selbst ein Artikel der New York Times zugegeben habe – der gezielte Versuch Washingtons, einen Konflikt zu initiieren, der Russland destabilisieren sollte“. (56)
Laut Roberts war es Washington, das die demokratisch gewählte Regierung der Ukraine stürzte (während Putin zusah) und die ukrainische Armee zur Rückeroberung des Donbass ausbildete und aufrüstete, während das Minsk-Abkommen nur als Täuschung diente, um Russland in Sicherheit zu wiegen. Vergeblich hätten Putin und Lawrow zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 bei der NATO und den USA um ein gegenseitiges Sicherheitsabkommen gebeten.
Laut Roberts kenne die amerikanische Außenpolitik, wie sie seit 1991 durch die sogenannte Wolfowitz-Doktrin geprägt sei, nur ein Ziel: die Weltherrschaft der USA.
Kein US-Präsident – auch nicht Trump – habe diese Doktrin jemals widerrufen. Daraus folge: Ein echter Frieden mit Russland, China oder dem Iran sei nur durch deren Kapitulation möglich – oder durch Krieg.
Zum Schluss fragt Roberts: Wird Putin kapitulieren? Wird China sich unterwerfen?
Wird der Iran aufgeben? Wenn nicht, so seine düstere Prognose, sei Krieg unsere Zukunft. Nur wenn Trump und der US-Kongress öffentlich der Hegemonie abschwören, könne noch Hoffnung auf Frieden bestehen.
„Wir warten“, so Roberts, „auf diese Absage an die amerikanische Hegemonie“. (57)
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
„Schwarzbuch EU & NATO“ (2020)
sowie
"Die unterschätzte Macht" (2022)
Anmerkungen und Quellen
1)London, 15. Dezember 1887 Friedrich Engels Nach: Sigismund Borkheim, „Zur Erinnerung für die deutschen Mordspatrioten. 1806 -1807", Hottingen-Zürich 1888 (MEW, Bd. 21, S. 350 f.).
2)https://www.zeit.de/1965/05/churchill-ueber-die-deutschen/seite-3, theatlantic
3)House, Edward M.: Intimate Papers, Boston 193
4) Michael von Taube: Der großen Katastrophe entgegen, Leipzig 1937, S.379
5)Hans F. Helmholdt: Ein Vierteljahrhundert der Weltkgeschichte 1894-1919, Paderborn 2011, S. 90
6)MEW, Bd. 21, S. 350/51
7)Wolfgang Effenberger: Europas Verhängnis Revolution, Rätewirren und Versailles, Höhr-Grenzhausen 2019, S. 14
8)Erich Buchholz: Orakeln aus dem Kaffeesatz oder marxistische Voraussicht? Friedrich Engels und der 1. August 1914, RotFuchs 198 vom Juli 2014 unter http://www.rotfuchs.net/rotfuchs-lesen/friedrich-engels-und-der-1-august-1914.html
9)Terry Boardman, ab Min. 55:44 ttps://www.youtube.com/watch?v=_Hsb9SQ6Ayw The Battle for the Truth about the First World War
10)Ernst Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben, Bad Wörishofen 1951
11)Ferdinand Sauerbruch: Das war mein Leben. Bad Wörishofen 1951, S. 186-189
12)В. А. Сухомлинов Воспоминания. — Мн.: Харвест, 2005. — С. 301.,oder:
W.A.Suchomlinow. Erinnerungen. Gebundene Ausgabe – 1924 zitiert nach Waldemar Derksen: Die russische vorzeitige Mobilmachung in der Julikrise Das Drama der Deutschen 1914, unveröffentlichtes Manuskript, Vom Verfasser im Februar 2020 erhalten.
13)Barbara W. Tuchman: Daheim wenn das Laub fällt vom 8. April 1964 unter https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46174350.html
14)Herfried Münkler „Kriege: Theorie und Gewalt“. Stiftungsprofessur 19.06. 2018 unter https://www.youtube.com/watch?v=YvRPBXgmbtk ab Minute 13:12, Copyright (Video): Stiftung Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur Aufnahme, Schnitt, Nachbereitung: Andreas Funabashi YouTube-Bearbeitung: Jens Andre]
15)Geschichtsvorlesung von Oberstleutnant Paul Krug im Februar 1967 an der Heeresoffizierschule Hamburg.
16)Handelsblatt Management Bibliothek: „Die wichtigsten Philosophen für Manager“, Bd. 07, 2005, S. 160
17)Effenberger mackinder Halford Mackinder, The Geographical Pivot of History, 1904
18)Herbert Spencer, Principles of Sociology, 1876–1896
19)Mackinder, a.a.O
20)The Daily News and Leader, 5. August 1914
21)H.G. Wells, a.a.O.
22)Vgl. dazu: John Edward Wiltz, In Search of Peace: ,The Senate Munitions Inquiry, 1934-36, Baton Rouge: Louisiana UP, 1963 sowie Matthew Ware Coulter, The Senate Munitions Inquiry of the 1930s: Beyond Merchants of Death, Westport, CT, 1997.
23)Woodrow Wilson, Rede vor dem US-Kongress, 2. April 1917
24)Liste von Militäroperationen der Vereinigten Staaten – Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Milit%C3%A4roperationen_der_Vereinigten_Staaten
25)Simon Smith: British Imperialism 1750–1970. Cambridge University Press, Cambridge 1998, S. 71; Ronald Hyam: Britain's Imperial Century, 1815–1914: A Study of Empire and Expansion.Palgrave Macmillan, Basingstoke 2002, S. 1
26)Lincoln, W. Bruce. The Conquest of a Continent: Siberia and the Russians. New York: Random House, 1994. S. 40; Gavin Hambly: Zentralasien (Weltbild [Fischer] Weltgeschichte, Bd. 16), Augsburg 1998, S. 217
27)https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Kolonisation
28)Zahlen aus Engelbrecht, Helmut C./Hanighen, F.C.: MERCHANTS OF DEATH A Study of the International Armament Industry, Carter Lane 1934, S. 263
29)Manfred Berg: Gustav Stresemann und die Vereinigten Staaten von Amerika, S. 86
30)Zitiert nach Emrys Hughes: Churchill – ein Mann in seinem Widerspruch. Kiel 1996, S. 37
31)Günter Rohrmoser: Der geistige Weg in den Fschismus und Nationalismus, o.O. 2002, S. 376
32)Otto von Bismarck, Brief vom 7. April 1888
Wolfgang Effenberger: Europas Verhängnis 14/18. Die Herren des Geldes greifen zur Weltmacht. Höhr-Grenzhausen 2018, S. 18
33)W.I. Lenin: Werke, Bd. 31, S. 317
34)Rolf-Dieter Müller: Der Feind steht im Osten: Hitlers geheime Pläne für einen Krieg gegen die Sowjetunion im Jahr 1939. Ch. Links Verlag, Berlin 2011, S. 268 (online).
35)George Friedman am 4. Februar 2015 vor dem “Chicago Council on Global Affairs” in Chicago, siehe https://www.youtube.com/watch?v=gcj8xN2UDKc
36)Wolfgang Effenberger/ Willy Wimemr: Wiederkehr der Hasardeure, 8. Auflage Höhr-Grenzhausen 2016, S. 450
37)https://www.vdi-nachrichten.com/technik/usa-treiben-keil-zwischen-deutschland-und-russland/
38)Reinhard Sturm: Kampf um die Republik 1919-1923 vom 23.12.2011 unter https://www.bpb.de/izpb/55958/kampf-um-die-republik-1919-1923
39)Vgl. Henry G. Gole: The Road to Rainbow: Army Planning for Global War, 1934-1940 December, 2002
40)Zahlen aus Engelbrecht, Helmut C./Hanighen, F.C.: MERCHANTS OF DEATH A Study of the International Armament Industry, Carter Lane 1934, S. 263; NRhZ-Online-Flyer Nr. 577 vom 31.08.2016
41)Wolfgang Effenberger/ Konrad Löw: Pax americana, München 2004, S. 295
42)Ebda.
43)Ebda., S. 265
44)https://spartacus-educational.com/2WWoss.htm
45)Vgl. Troja, Thomas F. (1981). Donovan und die CIA: Eine Geschichte der Gründung der Central Intelligence Agency, CIA Center for the Study of Intelligence
46)Waller, Douglas (2011). Wild Bill Donovan: Der Spionagemeister, der das OSS und die moderne amerikanische Spionage erschuf. New York: Free Press, S. 54
47)https://www.nationalww2museum.org/war/articles/wwii-spy-allen-dulles
Nikolai W. Starikow: Wer hat Hitler gezwungen Stalin zu überfallen? Vilnius 2017, S. 232
48)Wolfgang Effenberger: Teil 1, S. 10
49)Für John L. O’Sullivan hatte Gott den USA den Auftrag gegeben, auf dem gesamten amerikanischen Kontinent aktiv und zur Not mit Gewalt Fortschritt, Zivilisation und Handel zu verbreiten. Prof. Dr. Michael Hochgeschwender weist darauf hin, dass die beiden mit Abstand wichtigsten religiösen Gruppierungen der 1840er Jahre in den USA - die postmilleniaristischen evangelikalen Christen und die Katholiken - mit der Idee des manifest destiny und seiner praktischen Umsetzung im Krieg mit Mexiko 1846 wenig bis gar nichts
anfangen konnten. Siehe auch Michael Hochgeschwender: Die USA - ein Imperium im Widerspruch, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006), H. 1, Textabschnitt Nr. 7.
50) https://amerika21.de/analyse/239008/monroe-doktrin-totgesagte-leben-laenger
52) https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/506079/12-maerz-1947-verkuendung-der-truman-doktrin/; https://segu-geschichte.de/weltmacht-usa/
53)https://www.nomos-shop.de/de/p/die-doktrinen-u-s-amerikanischer-sicherheitspolitik-978-3-8329-1904-7
54)https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/506079/12-maerz-1947-verkuendung-der-truman-doktrin/
55)https://www.paulcraigroberts.org/2025/04/29/the-peace-negotiations-are-just-another-deception-creating-a-narrative-for-more-war/
56)Ebda.
57)Ebda.
Robert Francis Prevost –der neu Papst Leo XIV.
Eine politische Wahl?
Wolfgang Effenberger
Qualitätsmedien wie MM, FR und SPIEGEL berichten über die Wahl
Nach der Wahl von Kardinal Prevost titelte der SPIEGEL:
"Leo XIV.: Der neue Papst ist Fußball- und Baseballfan" (1)
Denn Leo XIV. ist Anhänger des Baseballclubs aus seiner US-amerikanischen Heimatstadt, wie sein Bruder John Prevost verriet.
Die White Sox sind aber nicht das einzige Team, das das Herz des neuen Papstes erobern konnte. Laut Joseph Farrell, Generalvikar des Augustinerordens, begeistern ihn auch die Fußballer der AS Rom. »Er ist Roma durch und durch«, sagte Farrell der Nachrichtenagentur Reuters.
Wenn er nicht gerade die Spiele seiner Lieblingsmannschaften verfolgt, ist der Pontifex selbst sportlich aktiv. »Er ist ein regelmäßiger Tennisspieler. Er kam mindestens einmal pro Woche zu uns und spielte auf unserem Gelände«, sagte Farrell gegenüber Reuters
Anzeigetafel der WHITE SOX (2)
Beim Münchner Merkur hatte wohl das morphogenetische Feld für den Titel gesorgt:
"Papst Leo XIV. bringt den Sport zurück in den Vatikan"(3)
Die Leser werden darüber aufgeklärt, dass Leo XIV. seine Sportbegeisterung mit früheren Päpsten wie Johannes Paul II., der für seine heimlichen Skiausflüge bekannt war und Papst Franziskus zumindest eine große Leidenschaft für den Fußball zeigte, während Benedikt XVI. weniger sportlich aktiv war (soll da ein Zusammenhang mit seiner vorzeitigen Außerdienststellung hergestellt werden?). Es folgt der Hinweis, dass Papst Leo XIV neben seiner Tennisleidenschaft auch für Gesprächsstoff in der Baseball-Community seiner Heimatstadt Chicago in der Frage sorgt: Unterstützt Papst Leo XIV. die Cubs oder die White Sox? Die Cubs verkündeten auf ihrer Anzeigetafel, dass der neu gewählte Papst ein Fan des MLB-Teams sei. Sein Bruder betonte jedoch gegenüber Chicago‘s WGN News, dass er immer ein Anhänger der White Sox war.
Die Frankfurter Rundschau titelte:
"Papst Leo XIV. ist aktiver Tennis-Spieler – und unterstützt wohl dieses Team"(4)
Mit der Wahl von Papst Leo XIV. kehrt der Sport in den Vatikan zurück. Der ehemalige Kardinal Robert Francis Prevost ist nämlich ein leidenschaftlicher Tennisspieler (nun folgt der gleiche Text wie beim MM).
Abschließend kommt der MM zu einem erstaunlichen Ergebnis:
„Der Sport könnte eine wichtige Rolle in seinem Pontifikat spielen, sei es als persönliche Leidenschaft oder als Mittel zur Förderung von Einheit und Frieden.“ (5)
Was beeinflusste die Namenswahl des neuen Papstes?
Leo XIV. sieht sich ausdrücklich in der Tradition seines Vorgängers Franziskus, wie er In seinen ersten Ansprachen mehrfach betonte. Er berief sich dabei auf das Apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ und das Zweite Vatikanische Konzil, die für eine offenere, solidarische und synodale Kirche stehen. Leo XIV. erklärte, er fühle sich berufen, diesen Weg weiterzugehen. (6)
Ein zentrales Motiv für die Wahl des Namens Leo XIV. ist nach Angaben des Vatikans die bewusste Anknüpfung an Papst Leo XIII. (1878–1903) und dessen katholischer Soziallehre.
Leo XIII. begründete damals mit der Enzyklika „Rerum novarum“ die katholische Soziallehre und stellte sich damit den Herausforderungen der ersten industriellen Revolution. Leo XIV. sieht die Kirche heute vor ähnlichen Herausforderungen: Die Entwicklung der künstlichen Intelligenz und eine neue „industrielle Revolution“ erfordern eine zeitgemäße Antwort der Kirche auf Fragen der Menschenwürde, Gerechtigkeit und Arbeit. Mit seinem Pontifikat will Leo XIV. dieses soziale und ethische Erbe fortführen und weiterentwickeln. (7) Wörtlich sagte er:
„Leo XIII. stellte sich den Herausforderungen der ersten industriellen Revolution – heute stehen wir vor einer neuen: der Revolution der künstlichen Intelligenz und ihrer Auswirkungen auf Gerechtigkeit, Arbeit und Menschenwürde“, so Leo XIV. (8)
In seinen ersten Reden hat Leo XIV. eine klare programmatische Linie vorgegeben: soziale Gerechtigkeit, technologische Verantwortung und eine Kirche, die Hoffnung spendet in einer Welt im Wandel. Er sieht die Kirche als wichtigen Akteur, um auf die sozialen und ethischen Herausforderungen der Gegenwart zu reagieren, insbesondere angesichts der Digitalisierung und der globalen Umbrüche.(9) Ist Papst Leo XIV. wirklich nur durch das Vermächtnis von Papst Franziskus und die sozialpolitische Ausrichtung von Papst Leo XIII. zu dieser überraschenden Namenswahl bewegt worden? (10)
Nach 122 Jahren ein Nachfolger von Leo XIII.
Unter den bisherigen 13 Päpsten mit Namen Leo gab es einige, die weniger sozialpolitisch ausgerichtet waren, dafür aber Weltgeschichte geschrieben haben:
Am Weihnachtsfest des Jahres 800 krönte und salbte nach alttestamentlicher Sitte Papst Leo III. in der alten römischen Petersbasilika den fränkischen Fürsten Karl zum römischen Kaiser und nannte ihn erstmals »Augustus«: damit war die Tradition des weströmischen Kaiserreichs wiedererwacht. Karls offizielle Anrede lautete nun: "Allergnädigster, erhabener, von Gott gekrönter, großer, friedebringender Kaiser, der das Römische Reich regiert und durch Gottes Barmherzigkeit auch König der Franken und Langobarden ist". Es war kein deutsches oder fränkisches Reich entstanden, sondern das universale Imperium Romanum. (11)
Wann immer in Medien oder im Schulunterricht die Geschichte des Judentums (12) thematisiert wird, rücken vor allem die Opfer von Gräueln, Pogromen und Diskriminierung in den Vordergrund: 1096 im Rheinland von Kreuzfahrern des »ungeordneten Zuges« niedergemetzelt; 1350 während der Großen Pest auf Scheiterhaufen verbrannt als angebliche Brunnenvergifter; 1516 erstmals unter Papst Leo X. zusammengepfercht im Metallgießerviertel (»Ghetto«) Venedigs. In den folgenden Jahrhunderten folgten die meisten europäischen Städte diesem Beispiel und richteten Judenghettos ein; (13) Juden waren bis zur Reichsverfassung von 1871 ausgeschlossen vom vollen Bürgerrecht.
Im preußischen Kulturkampf hatte Kanzler Bismarck gegenüber dem Heiligen Stuhl Zeichen gesetzt. Nach dem Tod von Pius IX. 1878 wurden unter dem neuen Papst Leo XIII. wieder diplomatische Beziehungen zum Vatikan aufgenommen.
So verbreitete sich vom 1884 in Amberg abgehaltenen Katholikentag eine innerkirchliche Aufbruchsstimmung. Nachdem die christlich-sozialen Vereine durch Kulturkampf und Sozialistengesetze zerschlagen waren, veröffentlichte Franz Hintze in Bamberg die "Gründzüge für die Organisation und Gründung katholischer Arbeitervereine".
Am 23. Mai 1887 erklärte Papst Leo XIII. öffentlich den Kampf für beendet. Als Ergebnis des Kulturkampfes ging das Zentrum gestärkt aus der Krise hervor und konnte sich nun als katholische Opposition gegen die preußisch-protestantische Vorherrschaft profilieren. Auch die Marxisten erkannten, dass Bismarck mit diesem Kampf den streitbaren Klerikalismus der Katholiken nur gestärkt hatte. Aus deren Sicht wurden nun die religiösen Scheidewände in den Vordergrund gerückt und damit die „Aufmerksamkeit gewisser Schichten der Arbeiterklasse und der Demokratie von den dringenden Aufgaben des revolutionären und des Klassenkampfes auf einen ganz oberflächlichen, und bürgerlich-verlogenen Antiklerikalismus“ (14) abgelenkt
Zur »Magna Charta« des sozialen Katholizismus wurde 1891 die Enzyklika "Rerum Novarum" von Papst Leo XIII. Aus dieser Sozialenzyklika ist die Handschrift des "Arbeiterbischofs" Ketteler herauszulesen und skizziert einen eigenständigen Dritten Weg, jenseits der "Gottlosigkeit des Kapitals" und der "Gottlosigkeit der Arbeit".
Gern hätte Wilhelm II. die exklusive Protektorstellung Frankreichs durch ein eigenes Protektorat über die deutschen Katholiken im Heiligen Land ergänzt. Doch nur wenige Tage vor dem Reiseantritt, am 8. Oktober 1898, bestätigte der Vatikan nochmals das französische Katholikenprotektorat. Der Heilige Stuhl wollte den unseligen Bismarckschen Kulturkampf, obwohl Papst Leo XIII. ihn für beendet erklärt hatte, anscheinend immer noch nicht vergessen.
Anfang 1887 hatte der britische Premierminister Lord Salisbury (1886 bis 1902) den französischen Diplomaten Graf von Chaudordy getroffen und mit ihm erörtert, wie man Russland und Frankreich einander annähern könnte. Den Schlüssel dafür sahen sie in Papst Leo XIII. Und in Kronprinz Edward, Sohn der deutschfreundlichen Queen Victoria, fand Salisbury einen wichtigen Mitspieler. Im Herbst 1887 wurde Henry Fitzalan-Howard, der 15. Duke of Norfolk — aus einer der einflussreichsten Familien nach dem englischen Königshaus, die zudem immer dem Papst treu ergeben war —, zu Papst Leo XIII. geschickt. Er sollte ihn von der Notwendigkeit eines politischen Kurswechsels überzeugen. Der Papst sollte seine schützende Hand von den gesalbten Häuptern nehmen und sich dafür der republikanischen Idee öffnen — hier vor allem der seit 1871 bestehenden Dritten Französischen Republik. In der Folge riet der Papst den französischen Katholiken, sich der laizistischen französischen Republik, und den papsttreuen polnischen Katholiken in Russland, sich der russisch-orthodoxen Zarenherrschaft zu fügen. Aus Dankbarkeit gab der Duke 1898 das Gesangbuch »Arundel Hymns« heraus, zu dem Papst Leo XIII. ein Vorwort in Form eines persönlichen Briefs beisteuerte: „An Unseren geliebten Sohn Henry, Herzog von Norfolk ... In jenem England, das uns so lieb ist and dessen geistliches Wohlergehen besonders der ständige Gegenstand Unserer Gebete und Unserer apostolischen Fürsorge ist.“ (15)
Im März 1888 wurde dann der junge russische Diplomat Alexander Petrowitsch Iswolski von Papst Leo XIII. als Gesandter des Zaren am Heiligen Stahl akkreditiert. Iswolski, später russischer Außenminister und zu Beginn des Ersten Weltkriegs russischer Botschafter in Paris, gilt als einer der Dirigenten der Ententepolitik vor 1914. Fast gleichzeitig mit seinem Dienstantritt im April 1888 hatte Bismarck die kommende Entwicklung intuitiv erahnt: „Menschlichkeit, Friede und Freiheit ist immer ihr Vorwand ... In Wahrheit aber schreiben die Times und die Königin im Interesse von England, das mit dem unsern nichts gemeinsam hatte. Das Interesse Englands ist, dass das Deutsche Reich mit Russland schlecht steht, unser Interesse, dass wir mit ihm so gutstehen, wie es der Sachlage nach möglich ist.“ (16)
Nachdem Tod von Mutter Queen Victoria fuhr nun König Edward VII. als Staatoberhaupt am 27. April 1903 zum Antrittsbesuch beim italienischen Präsidenten nach Rom. Entgegen allen Protokollvorschriften besuchte Edward VII. (nicht als protestantisches Oberhaupt) dann Papst Leo XIII. im Heiligen Stuhl. Nach der langen politischen Vorgeschichte kann das nicht verwundern.
Besondere Ehrung für Leo XIV. durch das englische Königshaus
Das britische Königshaus wird Papst Leo IV. zur Inauguration am 18. Mai.2025 eine besondere Ehre zuteil werden lassen. Der Herzog von Edinburgh (erst vor 2 Jahren von seinem königlichen Bruder derart geehrt), seine Königliche Hoheit Prinz Edward wird König Charles III. bei der Amtseinführung von Papst Leo XIV. vertreten. (17)
Dann werden sich wieder ein Edward und ein Leo gegenüberstehen. Trotz der unterschiedlichen Epochen und der sehr verschiedenen Rollen im britischen Königshaus lassen sich bei Prinz Edward (geb. 1964) und König Edward VII. (1841–1910) einige interessante Parallelen in ihren Persönlichkeiten und Lebenswegen erkennen. Beide standen im Schatten ihrer berühmten Eltern: Edward VII. war der Sohn von Queen Victoria, Prinz Edward ist der jüngste Sohn von Queen Elizabeth II. und Prinz Philip. (18)
Parallelen in den Persönlichkeiten von Prinz Edward (Duke of Edinburgh) und König Edward VII
Edward VII. wurde als „faul“ und wenig ehrgeizig eingeschätzt; er rebellierte gegen die strengen Erwartungen seiner Mutter und zeigte wenig Interesse an den von ihr gewünschten Pflichten, sondern bevorzugte gesellschaftliche Aktivitäten, Reisen und ausschweifende Vergnügungen. Ihm werden zwischen 50 und 55 Geliebte nachgesagt, darunter prominente Frauen wie Lillie Langtry, Jennie Churchill und Alice Keppel. Seine Eskapaden waren legendär und sorgten für zahlreiche Skandale. (19) Während Edward VII. für seine Promiskuität und Affären berühmt war, lebt Kronprinz Edward ein ruhiges, skandalfreies Familienleben. Parallelen im Sexualleben bestehen daher nicht.
Mit den traditionellen Erwartungen taten sich beide schwer. Nach nur 4 Monaten brach Prinz Edward trotz des Drucks seiner Eltern eine im Oktober 1986 begonnen Offiziersausbildung bei den Royal Marines wegen Überforderung unter dem kritischen Echo der britischen Presse vorzeitig im Januar 1987 ab (später wurde er von seiner Mutter zum Ehrenoberst mehrerer Regimenter ernannt). (20) Heute heißt es lapidar, dass er auf eine klassische Militärkarriere „verzichtete“.
Beide hatten mit beruflichen Misserfolgen zu kämpfen: Edward VII. wurde für seine mangelnde Ernsthaftigkeit kritisiert, Prinz Edward scheiterte mit seiner Produktionsfirma und geriet durch ungeschickte Medienaktionen in die Kritik.
Aktuell werden die Lebenswege von König Edward VII. und anderen royalen Persönlichkeiten in der Rückschau häufig geglättet und weniger kritisch beleuchtet, insbesondere was ihre privaten Leidenschaften und Affären betrifft. Das ausschweifende Privatleben von Edward VII. wurde in späteren Biografien und offiziellen Darstellungen oft verharmlost.
Königin Victoria hingegen war in ihren privaten Briefen und Tagebüchern deutlich direkter, kritischer und emotionaler. Ihre Korrespondenz, insbesondere mit ihrer Tochter, gibt einen schonungslosen Einblick in ihre Ansichten zu Familie, Ehe und Moral. (21) Victoria kommentierte das Verhalten ihres Sohnes Edward (später Edward VII.) durchaus offen und war über seine Lebensweise oft entsetzt. Ihre Briefe zeigen, dass sie sich der „Schwächen“ ihres Sohnes sehr bewusst war und diese keineswegs beschönigte, sondern regelmäßig tadelte und mit Sorge betrachtete. (22)
Widersprüchlicher können die gewählten Namen nicht sein:
Leo XIV. – Benedikt XV., der Friedenspapst
Schon vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte der inzwischen heiliggesprochene Papst Pius X. zur Mäßigung gemahnt. Sein Nachfolger, Benedikt XV., beschwor dann erstmalig Ende Juli 1915 die kriegführenden Völker und Staatsoberhäupter, den Krieg zu beenden. Das veranlasste den Karikaturisten Olaf Gulbransson, den päpstlichen Friedensappell mit den Waffenlieferungen der »neutralen« und »christlichen« USA an die Entente in Verbindung zu bringen. (23)
„Der einzige, der zum Frieden redet und die Völker mahnt, den Krieg zu beenden, ist der Papst«, stellte die Allgemeine Zeitung des Judentums fest, „aber seine Kraft ist gering, sein Wort verhallt, sein Einfluß auf die kriegführenden Mächte ist schon deshalb gleich Null, weil England und Rußland sich seiner Autorität nicht beugen, Frankreich ihm kühl gegenübersteht und Italien ihm feindlich gesinnt ist.“ (24)
Angesichts der zurückliegenden mörderischen Schlachten und der Befürchtung einer Steigerung der Kriegshandlungen zum Finale hin, forderte am 1. August 1917 Papst Benedikt XV. mit seiner Zirkularnote "Dés le début" die streitenden Völker auf der Basis des status quo ante zum baldigen Friedensschluß auf. (25) Die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Staaten sollten auf der Basis eines Rechtssystems reorganisiert werden und der Abrüstung sollte zukünftig erhebliche Bedeutung beigemessen werden. (26) Dieses sich mit den Zielen des Pazifismus deckende päpstliche Vermittlungsangebot (27) stieß in Deutschland auf breite Zustimmung. Der Pazifist und Friedensnobelpreisträger von 1927, Ludwig Quidde, begrüßte im Auftrag der Deutschen Friedensgesellschaft (28) (DFG) die päpstliche Initiative als „die bedeutungsvollste während des Weltkrieges ergangene pazifistische Kundgebung“. (29) Im Völker-Frieden wies er darauf hin, daß sich die beiden mächtigsten gesellschaftlichen Kräfte, katholische Kirche und internationaler Sozialismus, „eine durch und durch pazifistische Auffassung der Fragen des Friedensschlusses“ (30)zu eigen gemacht hätten. So wurde die Papst-Note auch in Kreisen der USPD so wohlwollend aufgenommen, daß im Hauptausschuß des Reichstages der Linkssozialist und USPD-Mitbegründer Georg Ledebour das gute Bemühen des katholischen Oberhaupt lobte. (31)
Papst Leo XIV. nimmt gleich beim ersten Sonntagsgebet Putin ins Visier
Vor mehr als 100.000 Zuhörern appellierte der neue Papst auf dem Petersplatz an die Massen mit dem Satz 'Nie wieder Krieg'. Er rief zu einem dauerhaften und gerechten Frieden in der Ukraine auf und forderte von Putin die Freilassung von Kriegsgefangenen und der (angeblich) von Russland entführten ukrainischen Kindern als ersten Schritt zur Beendigung des Krieges. Von einem kirchlichen Oberhaupt darf erwartet werden, dass es nicht in eine Rhetorik verfällt, die man eher beim ukrainischen Machthaber vermutet. Friedensfähige Lösungen wird es nur geben, wenn sich beide Seiten mit den Ursachen auseinandersetzen und fähig sind, den Balken im eigenen Auge zu erkennen.
Nach dem völkerrechtswidrigen vom Westen orchestrierten Putsch in der Ukraine 2014 verweigerten die Oblaste Luhansk und Donezk die Anerkennung der geputschten Regierung. Laut ukrainischer Verfassung kann ein neuer Präsident nur mit 75 % des Parlaments gewählt werden, wenn der alte verstorben oder zurückgetreten ist. Keine dieser Bedingungen war beim Maidan-Putsch erfüllt.
Ende Mai 2014 begann dann das ukrainische Militär mit einer groß angelegten „Anti-Terror-Operation“ gegen die abtrünnigen, von Russland unterstützten Separatisten in den ostukrainischen Regionen. (32)Der bewaffnete Konflikt, bekannt als Krieg im Donbass, eskalierte mit dem militärischen Eingreifen der ukrainischen Regierungstruppen ab Ende Mai 2014 deutlich. (33)
Zwischen Mai 2014 und dem 24. Februar 2022 wurden nach Schätzungen der Vereinten Nationen und der OSZE zwischen 14.200 und 14.400 Menschen infolge des Krieges im Donbass getötet. Darin enthalten sind etwa 3.400 getötete Zivilisten. (34)
Über diesen Krieg wurde in den westlichen Medien bis zum Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar 2022 kaum berichtet. Die Fluchtbewegungen im Osten der Ukraine während des Krieges sind komplex und vielschichtig. Es stimmt, dass nicht alle Flüchtlinge in Richtung Westen gegangen sind – ein erheblicher Teil ist tatsächlich auch nach Russland geflohen, obwohl die materielle Versorgung dort mit der im Westen nicht mithalten kann
Seine Wortwahl zur Ukraine macht deutlich, dass Leo XIV. sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger Franziskus klar auf die Seite einer Kriegspartei stellt, was von der ukrainischen Presse positiv aufgenommen wurde. Der Papst machte aus seiner Solidarität mit dem ukrainischen Volk kein Hehl und betonte, dass er dessen Leid im Herzen trage. (35)
Sollten Papst Leo XIV. die von den USA geführten Kriege (ab 1999 alle ohne UN-Mandat) seit Auflösung der Sowjetunion entgangen sein? Ist er nicht in der Lage zu erkennen, dass der aktuelle Krieg mit Russland ein von den USA geführter Stellvertreterkrieg auf dem Rücken der Ukraine ist?
Welche Rolle wird Leo XIV. spielen?
Es scheint kein Zufall zu sein, das in dieser Weltlage und zum ersten Mal ein US-Amerikaner zum Papst gemacht wird. Wie ist Leo XIV. in das damalige Muster um Leo XIII. – in die Weltkriege I. und II. – einzuordnen?
Die Anglo-Amerikaner haben jedes Mal eine Weltkoalition aller möglichen und unmöglichen Länder aufgeboten, um Ihren Hauptkonkurrenten Deutschland, daneben das Sekundärziel Japan, zu unterwerfen, genauer gesagt, zu vernichten.
Sogar ein Land wie Brasilien, das immer gute Beziehungen mit Deutschland hatte, erklärte Deutschland sowohl 1917 als auch 1942 den Krieg. Nicht 1914 oder 1939, sondern erst dann und genau dann, als die USA selbst einstiegen. Da liegt die Vermutung nahe, dass es auf Druck der USA geschah und nicht Petersburgs oder Londons. Jetzt also gegen China. Ein Handelskonkurrent, wirtschaftlich und militärisch sogar noch stärker im Vergleich zu den USA als Deutschland 1914 und 1939.
Während die Anglo-Amerikaner militärisch vielleicht noch ebenbürtig sind, dürften sie bereits wirtschaftlich/ industriell bereits schwächer sein als der Haupthandelskonkurrent, den sie vernichten wollen.
Die USA sind also 2025 auf das Aufgebot einer Weltkoalition noch viel mehr angewiesen als 1914 und 1939. Obwohl eigentlich calvinistisch/exzeptionalistisch, greifen sie schon seit einiger Zeit auf Hilfskräfte wie den Islamismus zurück.
Und nun kurz vor Beginn also auch auf die katholische Kirche. D.h. auf Polen, Spanien, Italien, Irland, Latein Amerika, die Philippinen.
Im Gegensatz zu Leo XIV. ein US-Kardinal, die 1914 die Zeichen der Zeit erkannt hatte:
Dieser US-amerikanische Kardinal hatte wenige Tage vor Kriegsausbruch auf dem eucharistischen Weltkongress in Lourdes nicht nur ein untrügliches Gefühl für die großen politischen Strömungen seiner Epoche, sondern auch den Mut, sie anzusprechen. Wo finden sich heute derartige Kirchenfürsten?
Screenshot Wolfgang Effenberger
https://www.katholisch.de/artikel/61542-leo-xiv-kuendigt-kardinaelen-an-will-franziskus-weg-weitergehen
https://www.sueddeutsche.de/politik/papst-konklave-2025-liveblog-leo-xiv-franziskus-li.3248067
https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-05/papst-leo-xiv-namenswahl-kardinaele-danksagung-sanftmut-zeit.html
https://www.deutschlandfunk.de/papst-leo-xiv-robert-francis-prevost-102.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/papst-konklave-2025-liveblog-leo-xiv-franziskus-li.3248067
Wie aus Karls Titulatur zu entnehmen ist: »imperator Romanum gubernans imperium«, siehe Wolf, Günther: Karl der Grosse. In: Fassmann 1991, S. 905
Das Judentum ist nach Hans-Joachim Schoeps (1909 – 1980) weder eine bloße Konfession, noch ist es eine Rasse oder eine moderne Nation, sondern es hat in einem schwer definierbaren Dazwischen seinen Platz. Es handele sich um eine Religionsgemeinde mit einem einheitlichen biologischen Abstammungszentrum. Dagegen findet Arnold Zweig, daß die Juden bestimmt ein Volk für sich seien, „wenn man sie auf ihre eigenen Lebensgesetze, -äußerungen und -schicksale hin betrachtet.“ (Bilanz der Deutschen Judenheit. Köln 1961, S. 119). Unter der Judenheit versteht Arnold Zweig nationale Teile des Judentums. Bereits in der biblischen Erzählung führt der Heide Bileam zu der Feststellung über Israel aus: »Hier ist ein Volk, das besonders ist und nicht unter die Völker gerechnet wird.« (4 Moses, 23,9). Noch 1989 wurden von der Bundeswehr deutsche Wehrpflichtige jüdischen Bekenntnisses oder jüdischer Abstammung, deren nächste Angehörige (Großeltern, Eltern, ältere Geschwister) aus rassischen Gründen nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren, auf Antrag gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 6 Satz 2 Wehrpflichtgesetz (WPf1G) bis auf weiteres vom Wehrdienst zurückgestellt.
Papst Paul IV ließ 1555 das römische Ghetto errichten und verpflichtete die Juden durch einen Kanon, in diesem besonderen Bereich zu leben.
Marx/Engels: Ausgewählte Schriften, 2 Bde, Berlin 1971, Bd. II, S. 482, Anmerkung 21
Wolfgang Effenberger: Die unterschätzte Macht Von Geo- bis Biopolitik – Plutokraten transformieren die Welt. Höhr-Grenzhausen 2022, S. 51
Wolfgang Effenberger: Europas Verhängnis 14/18. Die Herren des Geldes greifen zur Weltmacht. Höhr-Grenzhausen 2018, S. 18.
https://www.gbnews.com/royal/prince-edward-buckingham-palace-party-latest-royal-news
https://www.gala.de/stars/starportraets/prinz-edward-22020538.html
https://albertundvictoria.mein-coburg.de/portfolio-item/albert-victorias-kinder/
https://de.wikipedia.org/wiki/Victoria_von_Gro%C3%9Fbritannien_und_Irland_(1840%E2%80%931901)
Simplicissimus, Jahrgang 20, Nr. 5 vom 4. Mai 1915
AZJ Nr. 32 vom 6. August 1915, S. 376
Wolfgang Effenberger/ Reuven Moskovitz: Deutsche und Juden vor 1939 Stationen und Zeugnisse einer schwierigen Beziehung. Ingelheim a. Rh.. 2013, S. 245.
Ebda.
Ebda., S. 246.
Im nationalen wie auch im internationalen Betätigungsfeld forderte die DFG auf Weltfriedenskongressen und interparlamentarischen Konferenzen Schiedsgerichte und Abrüstung zusammenfassen. (Vgl. Riesenberger, 1985, S. 48)
Schreiben an den päpstlichen Nuntius in München, Pacelli, 25.8.1917.
Quidde, Ludwig: Deutsche Friedenskundgebungen des letzten Vierteljahres, 19.10. 1917. In: Völkerfriede vom November 1917, S. 5.
Wolfgang Effenberger/Reuven Moskovitz: Deutsche und Juden vor 1939 Stationen und Zeugnisse einer schwierigen Beziehung. Ingelheim a. Rhein 2013, S. 246
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
Das Kriegsende 1945 sollte Anlass zum umfassenden Gedenken sein
1914 bis 2025 – Europa nach zwei Weltkriegen kurz vor der Vernichtung
Teil 4: "Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg" (Walter Benjamin):
Voraussetzungen für einen tragfähigen Frieden
Wolfgang Effenberger
Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai 1945 bedeutete zunächst einmal nur Waffenstillstand, zumindest in Europa. Im Pazifik ging der Krieg ja bis zum 2. September 1945 weiter. Alle amerikanischen Staaten hatten den Achsenmächten – Deutschland, Italien und Japan sowie Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Bulgarien – den Krieg erklärt. Aktiv gekämpft hatten nur Kanada, die Vereinigten Staaten, Mexiko und Brasilien.
Deutschland wurde nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung
Das Verhalten der US-Streitkräfte in Deutschland gab die Direktive der US-amerikanischen „Joint Chiefs of Staff“ (JCS) vor. Im April 1945 trat JCS 1067/6 in Kraft. In 52 Paragraphen waren politische, wirtschaftliche und militärische Hintergründe, Ziele und Pflichten des Oberbefehlshabers der US-Truppen hinsichtlich seiner Verantwortung für die Verwaltung und die militärische Besetzung sowie als Mitglied des Alliierten Kontrollrats aufgelistet. Die Grenzen für den Umgang mit den Deutschen wurden klar formuliert:
„Deutschland wird nicht besetzt zum Zwecke seiner Befreiung, sondern als ein besiegter Feindstaat. Ihr Ziel ist nicht die Unterdrückung, sondern die Besetzung Deutschlands, um gewisse wichtige alliierte Absichten zu verwirklichen. Bei der Durchführung der Besetzung und Verwaltung müssen Sie gerecht, aber fest und unnahbar sein. Die Verbrüderung mit deutschen Beamten und der Bevölkerung werden Sie streng unterbinden.“ (1)
Die Wirtschaft sollte dezentralisiert und mit Hilfe deutscher Behörden kontrolliert werden. Ein wirtschaftlicher Wiederaufstieg Deutschlands über das zur Versorgung der Besatzungstruppen und zum Leben der Bevölkerung unbedingt Notwendige hinaus war nicht erwünscht. Amerikanische Zuschüsse zur Versorgung sollten soweit erfolgen, dass nicht Hunger, Ausbruch von Krankheiten und zivile Unruhen eine Gefahr für die Besatzungsmacht darstellten. (2) Den Militärgouverneuren wurde auferlegt, nichts zu unternehmen, was
(a) zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands führen könnte oder
(b) geeignet ist, die deutsche Wirtschaft zu erhalten oder zu stärken.“ (3)
Die Direktiven wurden bald nur noch in abgeschwächter Form angewandt, da sie den Interessen der USA zuwiderliefen. Am 6. September 1946 hielt der US-amerikanische Außenminister James F. Byrnes in Stuttgart die Rede der Hoffnung und kündigte darin einen grundlegenden Wechsel der Besatzungspolitik zugunsten der Bevölkerung an – notfalls auch ohne die sowjetische Seite. Die Direktive JCS 1779/1, die am 15. Juli 1947 die Direktive 1067/6 ablöste, enthielt die Vorgaben zu dieser neuen Besatzungspolitik. (4)
Der unterbrochene Krieg von 1914 bis 1945 ein Zweiter Dreißigjähriger Krieg?
Was die Verheerungen, die Intensität, die Leiden der Bevölkerung und die ideologische Verblendung angeht, ist kaum ein Unterschied auszumachen. General de Gaulle, Teilnehmer an beiden Weltkriegen, sprach im September 1941 in einer Radioansprache in London von „la nouvelle Guerre de Trente Ans“. (5)Und Churchill, ebenfalls Zeitzeuge in exponierter Stellung in beiden Weltkriegen, schrieb 1944 an Stalin von einem „dreißigjährigen Krieg von 1914 an“. (6)Nach dem Zweiten Weltkrieg benutzte Raymond Aron ihn im Vergleich mit dem Krieg zwischen 1618 und 1648 und dem Westfälischen Frieden zur Beschreibung des Weltkriegsgeschehens 1914–1945. (7) Der amerikanische Historiker Arno J. Mayer führte 1988 den Begriff als Gegenstand einer ausführlichen Diskussion und Definition in die Wissenschaft ein; er wurde von Ralf Dahrendorf und Eric Hobsbawm aufgegriffen. Neuerdings wird er bei Enzo Traverso neben dem Begriff des „Europäischen Bürgerkriegs 1914–1945“ zur Beschreibung der europäischen Krise verwendet.
Diese Begriffe ermöglichen zwar eine Einordnung und können auf Parallelen verweisen, müssen aber nicht stimmig sein. So hat Churchill den von ihm definierten dreißigjährigen Krieg noch 1945 weiterführen wollen – mit offenem zeitlichen Rahmen. (8) Will man diese Nomenklatur fortzusetzen, dann könnte sich Europa aktuell im 3. Dreißigjährigen Krieg befinden.
Weitere Schatten des Kalten Krieges werden erkennbar
Am 20. August 1948 – nur wenige Monate nach der Gründung der NATO (4. April) und des "American Committee on United Europe" (9) (23. April)– wurde Lucius Clay als Kommandierender General der US-Besatzungstruppen und als Militärgouverneur in Deutschland eine Direktive in die externe Restitution aus Deutschland betreffend, zugestellt. (10) Die folgenden Absätze enthalten u.a. spezifische Anweisungen, die mit den Zielen der NATO in einem engen Zusammenhang stehen und gegen die Sowjetunion gerichtet sind. Als Grundsätze wurden postuliert:
bestimmten Ländern des sowjetischen Einflussbereichs bestimmte Produkte vorzuenthalten. Grundsatz: die Restitution von Eigentum an die Sowjetunion oder an ein sowjetisches Satellitenland zu vermeiden.
Dazu wurden weitere Anweisungen angekündigt, welche Produkte die US-Regierung dem Wirtschaftskreis der Sowjetunion und ihrer Satellitenländer vorenthalten möchte.
Technokratie als Voraussetzung für den immerwährenden Krieg (Omniwar)
Auf dem Kongress "Krieg und Frieden" der "Neuen Gesellschaft für Psychologie"hielt die Wiener Hochschullehrerin Corinna Oesch am 12. April 2025 ihren erhellend-bestürzenden Vortrag "Das Omniwar Konzept und die gegenwärtige Friedensbewegung". In Ihrem ersten Teil ging sie vor allem auf die von Patrick Wood in seinem Vortrag " Technocracy’s War Cry: 'We Will Assimilate'" gemachten Erklärungen zu Technokratie (11), den Verbindungen zum modernen Transhumanismus (12), sowie den aktuellen Entwicklungen der Technokratie und deren gesellschaftlichen Folgen ein.
Ursprünglich war die technokratische Bewegung in den 1930er Jahren in den USA und Kanada entstanden und hatte dort Hunderttausende Anhänger finden können. Ihr Ziel war es, Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr von gewählten Politikern, sondern von Ingenieuren und Wissenschaftlern steuern zu lassen. Bereits damals arbeiteten Technokraten eng mit Unternehmen wie IBM zusammen, deren Technologien später auch im Nationalsozialismus für bevölkerungspolitische Zwecke genutzt wurden.
Technokratische Denkweisen und Instrumente – etwa Überwachung, Steuerung und Kontrolle der Bevölkerung – wurden im Nationalsozialismus vielfältig adaptiert, wie an Gesundheitspässen, dem Ariernachweis, der Kriegswirtschaft, Massendeportationen, Zwangsarbeit und eugenischen Programmen nachgewiesen werden kann. Der Architekt Albert Speer, NS-Rüstungsminister, bezeichnete sich selbst als Technokraten.
In den 1970er Jahren erhielt die Idee der Technokratie durch die Gründung der "Trilateralen Kommission" einen neuen Schub. Zbigniew Brzezinski, Mitbegründer der Kommission, prognostizierte in seinem Werk "America’s Role in the Technetronic Era" das Ende der liberalen Demokratie. Er sah eine Zukunft voraus, in der diejenigen, die über die fortschrittlichsten Technologien verfügen, auch die politische Macht innehaben, da sie die Massen durch Überwachung und Manipulation kontrollieren könnten. Brzezinski beschrieb zudem die Entstehung eines militärisch-wissenschaftlichen Komplexes und neue Methoden der Aufstandsbekämpfung.
Der heutige Transhumanismus ist nach Patrick Wood eine Neuauflage der Eugenik. Ziel ist die „Verbesserung“ und „Erweiterung“ des Menschen durch technologische Mittel – ein Gedanke, der bereits von Julian Huxley, dem Begründer des Begriffs „Transhumanismus“, vertreten wurde. (13) Huxley wollte nach dem Zweiten Weltkrieg die diskreditierte Eugenik unter neuem Namen weiterführen und verankerte diese Ideen auch in der UNESCO. Im transhumanistischen Manifest wird der Mensch als biologisch-technologischer Organismus beschrieben, der sich mithilfe von Technologie weiterentwickelt. (14) Wood warnt: Wo eine Ideologie einen „Übermenschen“ schaffen will, sollten die Alarmglocken läuten.
Technokratie und Transhumanismus beruhen auf dem Glauben, Wissenschaft und Technik könnten Gesellschaft und Menschheit perfektionieren. In der Praxis führen sie laut Wood jedoch zu einer totalitären Herrschaft einer technokratischen Elite. In den USA hätten sich mittlerweile beide großen Parteien und auch populistische Bewegungen von technokratischen Ideen vereinnahmen lassen. Ein Präsident Trump könnte diesen Trend durch seine Nähe zu Technologieunternehmern wie Elon Musk weiter verstärken.
So ist laut Wood zu befürchten, dass das eigentliche Ziel der Technokratie darin bestehe, die natürliche Natur durch eine vom Menschen geschaffene „übernatürliche“ Natur zu ersetzen. Entwicklungen wie Gentechnik, Massentierhaltung, Laborfleisch und Insektenfarmen in der Landwirtschaft zeigen, wie technokratische und kapitalistische Prinzipien traditionelle, auf Natur und Tierwohl ausgerichtete Wirtschaftsformen verdrängen. Diese Tendenzen werden nun auf den Menschen übertragen: Neue Technologien sollen programmierbare, steuerbare Mensch-Maschinen erschaffen. So verbinden sich kapitalistische Ausbeutung und technokratische Herrschaft zu einem umfassenden Projekt der Kontrolle über Mensch und Natur – ideale Voraussetzungen, um permanent Kriege zu führen.
Geschichtsmanipulation im Dienst kommender Kriege
In den Handreichungen des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses vom 15. November 2022 ist zu lesen: "Um regionale Hegemonie in Eurasien zu verhindern, sind anscheinend viele militärische Operationen der USA im 1. und 2. Weltkrieg und zahlreiche militärische Kriegseinsätze und alltägliche Operationen der USA seit dem 2. Weltkrieg zu einem nicht geringen Teil zur Unterstützung dieses Ziels durchgeführt worden."
Dominiert heute der Terroranschlag vom 11. September 2001 auf die Wahrzeichen des US-Kapitalismus – die Twin-Tower in Manhattan – die Narrative seit 24 Jahren, so ist der Terroranschlag auf den österreichisch-ungarischen Thronfolgen Franz-Ferdinand vom 28. Juni 1914 in Sarajewo kaum geschichtsrelevant, obwohl in der Bedeutung und in den Auswirkungen durchaus vergleichbar.
Wer stand hinter dem Terroranschlag, für den der serbische Geheimdienst junge Oberschüler einsetzte?
Im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum war ein aufschlussreiches Beweisdokument aus-gestellt. Neben anderen Requisiten dieses Terroranschlags lag in einer Glasvitrine eine Anfang Juni 1914 vom damaligen serbischen Regierungschef Nikola Pašic handschriftlich gefertigte Anweisung aus. Auf informellem Papier wurden der Pašic-Vertraute General Jankovi, der Major Tankosi sowie der Narodna Odbrana-Resident Boda Milanovi angewiesen, den Schülern Waffen und Munition auszuhändigen:
Offizieller Übersetzungstext der Pašic-Anweisung: „2 Schüler des Ober-Realgymnasiums Triša des Mladen.....6 Bomben, 4 Revolver von der Narodna Odbrana dem Jankovi dem Boda Milanovi und dem Tankosi, Vertrauensmann des zweiten, und dieser des dritten, in Trnovo, in Priboj, in Tuzla, in Sarajewo“. (15)
Am 1. Juli 1914 veröffentlichte das königlich serbische Pressebüro eine Erklärung der serbischen Regierung. Sie gab darin dem Abscheu Serbiens über die in Sarajewo verübten Morde und dem Willen der serbischen Regierung Ausdruck, die Umtriebe verdächtiger Elemente mit Aufmerksamkeit zu verfolgen und nichts zu unterlassen, was zur Beruhigung der Geister beizutragen vermöchte. (16) Alle Angriffe der Wiener und der Budapester Presse wurden im Namen der serbischen Regierung und im Namen des offiziellen Serbien zurückgewiesen und es wurde unterstrichen, dass die Schuld an dem Sarajevo-Attentat nur einen einzigen Menschen treffe, der noch dazu ein Staatsangehöriger der habsburgischen Monarchie sei: den muslimischen Bosnier Gavrilo Princip.
101 Jahre später enthüllte Serbiens Regierung in der Innenstadt von Belgrad eine zwei Meter hohe Statue des serbischen(?) Nationalisten Gavrilo Princip. „Heute haben wir keine Angst vor der Wahrheit“, sagte Präsident Tomislav Nikolic. „Gavrilo Princip war ein Held, ein Symbol für die Idee der Freiheit, der Mörder eines Tyrannen und ein Träger der europäischen Idee der Befreiung von der Sklaverei“. (17) Auch so lässt sich Geschichte aufarbeiten.
Einen Tag nach Sarajewo folgte das Attentat auf den am Zarenhof wirkenden russischen Seher, Pazifisten und Wunderheiler Rasputin.
In diesem Zusammenhang muss auch der Londoner Geheimvertrag vom 26. April 1915 gesehen werden. Die darin gemachten Versprechungen brachten Italien auf die Seite der Entente. Wenige Tage später, am 1. Mai 1915, gründete der kroatische Politiker Ante Trumbic im Pariser Exil das "Jugoslawische Komitee". Es siedelte nach London über und vertrat dort die territorialen Interessen der Monarchieslawen. Am 20. Juli 1917 unterzeichnete der serbische Ministerpräsident Nikola Pašic gemeinsam mit Ante Trumbic die so genannte »Deklaration von Korfu«. Darin wurde – mit dem Segen Großbritanniens - als Ziel ein Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen als konstitutionelle Monarchie formuliert, die den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn ersetzen sollte. Wenige Tage zuvor hatte Pašic mittels einer Verleumdungsklage den Chef des serbischen Geheimdienstes, den serbischen Patrioten Oberst Dimitrijevic-Apis und dessen Stabsoffiziere nach einem Gerichtsverfahren in Saloniki erschießen lassen. Unter Staatschef Tito wurde der Prozess 1953 aufgerollt, die Offiziere rehabilitiert.
Im gleichen Jahr, als die Opfer des Justizmordes von 1917 rehabilitiert wurden, begannen in Belgrad die Bauarbeiten für die Umgestaltung des Terazije-Platzes in den »Marx-und-Engels-Platz« zu Ehren der beiden kommunistischen Ideologen, architektonisch dominiert von massiven Gewerkschaftsgebäuden im Stil des sozialistischen Klassizismus. Als die kommunistische Ideologie an Zugkraft verloren hatte, dachte man in Belgrad wieder über Namensänderungen von Straßen und die Umgestaltung von Plätzen nach. Und so wurde 1998 auf dem Platz eine Statue des überführten Justizmörders Nikola Pašic errichtet und der Platz nach ihm benannt (»Trg Nikole Pašica«)! Was war passiert?
82 Jahre nach der »Deklaration von Korfu« zerschlug England im Bündnis mit den USA den von ihm selbst 1917 geschaffenen Vielvölkerstaat Jugoslawien. Stand das serbisch dominierte Rest-Jugoslawien der NATO-Osterweiterung im Weg? Oder hatte es sich zu sehr an China gebunden, wie der Angriff auf die chinesische Botschaft in Belgrad vermuten lässt? Nach Christopher Clark hat die NATO im Frühjahr 1999 die Serben viel stärker unter Druck gesetzt als Österreich-Ungarn im Juli 1914 - er fragt: „Lag das vor allem daran, dass Russland als Großmacht aus dem Spiel war?“(18) Nicht zuletzt ging es wohl darum, Serbien zwecks Sicherstellung einer US-Militärpräsenz im Kosovo auf Dauer aus der europäischen Entwicklung auszuklammern. (19)
„Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg.“ (20)
Am 11. April 2025 eröffnete der Sozialwissenschaftler, Publizist, Bildender Künstler und von 1972 bis 2002 Professor für Sozialpädagogik an der Universität Bremen, Rudolph Bauer, seinen Vortrag anlässlich des Kongresses "Krieg und Frieden" der "Neuen Gesellschaft für Psychologie" im Berliner "Haus der Demokratie" mit Walter Benjamins Satz:
„Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg.“
Walter Benjamin – er lebte 1892 bis 1940 – flüchtete im September 1933 aus Nazi-Deutschland in das französische Exil. Nach der Besetzung Frankreichs nahm er sich1940 auf der Flucht vor den deutsch-faschistischen Truppen an der Grenze zu Spanien das Leben. Vor diesem Hintergrund findet es Bauer bestürzend und ebenso infam wie charakteristisch für den gegenwärtigen, den Bunten Totalitarismus, wenn am Eingang zum Panzermuseum Munster in der Lüneburger Heide das eingangs erwähnte Benjamin-Zitat zu lesen ist – aus dem Zusammenhang gerissen und kriegstüchtig verstümmelt.
Aus diesem Zitat liest Bauer Benjamins Mahnung, dass ernsthaftes Eintreten für den Frieden voraussetzt, sich mit den Realitäten und Ursachen des Krieges auseinanderzusetzen. Frieden könne nicht durch bloße Beschwörungen oder symbolische Handlungen erreicht werden, sondern nur durch eine schonungslose Analyse und Diskussion der Kriegsursachen und -mechanismen.
Was es bedeutet, über den Krieg zu sprechen
Bauer listet eine Vielzahl von Aspekten auf, über die gesprochen werden muss, wenn man den Krieg thematisiert:
Die zerstörerische Gewalt des Krieges und das Leiden von Soldaten und Zivilbevölkerung.
Die sozialen, psychischen und transgenerationalen Folgen von Krieg, wie Traumatisierung, Vertreibung und Hunger.
Die Rolle von Hass, Feindbildern und kognitiver Kriegsführung.
Die historischen Wurzeln heutiger Kriegspolitik, die bis zum Ersten Weltkrieg reichen.
Die Militarisierung der Gesellschaft, die Spaltung durch Misstrauen, Ideologie und Desinformation.
Die Durchdringung ziviler Bereiche durch militärische Logik, etwa durch Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ), die das Gesundheitswesen, den Katastrophenschutz und viele andere Bereiche auf Kriegstauglichkeit trimmt.
Die gigantischen Rüstungsausgaben, moderne Waffentechnologien (Drohnen, Cyberwaffen, Biowaffen), sowie die Rolle von Rüstungsindustrie und Militäretat auf Kosten sozialer Bereiche.
Die geopolitischen Interessen, die Rolle von Rohstoffen, Finanzmärkten und die Verflechtung von Wirtschaft und Krieg.
Die Komplizenschaft von Kirchen, Medien, Wissenschaft, Stiftungen und Think Tanks bei der Rechtfertigung und Vorbereitung von Kriegen.
Die ideologische Aufrüstung in Bildung und Gesellschaft, die Heroisierung von Militär und die Verbreitung nationalistischer Narrative.
Die Rolle von NATO, transatlantischen Netzwerken, Kolonialismus, Geheimdiensten und verdeckten Strukturen.
Die globale Präsenz von US-Militärbasen und die Rolle des US-Kapitalismus als Kriegstreiber.
Und nicht zuletzt: der Zustand und die Herausforderungen der Friedensbewegung selbst.
Bauer kritisiert, dass Benjamins Zitat – so wie am Eingang des Panzermuseums Munster – aus dem Zusammenhang gerissen und verfälscht wurde. Während Benjamin davor warnte, dass gerade die Kriegstreiber ständig vom Frieden reden, wird das Zitat heute genutzt, um Kriegsvorbereitung als Friedenssicherung zu legitimieren. Sprache wird so zur Verschleierung und Rechtfertigung von Gewalt missbraucht.
Friedensbeschwörungen verhindern keine Kriege
Bauer argumentiert, dass symbolische Handlungen wie Ostermärsche, Gedenktage oder Friedensgottesdienste wirkungslos bleiben, solange sie nicht die realen Machtverhältnisse und Strukturen des Militarismus adressieren. Der militärische Gewaltapparat sei hochorganisiert und technisch überlegen und werde von der Politik mit enormen Mitteln ausgestattet. Appelle an die Regierung oder ritualisierte Protestformen seien angesichts dieser Übermacht wirkungslos und teilweise sogar satirisch.
Bauer verweist auf seine früheren Arbeiten zur Militarisierung der Gesellschaft, insbesondere auf die Rolle der Medien und von Stiftungen wie Bertelsmann bei der ideologischen Vorbereitung und Rechtfertigung von Krieg und Interventionen. Bereits 2008 wurden in sicherheitspolitischen Leitlinien militärische Eingriffe auch gegen Pandemien gefordert – eine Entwicklung, die sich in der Corona-Krise fortgesetzt habe und von Teilen der Friedensbewegung nicht kritisch reflektiert worden sei.
Die Friedensbewegung und ihre Schwächen
Bauer kritisiert, dass die Friedensbewegung sich häufig in antifaschistische Rhetorik flüchtet und dabei Gefahr läuft, sich staatlichen und militärischen Narrativen zu unterwerfen. Er verweist auf die „Friedenswinter“-Bewegung 2014/15, deren Selbstverständnis eine Vermengung von Friedens- und Antifaschismus-Rhetorik darstellte, die letztlich die Kriegsbereitschaft kaschiert habe – ähnlich wie Joschka Fischers „Nie wieder Auschwitz“-Rhetorik zur Rechtfertigung des Jugoslawien-Krieges.
Bauer fordert, im Sinne Benjamins über die Ursachen, Strukturen und Mechanismen des Krieges zu sprechen, anstatt sich auf symbolische Friedensbekundungen zu beschränken. Nur durch eine schonungslose Analyse und das Offenlegen der realen Machtverhältnisse könne eine wirksame Friedensarbeit entstehen. Die Friedensbewegung müsse sich selbstkritisch mit ihren eigenen Schwächen und Vereinnahmungen auseinandersetzen und den Krieg in all seinen Facetten thematisieren, um nicht zum Feigenblatt für Militarismus und Kriegspolitik zu werden.
Diese Zusammenfassung hält die Intention des Originals bei, indem sie die zentrale Forderung nach einer ehrlichen, umfassenden Auseinandersetzung mit Krieg und Militarismus betont und die Kritik an oberflächlichen Friedensritualen sowie an der Instrumentalisierung von Sprache und Symbolen für kriegerische Zwecke herausarbeitet.
1945 endete der 2. Weltkrieg – zugleich begannen die Nürnberger Prozesse
Vor 80 Jahren begannen in Nürnberg die Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs. Im November 2020 betonte der US-amerikanische Völkerrechtler, Historiker, Autor und zwischen 2012 bis 2018 Unabhängiger Experte des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, (21)
Prof. Dr. de Zayas, dass diese Prozesse einen Meilenstein in der Entwicklung des internationalen Strafrechts darstellten und Vorläufer späterer Ad-hoc-Tribunale wie für Jugoslawien, Ruanda oder Sierra Leone waren. Dennoch wirft de Zayas die Frage auf, ob solche Tribunale wirklich objektiv und gerecht sind oder lediglich eine Fortsetzung politischer Machtkämpfe mit juristischen Mitteln darstellen. Insbesondere kritisiert er das Konzept der „Kollektivschuld“, das sich durchgesetzt habe und sowohl von Siegern als auch Besiegten akzeptiert werde.
De Zayas kritisiert Ex-post-facto-Tribunale und plädiert für Prävention
De Zayas äußert Skepsis gegenüber der Fokussierung auf nachträgliche Straftribunale. Viel wichtiger sind für ihn die Prävention von Konflikten und die Förderung des Menschenrechts auf Frieden. Er glaubt nicht an die abschreckende Wirkung von Tribunalen, da Kriegsverbrecher selten mit einer späteren Anklage rechnen. Die Bestrafung nach dem Krieg diene oft nur dem Prinzip „Auge um Auge“, ohne wirkliche Gerechtigkeit für Opfer zu schaffen.
Die Idee, am Ende eines Krieges ein Gerichtsverfahren durchzuführen, ist eine speziell anglo-französische Erfindung, die in die Verträge von Versailles und Sèvres aufgenommen wurde. Doch am Ende des Zweiten Weltkriegs war Stalin kaum daran interessiert, Prozesse zu führen, und er schlug vor, 50 000 deutsche Politiker und Militärs zu töten und es dabei zu belassen. Churchill überzeugte ihn jedoch von den Vorteilen der Durchführung eines «richtigen» Strafprozesses, der im Londoner Abkommen vom 8. August 1945 festgeschrieben wurde, zwei Tage nach der atomaren Vernichtung von Hiroshima und einen Tag vor der Zerstörung von Nagasaki. In seinem Vortrag über die Nürnberger Prozesse an der Freien Universität Berlin (22) beleuchtet de Zayas diese Anomalien und zitiert aus dem brillanten Eröffnungsstatement des amerikanischen Staatsanwalts Robert Jackson «Wir dürfen niemals vergessen, dass nach dem geltenden Mass, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden.» (23) Und weiter: «Dieses Gesetz wird hier zwar zunächst auf deutsche Angreifer angewandt, es schliesst aber ein und verdammt, wenn es von Nutzen sein soll, notwendig den Angriff jeder anderen Nation, nicht ausgenommen die, die jetzt hier zu Gericht sitzen.» (24)
Doch tatsächlich wurden Verbrechen der Alliierten nie verfolgt; das Tribunal lehnte die sogenannte „Tu-quoque“-Verteidigung (Du auch) ab. Während die Nationalsozialisten für Deportationen verurteilt wurden, fand gleichzeitig der größte erzwungene Bevölkerungstransfer der Geschichte statt: 14 Millionen Deutsche wurden aus Osteuropa vertrieben, Millionen kamen ums Leben oder wurden Opfer von Gewalt.
De Zayas empfindet es als eine historische Ironie, dass, während die Nazis wegen des Verbrechens der «Deportation» verurteilt wurden, weil sie Polen aus ihren Häusern in Westpreussen nach Mittelpolen verjagten und Franzosen aus Elsass-Lothringen vertrieben hatten, der grösste «erzwungene Bevölkerungstransfer» (25) der Geschichte im Gange war, ein Ergebnis der Beschlüsse der Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam. Rund 14 Millionen Deutschstämmige wurden brutal aus ihrer Heimat in Ostpreussen, Pommern, Schlesien, Ostbrandenburg, Böhmen, Mähren, Ungarn, Jugoslawien vertrieben – unter den deutschen Vertriebenen gab es schätzungsweise zwei Millionen Tote.
Die Vertreibungen waren laut de Zayas rein rassistisch, da das einzige Kriterium war, Deutscher zu sein – nicht einmal, ob man ein Nazi war. Auch deutsche Juden wurden ausgewiesen und total enteignet. Diese Vertreibungen schildert de Zayas in seinem Buch «Nemesis at Potsdam» (26). Es wird geschätzt, dass 600.000 deutsche Zivilisten in Hunderten von Städten und Dörfern bei Flächenbombardierungen durch anglo-amerikanische Flugzeuge starben; mindestens vier Millionen deutsche Frauen wurden von sowjetischen, französischen, amerikanischen und britischen Streitkräften vergewaltigt. Zwei Millionen Zivilisten wurden in Russland zur Zwangsarbeit verschleppt, was die Konferenz von Jalta als «Reparationen in Naturalien» deklarierte. Die Sowjets richteten 1940 auf Befehl von Kriegsmarschall Stalin mehrere Tausend polnische Offiziere in Katyn hin – all dies in völliger Straflosigkeit.
Im Lauf der Geschichte hat das Prinzip "Vae victis" – Wehe den Besiegten – verschiedene Formen angenommen. Vercingetorix, der Führer der Gallier, wurde von Julius Cäsar besiegt, nach Rom gebracht, eingekerkert, öffentlich gedemütigt und erwürgt. Viele Kriege wurden von enormen Massakern begleitet und mit ihnen beendet, Beispiel sind die Zerstörungsorgien von Dschingis Khan in China, Persien, Russland. Timur (Tamerlane) massakrierte Millionen in Indien, Persien, Syrien, Aserbaidschan. Die Briten massakrierten viele in Indien und China, besonders während und nach den Opium-Kriegen.
Nürnberger Prinzipien und ihre selektive Anwendung
Die Vereinten Nationen übernahmen 1950 die Nürnberger Prinzipien ins Völkerrecht. Sie sind heute Teil der internationalen Rechtsdoktrin und werden in der Theorie gelehrt, in der Praxis aber selektiv angewendet – meist gegen besiegte Feinde oder gestürzte Machthaber. Die Prinzipien haben weder Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit noch Völkermord verhindert. Positiv bleibt immerhin, dass das Prinzip der individuellen Schuld (statt Kollektivschuld) etabliert wurde.
Kultur der Straflosigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg
De Zayas stellt fest, dass zahlreiche Staaten seit 1945 gegen die Nürnberger Prinzipien verstoßen haben, ohne Konsequenzen zu fürchten. Beispiele sind Chinas Einmarsch in Tibet, die sowjetischen Interventionen in Ungarn und der Tschechoslowakei, Israels Angriffe auf Nachbarstaaten und die Besetzung Palästinas, die türkische Besetzung Nordzyperns, Massaker an Kurden, der Angriff auf Bergkarabach durch Aserbaidschan, der Völkermord in Biafra, Verbrechen in Sri Lanka und Indien sowie zahlreiche US-Kriege/"Interventionen" (Vietnam, Grenada, Panama, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, Ukraine). All diese Taten blieben weitgehend ungesühnt, was laut de Zayas eine Kultur der Gewalt und Straflosigkeit gefördert habe. Er bedauert, dass die Nürnberger Prinzipien die Begehung von Verbrechen der Aggression, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit und Völkermord seit 1950 nicht verhindert habe. Trotzdem kann de Zayas Nürnberg etwas Positives abgewinnen: “als ethische Entwicklung des Völkerrechts, dass es nach dem Nürnberger Prozess eine persönliche Haftung für Verbrechen geben sollte, eben keine Kollektivschuld, sondern eine individuelle Schuld von Menschen wie Goering, Frank und Keitel – in unseren Tagen für Menschen wie George W. Bush, Tony Blair, Donald Rumsfeld, Nicholas Sarkozy (wegen Libyen!).“ (27)
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) und seine Grenzen
Mit dem Römer Statut und der Gründung des IStGH verbanden viele die Hoffnung auf eine konsequente Umsetzung der Nürnberger Prinzipien. De Zayas war jedoch stets skeptisch und sieht den IStGH als Werkzeug der Mächtigen gegen die Schwachen. Bisher wurden fast ausschließlich Afrikaner angeklagt, während westliche Politiker und Militärs für ihre Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen nicht belangt wurden. Auch aktuelle Verbrechen – etwa an den Jesiden, im Jemen, in Kaschmir oder Palästina – werden nicht verfolgt. Glaubwürdigkeit könne der IStGH nur erlangen, wenn er alle Staaten und deren Verantwortliche gleichbehandelt.
Voraussetzungen für eine gerechte internationale Strafverfolgung
Für eine universelle Anwendung des Völkerrechts bedarf es laut de Zayas mehr als Verträge oder Gerichte: Entscheidend seien der politische Wille der Regierungen, die Ehrlichkeit der Politiker, eine gebildete und engagierte Zivilgesellschaft sowie verantwortungsbewusste Medien. Trotz Protesten und Aufklärung durch Intellektuelle wie Noam Chomsky oder Jeffrey Sachs bleibt die Stimme der Zivilgesellschaft oft folgenlos. Die Grundregel „Macht geht vor Recht“ gilt weiterhin, wie schon Thukydides im Melianischen Dialog feststellte: „Die Starken tun, was sie wollen, und die Schwachen leiden, was sie müssen.“
Fazit und Ausblick
De Zayas zieht das ernüchternde Fazit, dass sich die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg und den Nürnberger Prozessen in Bezug auf die Durchsetzung des Völkerrechts kaum weiterentwickelt hat. Die Hoffnung auf eine gerechte, auf Regeln basierende internationale Ordnung bleibt bestehen, doch solange Machtinteressen dominieren, bleibt sie unerfüllt. Die Trommeln des Krieges werden nur dann verstummen, wenn echte Prävention, Gleichbehandlung und der Wille zur Aufarbeitung aller Verbrechen – unabhängig von der politischen Machtstellung der Täter – zur Norm werden.
Das Interview kritisiert die selektive Anwendung des internationalen Strafrechts und fordert eine konsequente, universelle Durchsetzung der Gerechtigkeit. Es plädiert für Prävention statt nachträglicher Bestrafung, individuelle Verantwortung statt Kollektivschuld und eine Stärkung der Zivilgesellschaft, um die „Trommeln des Krieges“ wirklich zum Schweigen zu bringen.
US-Außenministerium im Disput mit dem deutschen Außenministerium (Außenamt)
Nach der Wahl von Friedrich Merz am 6. Mai 2025 im zweiten Wahlgang zum Bundeskanzler werden die Trommeln vermutlich noch lauter schlagen. Wenige Tage zuvor hatte die Verkündung des Außen-Amtes, die AfD sei "gesichert rechtsextrem", einen Disput zwischen US-Außenminister Marco Rubio und dem Auswärtigen Amt in Berlin ausgelöst; Rubio äußerte sich spöttisch, insbesondere wegen der Behauptung des AM, das Bundesamt für Verfassungsschutz sei unabhängig, obwohl es dem Bundesinnenministerium unterstellt ist und damit Weisungen von dort unterliegt, im konkreten Fall also jenen der noch im Amt befindlichen Innenministerin Nancy Faeser. (28) Der stellvertretende US-Außenminister, promovierte Jurist und Experte für Lateinamerika, Christopher Landau, bemühte in seiner Antwort zur Überraschung die gemeinsame Geschichte. Landaus Vater war US-Botschafter in Paraguay, Chile und Venezuela und in der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump US-Botschafter in Mexiko; er gilt als einer der engsten außenpolitischen Berater von Donald Trump. Landaus Vater musste nach dem Anschluss 1938 aus seiner Geburtsstadt Wien fliehen; er wurde amerikanischer Bürger und kämpfte stolz in der US-Armee für die Befreiung Europas. So fiel die Antwort Landaus sehr persönlich aus:
„Wenn ich für mich selbst spreche, können Worte nicht einmal ansatzweise den Zorn und den Groll ausdrücken, den ich empfinde, wenn ein offizielles Konto der DEUTSCHEN Regierung vorgibt, den US-Außenminister über die Notwendigkeit zu belehren, die politische Opposition auszuspionieren und zu zensieren. Und nein, Deutschland, du kannst dich nicht hinter selbstgefälligen Hinweisen darauf, was du von "deiner" Geschichte gelernt hast, verstecken. Wie du dich vielleicht erinnerst, ist es auch "unsere" Geschichte, weil wir eine ziemlich wichtige Rolle dabei spielten, gerade dieses Kapitel deiner Geschichte zu beenden. Und es ist auch "meine" Geschichte, da mein eigener Vater nicht wegen ZU VIEL freier Rede geflohen war; er floh, weil jene, die daran glaubten, ihre politischen Gegner auszuspionieren und zu zensieren, die Macht hatten. Du magst dich entscheiden, deine eigenen Bürger als "Rechtsextreme" zu brandmarken und sie zum Schweigen zu bringen oder zu inhaftieren, weil sie, beispielsweise, gegen offene Grenzen sind. Aber bitte erspare uns das Moralisieren.“ (29)
Die Antwort des AA steht noch aus.
Ob Vizeaußenminister Landau die dunklen Seiten der USA hinreichend kennt?
Österreich-Ungarn hatte nach dem Terroranschlag einige Terroristen gefangen nehmen und deren Spur nach Belgrad verfolgen können. Es folgte ein Ultimatum, in dem die Beteiligung von österreichisch-ungarischen Ermittlungsbeamten an der Untersuchung gefordert wurde. Das wurde entschieden abgelehnt, und Österreich-Ungarn erklärte daraufhin nach 30 Tagen Serbien den Krieg. Im Vergleich dazu hatten die USA nicht einen einzigen Täter aus Afghanistan vorzuweisen, die USA stellten Afghanistan kein Ultimatum, erklärten auch nicht den Krieg, sondern griffen nur 27 Tage nach 9/11 Afghanistan an. Nach 21 Jahren Krieg mussten die USA Afghanistan fluchtartig verlassen und hinterließen nur verbrannte Erde. In diesem geschichtlichen Vergleich kommen die USA, die sich seit 1776 als eine beispielhafte Demokratie sehen, nicht sonderlich gut weg.
Es scheint zwar ausgeschlossen, dass Landau diese Zusammenhänge bekannt sind, doch seine persönliche Geschichte lässt auf eine menschenfreundlichere Politik hoffen.
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
„Schwarzbuch EU & NATO“ (2020)
sowie
"Die unterschätzte Macht" (2022)
Anmerkungen und Quellen
Wolfgang Effenberger
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) erhielt dieses Jahr an Fronleichnam den Karlspreis –Namensgeber ist Kaiser Karl der Große (742-814). Napoleon und Hitler haben sich als dessen Erben betrachtet.
Ungeachtet dessen sehen heute viele in dem seit 1950 verliehenen Preis die wichtigste Auszeichnung für Verdienste um die europäische Einigung.
„Als "starke Stimme Europas in der Welt" wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Karlspreis 2025 ausgezeichnet“, so die Begründung des Karlspreis-Direktoriums. In einer Zeit epochaler Herausforderungen, in der die Europäische Union von außen durch den Aggressionskrieg Russlands und von innen durch Rassisten und Demagogen bedroht werde, nehme Frau von der Leyen die „Interessen Europas kraftvoll wahr.“ Als besondere Leistungen nannte das Direktorium die Eindämmung der Corona-Pandemie, „das geschlossene und entschiedene Auftreten gegen Russland und die Impulse zum "Green Deal", mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will.“
Der Karls-Preis und seine Verknüpfungen mit Europa-Ideen und -konzepten
Der vor 1225 Jahren von Papst Leo III. gekrönte Herrscher Karl ist ein fragwürdiges Vorbild. Nach dem Untergang des Römischen Reiches wurde Karl nach seiner Krönung als erster Nachfolger der römischen Kaiser und als Herrscher des Abendlandes gefeiert. Ihm zu Ehren wird alljährlich an Fronleichnam der nach ihm benannte Preis an verdiente Förderer der Europäischen Union verliehen. In seiner Dankesrede betonte Bundespräsident Roman Herzog im Jahr 1997: »Seit mehr als tausend Jahren ist es die Schicksalsfrage unseres Kontinents, ob er in Einheit oder in Zerrissenheit leben will, Karl der Große, dessen Namen unser Preis trägt, hat darauf seine Antwort gegeben: Die erste Einigung Europas.«
Bei dieser »Einigung« hatte der mächtige Herrscher des frühen Mittelalters mit Hilfe der Kirche Roms die Umrisse des heutigen Europas vor allem durch brutale und trickreiche Vernichtungsfeldzüge geschaffen. Der Allianz strebte zwar vordergründig die Christianisierung an – die auf äußerst blutige Weise durchgesetzt wurde –, tatsächlich aber ging es um Geld, Macht und Einfluss.
Reich Karls des Großen (Wolfgang Effenberger c)
Die Idee des Karlspreises wurde am 19. Dezember 1949 aus der Aachener Bürgerschaft heraus von Kurt Pfeiffer geboren. Der Karlspreis sollte in die Zukunft wirken mit einer Verpflichtung von höchstem ethischem Gehalt. Er ziele »auf freiwilligen Zusammenschluss der europäischen Völker, um in neu gewonnener Stärke die höchsten irdischen Güter – Freiheit, Menschlichkeit und Frieden – zu verteidigen, den unterdrückten und Not leidenden Völkern wirksam zu helfen und die Zukunft der Kinder und Enkel zu sichern«. Diese hehren Ansprüche sollen hier im Hinblick auf die Preisträger, auf die Umsetzung der angestrebten Ziele sowie die Eignung des Namensgebers untersucht werden.
Mogelpackung Karlspreis: Es geht ausschließlich um die Stärkung der Vorherrschaft Europas
Erst im Zeitalter Napoleons nahmen die Vorstellungen von Europa Kontur an. Nachdem er die Lombardei erobert hatte, glaubte er sich in der Tradition Karls: »Je suis Charlemagne« – »Ich bin Karl der Große.« Selbst im Dritten Reich erfuhr Karl Anerkennung. In seinen Tischgesprächen im Führerhauptquartier bat Hitler seinen Chefideologen Alfred Rosenberg, »einen Heroen wie Karl den Großen nicht als Karl den Sachsenschlächter zu bezeichnen. Geschichte müsse immer aus ihrer Zeit heraus verstanden werden«Für ihn war Karl der erste Einiger aller germanischen Stämme und der erste Schöpfer eines »vereinigten Europas«. Karl gelangte nun zu der fragwürdigen Ehre, Namensgeber für die 1. Französische SS-Waffen-Grenadierdivision »Charlemagne« zu werden. Hitler stiftete für Angehörige dieser Division vorzugsweise einen Platzteller aus Sèvres-Porzellan. Das Dekor zeigte die bekannte Reiterstatuette Karls aus dem Louvre mit der lateinischen Inschrift: »Das Reich Karls des Großen / das seine Enkel teilten / im Jahr 843 / verteidigt Adolph Hitler / gemeinsam mit allen Völkern Europas / im Jahr 1943.«
Die Nationalsozialisten identifizierten Karls Politik mit der germanozentrischen Neuordnung Europas und verglichen seinen Feldzug gegen die »hunnischen« Awaren mit ihrem Vernichtungskrieg im Osten.
Am 26. Februar 2008, im Vorfeld des sich abzeichnenden Lissabon-Vertrags, veröffentlichte der britische Wirtschaftswissenschaftler, Publizist und Politiker Rodney Atkinson die Abhandlung »Die Totalitaristen, die die Europäische Union gegründet haben, und ihr bevorstehender Triumph«. Atkinson beunruhigte die Tatsache, »dass so viele der Gründer der Europäischen Union in den 1950er-Jahren eine führende Rolle bei dem gewaltsamen Versuch der Schaffung einer Europäischen Union in den 1930er- und 1940er-Jahren gespielt haben. Führende Persönlichkeiten wie Walter Hallstein, Walther Funk, Alfred Toepfer, Paul-Henri Spaak und Hans Josef Globke waren sowohl aktive Unterstützer des europäischen Faschismus in den 1940er-Jahren als auch kritische Förderer der Europäischen Union in den 1950er-Jahren. Die Frage ist, würden die meisten Menschen ihre demokratische Souveränität an eine von solchen Personen gegründete supranationale Macht abgeben wollen? Denn genau das ist dem britischen Volk passiert, als es sich die Zwangsjacke der europäischen Verfassungsmacht um den Hals gelegt hat.«
Hallstein und Hitler
Demoplakat am 9. Mai 2025 im Treptower Park (Wolfgang Effenberger)
Nach Atkinson waren es Nationalsozialisten, die den Karlspreis auf den Weg brachten und in deren Geist die Europäische Gemeinschaft entwickelt wurde. Dazu gehöre die Zerschlagung der Tschechoslowakei und Jugoslawiens in den 1990er-Jahren. Sie wurde ermöglicht durch eine »sorgfältige Strukturierung des supranationalen Rechts der ›Europäischen Union‹ (unter Umgehung der Parlamente), die Annahme einer ›europäischen Staatsbürgerschaft‹ (unter Umgehung der Nationalstaaten), den Regionalismus (unter Umgehung demokratischer Regierungen in den Hauptstädten), eine zentrale Bürokratie und einen ›Europäischen Gerichtshof‹ (eine nicht parlamentarische bürokratische Kontrolle anstelle demokratischer Rechenschaftspflicht) sowie die Förderung ethnischer Gruppen als Rammbock, um die Homogenität der Nationalstaaten zu zerstören.«So wunderte es ihn nicht, dass laut einer Meldung von Newsweek am 6. Juni 1997 die deutschen Truppen, die nach dem Zerfall Jugoslawiens 1997 in Bosnien einmarschierten, mit »Sieg Heil«-Rufen begrüßt wurden. Mit dem Satz »Wir leben in sehr gefährlichen Zeiten«, endet Atkinsons Artikel
Auch die Auswahl der Preisträger wurde kritisiert: Der Preis gehe fast nur an konservative Politiker.
Zu den ersten Preisträgern des Karlspreises gehörten Bundeskanzler Konrad Adenauer (1954), der nach 1945 von den Alliierten gezielt als Hoffnungsträger in Deutschland aufgebaut wurde, weil er angeblich ein Gegner der Nationalsozialisten war – er stand unter Beobachtung des Regimes; ein konsequenter Antifaschist war er jedenfalls nicht. Einer der engsten Mitarbeiter wurde Hans Globke , der im Reichsinnenministerium an der Ausarbeitung und Kommentierung der Nürnberger Rassengesetze mitgewirkt hat und somit in die NS-Rassenpolitik involviert war. Trotzdem durfte er eine zentrale Rolle im Kanzleramt spielen, kontrollierte den Verfassungsschutz, organisierte die Wiederaufrüstung und war maßgeblich an den Wiedergutmachungsverhandlungen mit Israel beteiligt.
Ein weiterer wichtiger und NS-Belasteter Mitarbeiter Adenauers war Walter Hallstein. Vom 21. bis 25. Juni 1938 vertrat Hallstein NS-Deutschland auf dem ersten Treffen der „Arbeitsgemeinschaft für deutsch-italienische Rechtsbeziehungen“ in Rom. Dort unterschrieb er 19 Jahre später mit Adenauer die Römischen Verträge. Hallstein prägte mit seiner nach ihm benannten Doktrin die Außenpolitik der Bundesrepublik in den 1950er und 1960er Jahren; damals wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Staaten, die die DDR anerkannten, als unfreundlicher Akt betrachtet. 1961 erhielt Hallstein den Karlspreis.
Die Vergabe an den sozialdemokratischen Bundeskanzler (und Friedensnobelpreisträger!) Willy Brandt war seinerzeit in der Jury nicht durchsetzbar. Sein Nachfolger im Amt, der 2015 verstorbene Helmut Schmidt, wurde ebenfalls als Preisträger übergangen. Dagegen erhielten – bis auf die kurzzeitig regierenden Kanzler Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger – alle christdemokratischen Bundeskanzler den Karlspreis. Auch einer der größten wahren Europäer, der Frankreich aus der NATO zurückzog und für ein »Europa der Vaterländer« eintrat, Charles de Gaulle, wurde vom Aachener Direktorium nicht als würdig empfunden. Das ist angesichts der Lebensleistung De Gaulles geradezu eine Unverschämtheit. Ihm ist zusammen mit dem ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer die deutsch- französische Aussöhnung gelungen, die Gustav Stresemann und sein damaliger französischer Kollege Aristide Briand nicht erreicht hatten.
Häufig wurden die Verleihungen von Demonstrationen begleitet. 1984 richteten sie sich gegen die Vergabe an Bundespräsident Karl Carstens wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP. 1987 wurde Henry Kissinger dessen Verstrickung in die Ausweitung des Vietnamkriegs und in den Putsch gegen die Regierung Chiles unter Salvador Allende zum Stolperstein. Aus Protest gegen die Preisvergabe an ihn traten die Stadträte von SPD und Grünen aus dem Direktorium des Karlspreises aus. Auch in der Verleihung an Jean-Claude Juncker 2006 sahen Kritiker eine Diskrepanz zum Anspruch des Karlspreises, verdiente Europäer zu würdigen. Sie verwiesen dabei auf die Luxemburg-Leaks. Juncker hatte lange die Steueroase Luxemburg regiert: »Der oberste Steuerhinterziehungsbeihelfer wird EU-Kommissionspräsident!«Sein langjähriger Protegé Martin Schulz geriet im Zuge der Aufarbeitung im EU-Parlament ebenfalls in die Kritik.
Das Mittelalter wurde geprägt durch die Konkurrenz zwischen dem deutsch- römischen Kaiser im Westen und dem byzantinischen Kaiser in Konstantinopel im Osten – die Ursache für die später weiter vertiefte Spaltung in ein westliches und ein östliches Europa. Die europäischen Nationen (besonders Spanien, Portugal, die Niederlande, Frankreich und das Vereinigte Königreich) haben seit dem 15. Jahrhundert mit Feuer und Schwert koloniale Imperien auf allen anderen Kontinenten aufgebaut und diese somit am meisten beeinflusst, z. B. durch Missionierung, Kolonien, Warenaustausch und Kultur, Sklavenhandel und Völkermord. Vor diesem Hintergrund ist es gerade bei fünf Würdenträgern mehr als unverständlich, dass das Wort Frieden auftaucht: bei Henry Kissinger, Tony Blair, Bill Clinton, Papst Johannes Paul II. und Javier Solana de Madariaga.
Solana erhielt den Karlspreis für »Frieden in Europa – Frieden in der Welt«. Am 30. November 1995 wurde er NATO-Generalsekretär und begann sogleich, die Befugnisse seines Amtes auszubauen. Das wirkte sich besonders auf militärische Entscheidungen bezüglich des Jugoslawien-Konflikts aus. Am 30. Januar 1999 wurden ihm die Alleinentscheidungsbefugnisse über alle weiteren Balkaneinsätze der NATO übertragen. Er erteilte am 23. März 1999 den Befehl, Luftangriffe gegen jugoslawische Ziele zu fliegen, ohne dass ein UN- Mandat vorlag. Am 24. März begann der völkerrechtswidrige Krieg, den Bill Clinton (»Partnerschaft für Freiheit, Demokratie und Frieden«) und Tony Blair (»Frieden und Zusammenwachsen in Europa«) mit zu verantworten hatten. Bei Blair kommt noch die Teilnahme an den illegalen Kriegen gegen Afghanistan (2001) und den Irak (2003) hinzu.
Es ist schon merkwürdig, dass die eben genannten Preisträger Kritik an der Kriegspolitik der USA als rechte Verschwörungstheorie brandmarken, während große Teile der Linken voll auf NATO-Kurs sind – da sieht man, was Propaganda vermag.
Bevor eine linke Bewegung sich dem Neustart von an den Verhältnissen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts orientierten Gewerkschaften und Arbeiterbewegungen widmet, zündelt das Kapital schon mal vorsichtshalber und finanziert Faschisten. Aber keine banalen Faschisten-Parteien, man hat ja dazugelernt. Erfolgreich werden nun linke Bewegungen unterwandert. Die Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM) in Deutschland will genau das, was Tony Blairs »New Labour« wollte. Das mag zunächst verwirren. Die pseudolinke Regierungspolitik in Deutschland wird durch überzogene »Political Correctness« und Migrationspolitik, gepaart mit bis an die Grenze gehenden wirtschaftsliberalen Arbeits- und Vermögensrechten, als Reaktion einen Rechtsruck erzeugen. Der wird dann dem Kapital ideale Voraussetzungen für einen globalen rechten Richtungswechsel schaffen. In der Coronakrise ist weltweit der Ruf nach autoritären Regierungen stärker geworden. Die Unterwanderung linker Bewegungen und ein flankierender Neoliberalismus sind in der Geschichte neu. Geniales Instrument für den Schulterschluss von linken Idealen und neoliberaler Politik ist der sogenannte »Kampf gegen Rechts«, mit dem man kritische Kräfte pauschal als »rechtspopulistisch« diffamieren kann.
Dieser Zusammenhang ist für linke oder liberale Idealisten schwer durchschaubar; daher sind sie gern bereit, die Aufklärer als »Verschwörungstheoretiker« abzutun. Dazu der vertrauenswürdige Kronzeuge Warren Buffett: »Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.«Es ist bitter, dabei zuschauen zu müssen, wie solche menschenverachtenden Planspiele mal wieder aufgehen, zumal alle Organisationen der öffentlichen Meinung längst auf der Klaviatur von Warren Buffets kriegführender Klasse spielen.
Dass vonseiten der Partei Die Linke der Schulterschluss mit der NATO propagiert wird, die in der Partei immer umstritten war, passt ins Bild. Am 1. September, dem Weltfriedenstag, brachte die junge welt auf der Titelseite eine provozierende, Die Linke spaltende Fotomontage . Bisher hatte sich Die Linke kaum mit friedenspolitischen Forderungen hervorgetan. Die Grünen haben ohnehin seit 1999 allen illegalen Kriegen der USA zugestimmt, und so steht einer Koalition nichts entgegen. Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken, versucht nun, dem heiklen Thema NATO – deren Akzeptanz für einen Eintritt in die Regierung notwendig ist – für den NATO-kritischen Flügel die Sprengkraft zu nehmen. Dort gibt es einige, welche die NATO gern durch eine »andere Struktur« ersetzt sehen würden. Gysi verweist darauf, dass die Partei »nie den Austritt Deutschlands aus der NATO gefordert« habe und erklärt zudem, dass das Thema NATO für Koalitionsverhandlungen »nicht so wahnsinnig dramatisch« sei. Auch bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr könne man sich übrigens »verständigen«.
Inzwischen tritt Gregor Gysi mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der Sendung „Gysi gegen Guttenberg“ in einem Talk-Format auf, bei dem häufig die sachliche Tiefe fehlt. Es ist reduziert auf starke Vereinfachung und pointierten Schlagabtausch, bietet unterhaltsame und kontroverse Debatten; Erwartungen an Hintergrundwissen und Professionalität bleiben allerdings unerfüllt. So wurde bisher das konkrete, am 16. Februar 2024 unterzeichnete bilaterale Sicherheitsabkommen zwischen Deutschland und der Ukraine nicht explizit als eigenständiges Thema behandelt, sondern eher im Kontext allgemeiner Sicherheitszusagen und Verteidigungspolitik angesprochen. Globale Sicherheitskonzepte wurden nur ganz allgemein, nicht anhand oder mit expliziter Erklärung des für die gesamte Welt bedeutenden US-Strategiepapiers TRADOC 525-3-1 „Win in a Complex World“ thematisiert. Bei der geplanten Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026 ging es vor allem um Marschflugkörper vom Typ Tomahawk und Flugabwehrraketen, die für Russland hochgefährlichen Hyperschallraketen vom Typ Dark Eagle wurden nicht erwähnt.
Guttenberg erhält durch das Format eine Bühne, um sich öffentlich zu präsentieren und zu positionieren – ebenso wie Gregor Gysi. Soll Guttenberg wieder „hoffähig“ gemacht werden? Der ehemalige Verteidigungsminister als künftiger Kriegskanzler? Eine Debatte über die Kriegsgefahr ohne Erwähnung wichtiger Strategie-Papiere oder der geplanten Dark-Eagle-Aufstellung verharmlost in sträflicher Weise den Anteil des Westens an einer weiteren Eskalation und ist anscheinend nur dazu gedacht, dem allgemeinen Publikum die Rüstungsanstrengungen und Gysi/Guttenberg als künftige Mandatsträger schmackhaft zu machen.
Nachdem CDU, SPD und Grüne mit der Wahl am 23. Februar ihre 2/3-Mehrheit verloren hatten, wurde kurzerhand der abgewählte Bundestag von der alten Bundestagspräsidentin einberufen, um vor der Konstituierung des neuen Bundestags noch eine Grundgesetzänderung zur Aushebelung der Schuldenbremse und Bewilligung von Kriegskrediten („Sondervermögen“) durchzudrücken. Dagegen klagte DIE LINKE beim Bundes-Verfassungsgericht, welches den Eilantrag mit der Begründung ablehnte: Die Abgeordneten des neuen Bundestags könnten sich selber konstituieren und damit das Ansinnen der drei Fraktionen vereiteln. Das hätte Gysi als Alterspräsident des neuen Bundestags problemlos umsetzen können. Warum hat er es nicht getan?
Das alle Ebenen durchdringende Beschwören der Kriegstüchtigkeit trieb am 13. Mai 2025 eine besondere Blüte, als im ARD-Talk von Sandra Maischberger Linken-Co-Chef Jan van Aken erklärte, dass er Rheinmetall-Aktien habe. (15)
In diesem Sinn müssen auch die Hintergrund-Kräfte des perfekt orchestrierten und promoteten EuropeanPeaceProject-Aufrufs (16) der sichtbaren Drei – Ulrike Guérot, Linken-Politikerin Isabelle Casel und Journalist Peter van Stigt ausgeleuchtet werden, der auch an die Strategie der COMPACT-Macher erinnert.
Im Aufruf wird die "Emanzipation Europas von den USA" (nicht von der NATO! Warum nicht?) gefordert. Tiefe geschichtliche Zusammenhänge müssen in solch einem "performativen Sprechakt-Manifest " sicherlich nicht ausgebreitet werden. Es sollte bei diesem europaweiten Aufruf letztlich um eine tragfähige Zukunft Europas in Frieden und Freiheit gehen. Die ist aber nur möglich auf dem Fundament der Wahrheit. Da ist es sehr wohl relevant, welche Personen eine solche Initiative führen und welches politische Programm hinter ihnen steht –und wie ihre Nähe zu anderen, zweifelhaften Akteuren ist. Ulrike Guérot z.B. wurde 2006 vom kriminellen Spekulanten George Soros – an der Oberfläche ein Philanthrop – als Gründungsdirektorin des European Council on Foreign Relations (ECFR) eingestellt. Ihre Arbeit im Umfeld von Soros und im ECFR kann ihr nicht vorgehalten werden. Aber leider hat sie sich bis heute nicht klar distanziert. Im Gegenteil! In ihrem vor drei Jahren mit Flavio von Witzleben geführten Interview erwähnt sie ihre Einladungen zu Soros´ Geburtstag sowie die Einladung zur Hochzeit von Soros-Sohn Alexander (zusammen mit Joschka Fischer). Zum Abschluss drückt sie ihr Bedauern aus, dass es nicht mehr linke Milliardäre wie Soros gibt. Ebenso wie Soros tritt Frau Ulrike Guérot für die Abschaffung der Nationen in Europa ein – sie möchte dagegen umfassende Autonomie. Dabei ist die Idee von souveränen Staaten älter als Europa.
Auch kann es nach Kant Rechtstaatlichkeit nur unter souveränen Staaten geben. In Offenen Gesellschaften ist der Zugriff aufs Tafelsilber einfacher (Wer würde die Haus- oder Wohnungstür offenlassen?)
Der Karlspreis wurde bisher immer an Repräsentanten der Soros-Agenda verliehen und nicht an die Befürworter souveräner europäischer Staaten wie z.B. Charles de Gaulle.
Erhöhte Aufmerksamkeit ist immer geboten bei Wörtern wie Frieden, Koalition und bedingungs-/alternativlos: sie klingen edel, sind aber oft Verpackung für Machtspielchen.
Die Kritik am Karlspreis ist so alt wie der Preis selbst. Mit Bezug auf einen Bericht des US-Nachrichtenoffiziers Saul Kussiel Padover wurde die Idee des Karlspreises wegen der Mitgliedschaft Pfeiffers in der NSDAP und fünf weiteren NS-Organisationen sowie den ebenfalls NS-belasteten Mitgliedern des ersten Karlspreisdirektoriums, Oberstadtdirektor und Bürgermeister Albert Servais und Hochschulprofessor Peter Mennicken, infrage gestellt. (17) Zusätzlich wurde der Preis als vermeintliche und nicht angebrachte »Mystifizierung« Karls des Großen, seiner Politik und seines Reichs interpretiert.
Ursula von der Leyen als qualifizierter CEO der europäischen Militärpolitik und ihre Verstrickungen mit der Finanzelite
Während ihrer Amtszeit als Bundesministerin der Verteidigung (2013 bis 2019) betrieb Ursula von der Leyen eine besonders offensive, auf Aufrüstung und internationale Militärinterventionen ausgerichtete Politik: Harmonisierung von Planung, Beschaffung und Einsatzfähigkeit europäischer Streitkräfte.
Der Militärhaushalt stieg um rund ein Drittel, von 32 auf etwa 43 Milliarden Euro. (18)
Daneben setzte sie sich für die Verlängerung des Bundeswehr-Mandats in Afghanistan ein und betonte, dass Deutschland „zu seiner Verantwortung“ stehe. Auch die Militäreinsätze in Syrien und im Irak sollten nach ihrem Willen fortgesetzt werden, um den IS zu bekämpfen und die „Stabilisierung“ der Region zu unterstützen. (19)
Das Gegenteil war der Fall: erhebliche Zerstörungen und viele zivile Opfer!
Auch innerhalb der Bundeswehr und der Politik gab es Unzufriedenheit mit ihrem Führungsstil und ihrer Prioritätensetzung, etwa im Zusammenhang mit der Berateraffäre und der mangelhaften Verbesserung der Ausrüstungslage. (20)
Ihre Linie als Verteidigungsministerin wurde von vielen als kriegstreiberisch kritisiert, da sie auf verstärkte militärische Präsenz und Interventionen setzte, anstatt auf Konfliktprävention und Abrüstung. (21)
Ursula von der Leyen hat als deutsche Verteidigungsministerin mehrfach NATO-Manöver in Polen besucht. Besonders hervorzuheben ist ihr Besuch beim Manöver „Noble Jump“ im Juni 2015 in Żagań, das den ersten großen Test der neu geschaffenen schnellen NATO-Eingreiftruppe („Speerspitze“) darstellte. (22) Von der Leyen stellte sich dabei vor ihre Bundeswehr-Truppen und betonte die Bedeutung der Stationierung schwerer Waffen in Osteuropa als „angemessene defensive Maßnahme“ und Zeichen der Solidarität mit den östlichen NATO-Partnern wie Polen und den baltischen Staaten. (23)
Sie unterstützte ausdrücklich die Pläne, schweres US-Kriegsgerät in der Region zu stationieren, und versicherte den baltischen Staaten und Polen die Bündnissolidarität Deutschlands entsprechend Artikel 5 des NATO-Vertrags. (24) Ihr Auftritt bei diesen Manövern wurde als klares Signal an Russland und als Bestätigung der deutschen Unterstützung für die kollektive Verteidigung im Bündnis gewertet.
Die Berateraffäre im Verteidigungsministerium ist eng mit dem Namen von der Leyen verbunden. Zugunsten bestimmter Beraterfirmen wurden am Beschaffungsamt an der internen Kontrolle des Ministeriums vorbei, das eigentlich für die Prüfung und Umsetzung von Verträgen zuständig ist, Entscheidungsprozesse eingeleitet, was die Transparenz stark einschränkte. (25)
So hatten externe Berater in ungewöhnlichem Ausmaß Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung von Projekten und sogar auf die Leistungsbeschreibungen, die eigentlich von Ministeriumsreferaten erstellt werden sollten. Damit bestimmten sie mit, welche Leistungen überhaupt eingekauft wurden. (26)
Der Bundesrechnungshof stellte grobe Verstöße gegen das Vergaberecht und eklatante Mängel bei der Auftragsvergabe fest. Die Kontrolle über die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Beratereinsätze war unzureichend. (27)
Das hatte zur Folge, dass Entscheidungswege im Verteidigungsministerium intransparent, teilweise rechtswidrig und von persönlichen Interessen beeinflusst wurden. Die Affäre offenbarte erhebliche Schwächen bei Compliance, Kontrolle und Vergabepraxis und führte zu einer nachhaltigen Erschütterung des Vertrauens in die Führungsstrukturen des Ministeriums. (28)
EU stärkt seit 2017 (5 Jahre vor dem russischen Einmarsch) Kriegsführungsfähigkeiten
Drei Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Maidan-Putsch und der im September 2014 von den USA verabschiedeten Langzeitstrategie „Win in a Complex World 2020-2040“ verabschiedete die EU das PESCO-Abkommen (Permanent Structured Cooperation, auf Deutsch: Ständige Strukturierte Zusammenarbeit), für eine vertiefte militärische Zusammenarbeit zwischen den teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten, eine bessere Interoperabilität der Streitkräfte und gemeinsame Rüstungsprojekte sowie Ausbau gemeinsamer militärische Infrastruktur. (29)
Zur Kriegsvorbereitung und Rüstung verpflichtet PESCO die teilnehmenden Staaten, ihre Verteidigungsfähigkeiten kontinuierlich weiterzuentwickeln, insbesondere durch die Teilnahme an multinationalen und europäischen Rüstungsprogrammen. (30)
Es gibt konkrete Vorgaben, den Verteidigungshaushalt regelmäßig zu erhöhen und mittelfristig die Rüstungsausgaben auf 20 % des Verteidigungshaushalts anzuheben. Die Projekte umfassen unter anderem Drohnentechnologie, Cyberabwehr, medizinische Versorgung, Logistik und die Verbesserung der militärischen Mobilität innerhalb Europas. Dazu werden Netze von Logistik-Drehkreuzen, gemeinsame Ausbildungszentren und Sanitätskommandos aufgebaut. Ursula von der Leyen war als deutsche Verteidigungsministerin eine der zentralen Befürworterinnen von PESCO und hat die Gründung als „großen Tag für Europa“ bezeichnet. (31)
In ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang 2019 betonte sie, dass Deutschland und Europa sich in einer neuen Ära der Großmachtkonkurrenz befänden und nicht neutral bleiben könnten. Sie forderte eine eigenständigere europäische Verteidigungspolitik, die es Berlin und Brüssel ermöglichen solle, in künftigen Großmachtkonflikten eine aktivere Rolle zu spielen.
Damit hatte von der Leyen sich für höhere Aufgaben empfohlen.
#kampfbreit #2022 & 1999# Bildmontage von Rudolph Bauer (32)
Scharping, Fischer (2007 Mitbegründer des ECFR), Schröder
Von der Leyens fragwürdige Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission 2019
Unter Missachtung des Spitzenkandidatenprinzips, das mehr Transparenz und demokratische Legitimation schaffen sollte, wurde von der Leyen nach der Europawahl 2019 überraschend durch den Europäischen Rat nominiert, ohne dass sie sich dem Wahlkampf gestellt hatte. (33) Viele Abgeordnete waren empört über das Vorgehen des Rates und sahen darin einen Bruch demokratischer Gepflogenheiten. Schließlich gewann von der Leyen die Wahl mit einer äußerst knappen absoluten Mehrheit von 383 Stimmen – nur neun Stimmen mehr als notwendig. (34)
Das Ergebnis der Europawahl 2019 veranlasste Wolfgang Effenberger zu dem Artikel „Mit EU-Triumvirat in den NATO-Krieg gegen Russland und China“ (35). Gleich eingangs stellte er die Frage: „Was verbindet die Aspiranten Ursula von der Leyen (EU-Kommissionschefin), Christine Lagarde (EZB-Vorsitz) und Joseph Borell (Hoher Beauftragter für Außenpolitik) miteinander?“: Alle drei können Studienaufenthalte in den USA aufweisen; dadurch ist die Nähe zu den transatlantischen Netzwerken nicht verwunderlich, ebenso die „distanzierten“ Äußerungen zu Russland. Zu dem nicht gerade demokratisch vorgesehenen Personalpaket gehört außerdem noch Charlie Michel als Kandidat für den Posten des Ratspräsidenten– quasi der Zeremonienmeister für das Triumvirat.
Von der Leyen und Lagarde können sogar noch ein inniges Verhältnis zu den Bilderbergern aufweisen. Diese Treffen besuchte Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin 2015, 2016, 2018 und 2019 und Frau Lagarde als IWF-Chefin 2013 und 2014. Frau Lagarde hat zwar keine Erfahrung im Bankengeschäft, dafür ist sie jedoch im strategischen Denken bewandert. Als Mitglied der Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) führte sie von 1995 bis 2002 gemeinsam mit Zbigniew Brzezinski (Die einzige Weltmacht) das Aktionskomitee USA-EU-Polen an, wo sie sich speziell in der Arbeitsgruppe Rüstungsindustrie USA-Polen (1995–2002) engagierte. 2003 war sie auch Mitglied der Euro-Atlantic Action Commission in Washington.
Wenn man die heutigen Militäraktivitäten Polens analysiert, muss man feststellen, dass Frau Largarde großartige Vorarbeit geleistet hat, die von Frau von der Leyen zielstrebig weitergeführt wurde. Von ihr stammt ja der Slogan der „Militär-Union“ und das forcierte Vorantreiben der militärischen Zusammenarbeit bis hin zu einer europäischen Armee. Sie steht für die Militarisierung der gesamten EU und ist eine Vertreterin des militärisch-industriellen Komplexes. (36)
Das liegt auch auf der Linie von Emmanuel Macron, der 2017 deutlich machte, dass er sehr an einer Militarisierung der EU interessiert sei. Die Kandidatur von Frau von der Leyen und Frau Lagarde wird bei den US-amerikanischen Vertretern der parteiübergreifenden Kriegskoalition bzw. des „Tiefen Staates“ auf großes Wohlwollen gestoßen sein: Die EU als Außenstelle der NATO und französischer Afrika-Kriege. (37)
Seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien behält sich die NATO das Recht vor, im Ausnahmefall und auf der Basis eines Konsensbeschlusses der Bündnispartner auch ohne UN-Mandat militärisch zu intervenieren. Die NATO als Offensivbündnis! Paul Craig Roberts, unter US-Präsident Ronald Reagan stellvertretender Finanzminister –
er gehört laut Forbes zu den besten Journalisten der Welt – bringt es auf den Punkt:
„Wenn der Großteil der Menschheit nicht bald aufwacht und diesem Wahnsinn entschlossen entgegentritt, wird Washington die Welt vernichten!“ (38) Die Warnung verpuffte ungehört, und inzwischen reißt der Strom der in Bremerhaven und Antwerpen gelöschten Kriegsgüter in Richtung russischer Grenze nicht mehr ab.
„Mit diesem EU-Triumvirat, mit Macron und einer möglichen schwarz-grünen Regierung in Berlin nimmt der Krieg gegen Russland dramatische Konturen an“, schreibt Wolfgang Effenberger im Herbst 2019, und erinnerte daran, „dass der Grünen-Außenminister Joseph Fischer im Februar 1999 Deutschland mit einer Lüge in den Krieg gegen Jugoslawien geführt hat, (39) den ersten Krieg seit 1945, der sich dann noch als völkerrechtswidriger Angriffskrieg herausstellte. Am 20. Februar 2002 stimmte Frau Merkel in einem Beitrag für die „Washington Post“ in den Kriegsgesang der US-Regierung ein und wetterte darin gegen Bundeskanzler Schröder, der am Krieg gegen den Irak nicht teilnehmen wollte. (40) Der Merkel-Freund und ehemalige US-Präsident Barack Obama ließ im Dezember 2014 die Anweisung Win in a Complex World 2020-2040 (TRADOC 525-3-1) erstellen. Die US-Streitkräfte sollen sich in erster Linie darauf einstellen, die von Russland und China ausgehende Bedrohung abzubauen. Im Klartext heißt das Krieg!“ soweit der damalige Artikel.
Zentrale Rolle bei der Finanzierung europäischer Verteidigung
Die Europäische Investitionsbank (EIB) spielt eine zunehmend zentrale Rolle bei der Finanzierung von Sicherheits- und Verteidigungsprojekten in der EU. Angesichts der veränderten geopolitischen Lage, insbesondere durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, haben EU-Staaten und die Kommission die EIB aufgefordert, ihre Politik zu überarbeiten und stärker in die Finanzierung von Rüstungsprojekten einzusteigen. (41)
Traditionell war die EIB auf die Finanzierung ziviler Projekte beschränkt und durfte keine reinen Rüstungsprojekte unterstützen. Dies änderte sich mit dem politischen Druck, die Mandatsbeschränkungen aufzuheben, um künftig auch militärische Ausrüstung, Infrastruktur und sogenannte Dual-Use-Güter (zivil und militärisch nutzbar, z.B. Drohnen, Hubschrauber) zu finanzieren. (42)
Der EIB-Verwaltungsrat hat die Förderkriterien bereits angepasst und die bestehende „Strategische Europäische Sicherheitsinitiative“ (SESI) in ein dauerhaftes Finanzierungsziel überführt. Die EIB plant, ihre Investitionen in Sicherheits- und Verteidigungsprojekte mindestens zu verdoppeln1.
Die EIB kann nun Projekte in Bereichen wie Kasernen, Lager, Land- und Luftfahrzeuge, Drohnen, Radaranlagen, Satelliten, Grenzschutz, militärische Mobilität, kritische Infrastruktur, Cybersicherheit und Forschung fördern. (43)
Die Bank soll so die europäische Verteidigungsindustrie stärken, Lieferketten und Lagerbestände sichern sowie die militärische Mobilität und Resilienz der EU erhöhen. (44)
Politische und wirtschaftliche Implikationen
Die Neuausrichtung der EIB wird von einigen Mitgliedsstaaten und Teilen des Europäischen Parlaments als Paradigmenwechsel bewertet und ist politisch umstritten, da sie einen Bruch mit dem traditionellen Selbstverständnis der Bank bedeutet. (45)
Die EIB entwickelt sich von einer vorwiegend zivil ausgerichteten Förderbank zu einem wichtigen Finanzierungsinstrument für europäische Rüstungsprojekte. (46)
Von der Leyens enger Schulterschluss mit Selenskyj (Karlspreisträger 2023)
Seit 24. Februar 2022 traf sich Ursula von der Leyen insgesamt neunmal mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew. Am 24. Februar 2025 reiste sie zum neunten Mal nach Kiew. (47) Bereits im November 2023 absolvierte sie ihren sechsten Besuch in der Ukraine. Ihr erster bekannter Besuch in Kiew samt Treffen mit Selenskyj fand im April 2022 statt. (48)
Alle diese Reisen nach Kiew beinhalteten jeweils ein Treffen mit Präsident Selenskyj, sodass die Zahl der Reisen und persönlichen Treffen in Kiew identisch ist: neun Besuche, neun Treffen (Stand: 24. Mai 2025). (49)
Der militärischen Auseinandersetzung gingen dank der problematischen und diskussionswürdigen orchestrierten gesellschaftlichen und politischen Destabilisierungskampagnen nicht nur von Soros´ Open Society Foundations, sondern auch von US-amerikanischen Stiftungen wie Freedom House und National Endowment for Democracy von USAID sowie europäischer Regierungen voraus. (50)
Die Open Society Foundations (OSF) von George Soros spielen seit den 1990er Jahren eine zentrale Rolle beim Aufbau und der Unterstützung der ukrainischen Zivilgesellschaft. Über ihren lokalen Arm, die International Renaissance Foundation (IRF) in Kiew, ist die OSF der größte unabhängige Geldgeber für Bürgerinitiativen, Menschenrechtsorganisationen, unabhängige Medien und Demokratieprojekte in der Ukraine125.
Seit 1990 hat die OSF laut eigenen Angaben über 230 Millionen Dollar für die Demokratieförderung in der Ukraine ausgegeben.
Die Rolle der Soros-Stiftung in der Ukraine-Krise ist die einer maßgeblichen Förderin der Zivilgesellschaft, der Menschenrechte und unabhängiger Medien. die Demokratie und die Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Gesellschaft gegen autoritäre Bedrohungen zu stärken.
Ursula von der Leyens Affäre um die Beschaffung von Corona-Impfstoffen
Ursula von der Leyen steht im Zentrum einer Affäre um die Beschaffung von Corona-Impfstoffen bei Pfizer während ihrer Zeit als EU-Kommissionspräsidentin.
Ihr wird vorgeworfen, sie habe intransparent und eigenmächtig einen milliardenschweren Impfstoff-Deal mit dem Pfizer-Konzernchef Albert Bourla verhandelt – unter anderem per SMS. (51)
Im Mai 2025 urteilte das Gericht der Europäischen Union (EuG), dass die EU-Kommission die Herausgabe dieser SMS nicht ausreichend begründet verweigert habe. Die New York Times hatte auf Offenlegung der Textnachrichten geklagt, da sie Anhaltspunkte für deren Existenz vorgelegt hatte. Das Gericht stellte fest, dass die Kommission entweder auf Hypothesen oder auf ungenaue Informationen verwies und nicht plausibel erklären konnte, warum die Nachrichten nicht auffindbar seien oder ob sie gelöscht wurden. (52) Die Kommission muss nun erneut über die Offenlegung entscheiden und eine detailliertere Begründung liefern.
Im Zentrum der Affäre steht der Vertrag über bis zu 1,8 Milliarden Impfdosen im Wert von etwa 35 Milliarden Euro aus dem Frühjahr 2021. Kritiker werfen von der Leyen und der Kommission mangelnde Transparenz, fehlende Kontrolle und einen eigenmächtigen Regierungsstil vor. (53) Das Urteil gilt als Niederlage für von der Leyen und als Signal für mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht in der EU. (54)
Ob die fraglichen SMS noch existieren oder bereits gelöscht wurden, ist weiterhin unklar. Die Kommission kann das Urteil noch anfechten. Die Hintergründe des Deals bleiben damit vorerst im Dunkeln. (55)
Die Welt im Zangengriff „philanthroper“ Multi-Milliardäre
Der Mega-Spekulant George Soros steht stellvertretend – wie Bill Gates in der Coronakrise – für eine transnational agierende Finanzelite. Es ist notwendig, sich über die weitreichende Einflussnahme dieser »Philanthropen« und die von ihnen ausgehende Gefahr klar zu machen. Hinter dem schönen Slogan einer Weltgesellschaft ohne Grenzen versteckt sich die Abschaffung staatlicher Souveränität und mit ihr die Transformation einer nationalen und internationalen Rechtsordnung in eine von wenigen Strippenziehern beherrschte globale Massengesellschaft. Hinter der besonders für Linksliberale verführerischen Vision von Soros’ »Open Society« (Offene Gesellschaft) verbirgt sich die Zurichtung der gesamten Welt für den direkten ausbeuterischen Zugriff auf Ressourcen, Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft u. ä.
Wenn pure Macht durch eine Person symbolisiert werden kann, dann durch den mächtigen Staatsmann ohne Staat George Soros –
Er hat erfolgreich die Politik, die Medien und die Universitäten infiltriert.
EU-Politiker und Vertreter von EU-Institutionen haben sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit Georg e Soros und Lobbyisten seiner Organisationen getroffen. Laut offiziellen Angaben kam es seit dem Amtsantritt von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (2014) zu mehr als 20 offiziellen Treffen zwischen George Soros und Mitgliedern der EU-Kommission. (56) Darüber hinaus trafen sich zwölf beim Europäischen Parlament akkreditierte Lobbyisten des Open Society European Policy Institute (OSEPI) 52-mal mit Mitgliedern des LIBE-Ausschusses (Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres). (57)
Auch einzelne Kommissare, wie der damalige Vizepräsident Frans Timmermans, führten persönliche Gespräche mit Soros oder Vertretern seines Netzwerks. (58) Die Treffen fanden sowohl in Brüssel als auch auf internationalen Veranstaltungen statt.
Es gibt keine umfassende, öffentlich einsehbare Dokumentation aller Treffen, da laut EU-Kommission keine Verpflichtung zur Erfassung sämtlicher Gespräche besteht2. Die belegten Zahlen zeigen jedoch, dass der Austausch regelmäßig, aber nicht außergewöhnlich häufig im Vergleich zu anderen großen zivilgesellschaftlichen Akteuren stattfindet.
Ja, es gibt Kritik an den Kontakten zwischen EU-Politikern und George Soros. Diese Kritik stammt insbesondere von Regierungen und regierungsnahen Medien in Ländern wie Ungarn, Polen, Serbien und Rumänien. Dort wird behauptet, Soros nehme durch seine Stiftungen und Lobbyarbeit erheblichen Einfluss auf die EU-Politik, insbesondere in Fragen der Migration, und wolle nationale Identitäten schwächen oder Regierungen destabilisieren. (59)
Im Europäischen Parlament wurden offizielle Anfragen zu den Treffen zwischen Soros bzw. Vertretern seiner Organisationen und EU-Politikern gestellt, mit der Forderung nach mehr Transparenz und Offenlegung der Gesprächsinhalte. (60) Kritiker führen an, dass Soros und seine Open Society Foundations durch häufige Treffen und Lobbyarbeit Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse nehmen könnten.
Die Aktivitäten von George Soros und seiner Open Society Foundations stehen nachweislich in Zusammenhang mit den sogenannten „farbigen Revolutionen“ in mehreren postsowjetischen und osteuropäischen Staaten. Soros’ Stiftungen unterstützten in verschiedenen Ländern zivilgesellschaftliche Gruppen, Medien und Jugendbewegungen, die sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einsetzten.
In Ländern wie Georgien (Rosenrevolution 2003), der Ukraine (Orangene Revolution 2004) und Serbien (Sturz von Milošević 2000) förderte die Open Society Foundation lokale Organisationen und Aktivisten, die maßgeblich an den Protestbewegungen beteiligt waren. (61)
Es gibt belegbare Hinweise darauf, dass Organisationen von George Soros, insbesondere die Open Society Foundations, zivilgesellschaftliche Gruppen und Initiativen unterstützt haben, die bei mehreren sogenannten Farbrevolutionen in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion eine wichtige Rolle spielten.
Diese Informationen stammen aus internationalen Medien wie der Washington Post und dem Spiegel, die die Rolle westlicher Stiftungen und Regierungen dokumentiert haben.
Der Bericht des European Centre for Law and Justice (ECLJ) aus dem Jahr 2020 hat aufgedeckt, dass 22 von 100 Richtern, die zwischen 2009 und 2019 am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) tätig waren, zuvor für NGOs gearbeitet haben, die häufig in Verfahren vor dem EGMR aktiv waren. Besonders im Fokus steht hierbei die Open Society Foundations (OSF) von George Soros: 12 dieser Richter standen in Verbindung mit der OSF, sechs weitere mit NGOs, die von der OSF finanziert werden. (62)
Laut dem Bericht haben diese Richter in mindestens 88 Fällen über Verfahren mitentschieden, an denen „ihre“ frühere NGO beteiligt war. In nur 12 Fällen zogen sich Richter wegen möglicher Befangenheit zurück. Die Autoren des ECLJ-Berichts sehen darin einen klaren Interessenkonflikt und kritisieren, dass dies die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts in Frage stelle. (63)
Die Open Society Foundations selbst waren in der untersuchten Zeit zwar nicht direkt Partei in Verfahren, werden aber in mehreren Fällen als finanzierende oder beratende Organisation erwähnt. Die Problematik wird dadurch verschärft, dass die OSF zahlreiche andere NGOs unterstützten, die wiederum regelmäßig vor dem EGMR auftreten. (64)
Der EGMR hat auf den Bericht reagiert, aber bislang keine grundlegenden strukturellen Änderungen oder Konsequenzen öffentlich gemacht. Die Debatte um Interessenkonflikte und Transparenz bei der Auswahl und Tätigkeit von Richtern hält an.
Der ECLJ-Bericht hat dokumentiert, dass es zahlreiche personelle Überschneidungen zwischen Richtern des EGMR und von Soros finanzierten NGOs gibt, die Gefahr von Interessenkonflikten wurde als real angesehen und kritisch diskutiert. Die Öffentlichkeit und Rechtsexperten forderten mehr Transparenz und strengere Regeln.
Mit der Aufhebung der Reichweitenbegrenzung und der anstehenden Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern durch Leyens Partei-Kollegen und BlackRock-Kanzler Merz ist Deutschland wieder einmal in er Pool-Position für den nächsten Weltkrieg angekommen.
Hoffen wir nur, dass dieser kleinen kriegstreiberischen Elite noch in die Speichen gegriffen werden kann. Es wäre äußerst tragisch, wenn Thomas Manns Appell an die Europäischen Hörer 1953 ungehört verhallen würde. Er hatte im amerikanischen Exil die Neigung der USA erkannt,
„Europa als ökonomische Kolonie, militärische Basis, Glacis im zukünftigen Atom-Kreuzzug gegen Russland zu behandeln, als ein zwar antiquarisch interessantes und bereisenswertes Stück Erde, um dessen vollständigen Ruin man sich aber den Teufel scheren wird, wenn es den Kampf um die Weltherrschaft gilt.“ (65)
Das täuschende Spiel menschenverachtender Hasardeure mit dem europäischen Lebensmodell von Freiheit, Frieden, Demokratie und Wohlstand muss endlich aufhören.
Siehe auch Wolfgang Effenberger
Karlspreis 2023 für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij unter
https://apolut.net/karlspreis-2023-fuer-den-ukrainischen-praesidenten-wolodymyr-selenskij-von-wolfgang-effenberger/
Anti-Karlspreis-Rede 2024 unter https://apolut.net/der-9-mai-2024-ein-denk-und-geschichtswuerdiger-tag-von-wolfgang-effenberger/
Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm:
Anmerkungen und Quellen
1)https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/ursula-von-der-leyen-karlspreis-100.html
2)Ebda.
3)Wolfgang Effenberger: Schwarzbuch EU & NATO Warum die Welt keinen Frieden findet. Höhr-Grenzhausen 2020, S.23
4)Ebda. S. 419
5)Ebda. S. 421
6)Ebda.
7)Ebda. S. 439
8)Ebda.
9)https://www.konrad-adenauer.de/personen/seite/hans-globke/; https://www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/zweiter-weltkrieg/nachkriegszeit/hans-maria-globke-staatssekretaer-adenauer-100.html
10)Effenberger a.a.O. 2020, S. 439
11)Ebda. S. 440
12)Ebda. S. 438
13)Ebda.
14)Ebda.
16) https://europeanpeaceproject.eu/manifest-deutsch/
17)Effenberger a.a.O. 2020, S. 439
18)Zuvor war von der Leyen von 2003 bis 2005 niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, von 2005 bis 2009 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von 2009 bis 2013 Bundesministerin für Arbeit und Soziales und von 2013 bis 2019 Bundesministerin der Verteidigung. Von November 2010 bis November 2019 war sie zudem eine der fünf stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU.
19)https://www.wsws.org/de/articles/2019/02/16/sich-f16.html
20)https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ursula-von-der-leyen-und-die-berateraffaere-faktisches-komplettversagen-a-55458b1c-64bd-436b-acdf-75afcef0f5d3; https://www.dw.com/de/die-front-gegen-ursula-von-der-leyen/a-49556374
21)https://kurier.at/politik/ausland/eu-von-der-leyen-militaer-ukraine/403017686; https://www.dw.com/de/die-front-gegen-ursula-von-der-leyen/a-49556374
22)https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ursula-von-der-leyen-besucht-nato-manoever-in-polen-13654588.html; https://www.tt.com/artikel/10163941/von-der-leyen-bei-manoever-zu-test-neuer-nato-speerspitze-in-polen
23)https://www.bild.de/politik/ausland/nato/probt-krieg-gegen-russland-41397280.bild.html
24)https://www.wsws.org/de/articles/2015/06/20/nato-j20.html
25)https://www.sueddeutsche.de/politik/berater-affaere-verteidigungsministerium-von-der-leyen-1.4450737
26)https://www.sueddeutsche.de/politik/von-der-leyen-bundeswehr-berater-affaere-1.4236836
27)https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-06/berateraffaere-ursula-von-der-leyen-verteidigungsministerium
28)https://www.tagesspiegel.de/politik/wutende-offiziere-millionen-fur-mckinsey-und-ein-unschuldslamm-7261102.html; https://de.wikipedia.org/wiki/1._Untersuchungsausschuss_des_Verteidigungsausschusses_der_19._Wahlperiode_des_Deutschen_Bundestages
29)https://www.bmvg.de/de/aktuelles/pesco-ein-meilenstein-auf-dem-weg-zur-verteidigungsunion-19806; https://grafkerssenbrock.com/pesco-europas-verteidigungsinitiative-nato-bedeutung
30)https://de.wikipedia.org/wiki/PESCO
31)https://www.bmvg.de/de/aktuelles/pesco-ein-meilenstein-auf-dem-weg-zur-verteidigungsunion-19806
32)Aus: Rudolph Bauer: Todessüchtig, --> Todessüchtig. Schlafwandler, Flintenweiber und andere Zivilversager. Bergkamen 2023, S, S. 6
33)https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/ursula-von-der-leyen-eu-kommissionspraesidentin-wahlsieg
34)https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20190711IPR56824/parlament-wahlt-ursula-von-der-leyen-zur-prasidentin-der-eu-kommission
35)http://nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=26077
36)Top oder Flop? Die aussichtsreichsten Kandidaten für die EU-Spitzenpositionen unter htts://de.sputniknews.com/politik/20190703325375732-kandidaten-eu-spitzenposten/
„„Die EU und die NATO sind böse Institutionen. Diese beiden Institutionen sind von Washington geschaffene Mechanismen, um die Souveränität der europäischen Völker zu zerstören. Diese beiden Institutionen geben Washington die Kontrolle über die westliche Welt und dienen als Deckmantel und Ermöglicher der Aggression Washingtons. Ohne EU und NATO könnte Washington Europa und Großbritannien nicht in einen Konflikt mit Russland zwingen, und Washington hätte in 15 Jahren nicht sieben muslimische Länder zerstören können, ohne als eine verhasste Kriegsverbrecher-Regierung isoliert zu sein, von der kein Mitglied ins Ausland hätte reisen können, ohne verhaftet und vor Gericht gestellt zu werden. “ Paul Craig Roberts: The Brexit Vote — https://www.paulcraigroberts.org/2016/06/24/the-brexit-vote-paul-craig-roberts/;http://www.paulcraigroberts.org/2014/10/06/washington..
37)Willy Wimmer zur Personalie von der Leyen: Operation am offenen Herzen unter https://www.youtube.com/watch?v=Gkad2mnz8NI
38)Washington Is Destroying The World
http://www.paulcraigroberts.org/2014/10/06/washington..
„„Die EU und die NATO sind böse Institutionen. Diese beiden Institutionen sind von Washington geschaffene Mechanismen, um die Souveränität der europäischen Völker zu zerstören. Diese beiden Institutionen geben Washington die Kontrolle über die westliche Welt und dienen als Deckmantel und Ermöglicher der Aggression Washingtons. Ohne EU und NATO könnte Washington Europa und Großbritannien nicht in einen Konflikt mit Russland zwingen, und Washington hätte in 15 Jahren nicht sieben muslimische Länder zerstören können, ohne als eine verhasste Kriegsverbrecher-Regierung isoliert zu sein, von der kein Mitglied ins Ausland hätte reisen können, ohne verhaftet und vor Gericht gestellt zu werden. “ Paul Craig Roberts: The Brexit Vote — https://www.paulcraigroberts.org/2016/06/24/the-brexit-vote-paul-craig-roberts/; http://www.paulcraigroberts.org/2014/10/06/washington
39)Clemens Ronnefeldt: Es begann mit einer Lüge: Kosovo/Jugoslawienkrieg 1999 unter https://friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/es-begann-mit-einer-luege-kosovo
40)Markus Becker: Merkels Bückling vor Bush am 20.02.2003 unter https://www.spiegel.de/politik/ausland/beitrag in us-zeitung-merkels-bückling-vor-bush-a-237040.html
41)https://www.t-online.de/finanzen/aktuelles/id_100369642/foerderbank-soll-verteidigungsbereitschaft-der-eu-erhoehen.html
42)https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181191.ruestung-europaeische-investitionsbank-militarisierung-der-eu-hausbank.html
43)https://www.eib.org/de/press/all/2025-156-eib-steps-up-financing-for-european-security-and-defence-and-critical-raw-materials
44)https://www.tagesschau.de/europawahl/themen/ruestung-eu-100.html
45)https://www.kettner-edelmetalle.ch/news/deutschland-und-frankreich-forcieren-rustungsfinanzierung-durch-europaische-investitionsbank-22-03-2024
46)https://www.handelsblatt.com/politik/international/eib-eu-foerderbank-verdoppelt-investitionen-in-verteidigung/100103626.html; https://www.handelsblatt.com/politik/international/eib-eu-foerderbank-verdoppelt-investitionen-in-verteidigung/100103626.html
47)https://de.euronews.com/my-europe/2025/02/24/ursula-von-der-leyen-trifft-mit-35-milliarden-euro-finanzhilfe-in-kyjiw-ein
48)https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-ursula-von-der-leyen-und-wolodymyr-selenskyj-sprechen-ueber-eu-beitrittsverhandlung-a-c592a107-e433-4d1d-b904-c7235460d119
49)https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/ukraine-dritter-jahrestag-angriffskrieg-russland-eu-gipfel-kiew-100.html; https://www.spiegel.de/ausland/ukraine-ursula-von-der-leyen-und-wolodymyr-selenskyj-sprechen-ueber-eu-beitrittsverhandlung-a-c592a107-e433-4d1d-b904-c7235460d119
50)https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/document/36848/1/ssoar-2013-halbach-Bilanz_einer_Farbrevolution_Georgien_im.pdf
51)https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/t3623-eug-von-der-leyen-sms-pfizer-new-york-times; https://www.heise.de/news/SMS-an-Pfizer-Von-der-Leyen-kassiert-Schlappe-vor-Gericht-10383974.html; https://www.welt.de/wirtschaft/plus256114584/EU-Am-Ende-offenbart-das-Pfizer-Gate-wie-viel-Macht-Ursula-von-der-Leyen-angehaeuft-hat.html
52)https://netzpolitik.org/2025/gerichtsurteil-zu-pfizergate-von-der-leyen-hat-bei-der-transparenz-geschummelt/; https://www.heise.de/news/SMS-an-Pfizer-Von-der-Leyen-kassiert-Schlappe-vor-Gericht-10383974.html
53)https://taz.de/Ursula-von-der-Leyens-Impfstoff-SMS/!6084700/
54)https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/t3623-eug-von-der-leyen-sms-pfizer-new-york-times; https://www.welt.de/wirtschaft/plus256114584/EU-Am-Ende-offenbart-das-Pfizer-Gate-wie-viel-Macht-Ursula-von-der-Leyen-angehaeuft-hat.html
55)https://taz.de/Ursula-von-der-Leyens-Impfstoff-SMS/!6084700/
56)https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-8-2019-000208_DE.html
57)Ebda.
58)Edba.
59)https://www.kettner-edelmetalle.de/news/george-soros-und-das-europa-das-er-sich-wunscht-und-wir-furchten-sollten-28-07-2024
60)https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-8-2019-000208_DE.html
61)https://de.wikipedia.org/wiki/Farbrevolutionen 62)https://www.bundestag.de/resource/blob/808446/6b8e88713c5a6f6b267769e8e5b5d68f/WD-2-079-20-pdf.pdf;
63)https://www.ief.at/menschenrechte-interessenkonflikte-bei-egmr-richtern/
64)Ebda., https://fsspx.news/de/news/gerichtsurteil-mit-unabsehbaren-folgen-fuer-europaeische-union-40788
65)Thomas Mann: Deutsche Hörer! Europäische Hörer! Darmstadt 1980, Rückseite
Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Vom 12. bis 15. Juni 2025 fand in Stockholmer Grand Hôtel, Schweden, das 71. Bilderberg-Treffen statt. Wie jedes Jahr versammelte sich eine Auswahl von etwa 120 bis 140 Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft, Militär, Wissenschaft und Medien aus insgesamt 23 Ländern zu einem vertraulichen vielleicht auch konspirativen Gedankenaustausch. (1) Die Veranstaltung ist gekennzeichnet durch ihre Geheimhaltung und den Ausschluss der Öffentlichkeit, was regelmäßig Anlass zu Kritik und Misstrauen gibt. (2)
Kurz vor Beginn des Treffens wurde die Teilnehmerliste veröffentlicht. Zu den bekanntesten Teilnehmern 2025 zählten: (3)
Die Auswahl der Teilnehmer spiegelt die globale Machtelite wider und zeigt, dass Schlüsselpositionen aus Politik, Wirtschaft, Militär und internationalen Organisationen vertreten sind.
Auf der offiziellen Website der Bilderberger ist zu lesen:
„Seit dem ersten Treffen im Jahr 1954 ist das jährliche Bilderberg-Treffen ein Forum für informelle Gespräche zur Förderung des Dialogs zwischen Europa und Nordamerika. Jedes Jahr werden ca. 130 führende Politiker und Experten aus Industrie, Finanzwesen, Arbeitswelt, Wissenschaft und Medien zu dem Treffen eingeladen“. (5) Die Treffen werden laut Website nach der Chatham-House-Regel abgehalten, die besagt, dass die Teilnehmer die erhaltenen Informationen frei verwenden können, dass aber weder die Identität noch die Zugehörigkeit des/der Redner(s) oder eines anderen Teilnehmers preisgegeben werden darf: „Aufgrund des privaten Charakters des Treffens nehmen die Teilnehmer als Einzelpersonen und nicht in offizieller Funktion teil und sind daher nicht an die Konventionen ihres Amtes oder an vorher vereinbarte Positionen gebunden. …. Es gibt keine detaillierte Tagesordnung, es werden keine Resolutionen vorgeschlagen, keine Abstimmungen durchgeführt und keine politischen Erklärungen abgegeben.“ (6)
Wenige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs formierte sich im Geheimen eine machtvolle Gruppe, um die globalen Interessen der USA und damit die des US-Kapitals mittels subtiler Manipulation flankierend zu unterstützen. Was dort hinter verschlossenen Türen beraten wird, bleibt geheim. Die Massenmedien schweigen. Sie berichten nicht einmal über die Tatsache, daß diese Konferenzen stattfinden. Noch vor wenigen Jahren wurden viele Journalisten, die die angereisten Gäste versuchten abzulichten, verfolgt, verhaftet und bedroht. Inzwischen wird die Teilnehmerliste freiwillig herausgegeben.
Was die Bilderberger entscheiden, geht uns alle an denn sie legen unser aller Zukunft fest. Sie zählen zu den zentralen Organen einer weltweit agierenden Schattenregierung.
1954, vor 71 Jahren, lud der zentrale Gründer und erste Vorsitzende der Bilderberg-Konferenz, Prinz Bernhard zur Lippe-Biesterfeld, Prinzgemahl der niederländischen Königin Juliana, unter strengster Geheimhaltung erstmals zum Treffen im niederländischen Hotel de Bilderberg ein. Die Initialzündung für das Treffen kam jedoch vom umstrittenen polnischen Diplomaten Józef Retinger, der Anfang der 1950er Jahre die Idee hatte, ein internationales Forum zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Europa und den USA zu schaffen. Retinger kontaktierte Prinz Bernhard, der daraufhin eine Reihe einflussreicher Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Militär zusammenbrachte, darunter Paul Rijkens (Unilever), Paul van Zeeland (einer der EU-Gründerväter), General Colin Gubbins, Antoine Pinay und andere. (7)
Nach vorbereitenden Gesprächen, unter anderem mit Unterstützung des damaligen CIA-Direktors Walter Bedell Smith und des Medienexperten C.D. Jackson, organisierte Prinz Bernhard im Mai 1954 das erste Treffen im Hotel de Bilderberg in den Niederlanden. Er übernahm die Rolle des Vorsitzenden und prägte die Ausrichtung der jährlichen Konferenzen maßgeblich. Ziel der Bilderberg-Konferenz war es laut Bernhard, den Antiamerikanismus in Europa und den Antieuropäismus in den USA abzubauen, indem führende Köpfe beider Seiten in einem vertraulichen Rahmen zusammengebracht wurden – ohne öffentliche Erwartungen oder formelle Kommuniqués. (8)
Prinz Bernhard hatte bei der Gründung und Organisation der Bilderberg-Gruppe enge Verbindungen zu US-Geheimdiensten, insbesondere zur CIA. Die Initiative zur Gründung der Bilderberg-Konferenz ging zwar von Józef Retinger aus, doch bei der konkreten Umsetzung und internationalen Vernetzung spielte Prinz Bernhard eine zentrale Rolle. Nachdem erste Versuche, die Konferenzidee in den USA zu etablieren, gescheitert waren, wandte sich Bernhard direkt an Walter Bedell Smith, den damaligen Direktor der CIA. Smith informierte daraufhin C.D. Jackson, einen Sonderberater des US-Präsidenten, über das Vorhaben. (9)
Diese Kontakte führten dazu, dass die US-Regierung und die CIA die europäische Einigungsbewegung und die Bilderberg-Gruppe nicht nur politisch, sondern auch finanziell unterstützten – etwa über das American Committee for a United Europe (ACUE). (10) Die CIA war somit von Beginn an in die transatlantische Vernetzung und die Organisation der Bilderberg-Konferenzen eingebunden. Prinz Bernhard fungierte als Vorsitzender und Symbolfigur, während US-amerikanische Geheimdienstkreise und politische Berater im Hintergrund Einfluss nahmen und Ressourcen bereitstellte, (11)
Prinz Bernhard nutzte also seine Kontakte zu hochrangigen US-Geheimdienstvertretern, um die Gründung und den Erfolg der Bilderberg-Gruppe zu sichern. Die CIA spielte eine maßgebliche Rolle bei der transatlantischen Abstimmung und Finanzierung der frühen Treffen.
Die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft, die später zur Europäischen Union wurde, basierte auf den politischen und wirtschaftlichen Initiativen vor allem aus den USA. So geht die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) auf den US-Außenminister Dean Acheson zurück. (12)
Im Kapitol zu Rom wurden dann unter dem monumentalen Standbild des Papstes Innozenz (er ließ 1648 den Westfälischen Frieden nicht unterschreiben) unterzeichnet. (13)
Demo-Plakat am 9. Mai 2025 im Treptower Park; unten Mitunterzeichner Walter Hallstein, der 1938 in einem deutsch-italienischen bilateralen Gremium die enge politische und ideologische Zusammenarbeit zwischen NS-Deutschland und dem faschistischen Italien festigen sollte.
Prinz Bernhard blieb bis 1976 Vorsitzender der Bilderberg-Konferenz. Neben ihm und Retinger spielten auch Persönlichkeiten wie David Rockefeller eine wichtige Rolle bei der Etablierung des Treffen. (14)
Prinz Bernhard zu Lippe-Biesterfeld war nachweislich Mitglied der NSDAP und hatte auch eine Verbindung zur SS. Laut verschiedenen Quellen und Dokumenten, die nach seinem Tod veröffentlicht wurden, war Bernhard von 1933 bis zu seiner Verlobung mit der niederländischen Kronprinzessin Juliana im Jahr 1936 Mitglied der NSDAP. (15) Dies wurde durch die Entdeckung seines originalen NSDAP-Mitgliedsausweises im Hausarchiv bestätigt, obwohl Bernhard dies zu Lebzeiten stets bestritten hatte. (16)
Bezüglich der SS gab Bernhard selbst zu, einer Sondereinheit angehört zu haben. (17) Konkret war er als Student nach 1933 für eine gewisse Zeit Mitglied der SS, wobei er dies nach eigenen Angaben als formalen Akt ohne ideologische Bindung darstellte. Historische Recherchen bestätigen, dass er der Reiter-SS (SS-Kavallerie) zugeordnet war. (18)
Seine spätere Selbstdarstellung als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus steht im Widerspruch zu diesen belegten Mitgliedschaften. (19)
Bernhards Beitrag lag vor allem darin, durch die Bilderberg-Konferenzen ab 1954 einen vertraulichen Rahmen zu schaffen, in dem führende Politiker, Wirtschaftsführer und Intellektuelle aus Europa und Nordamerika informell über die Zukunft Europas und transatlantische Zusammenarbeit diskutieren konnten. Dieses Forum trug dazu bei, gegenseitiges Verständnis zu fördern und den europäischen Einigungsprozess indirekt zu unterstützen, indem es den Dialog zwischen den Eliten erleichterte und antieuropäische bzw. antiamerikanische Vorurteile abbauen half.
Als Initiator der Bilderberg-Konferenzen schuf Prinz Bernhard ein Netzwerk, das den transatlantischen Dialog und die europäische Integration förderte.
Die eigentliche politische und institutionelle Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft erfolgte durch die Arbeit der bekannten „Pioniere der EU“, die mit konkreten Verträgen und Institutionen den Grundstein für das heutige Europa legten. (20)
Zusammenfassend gilt: Józef Retinger war der geistige Vater der Idee, Prinz Bernhard war der organisatorische und repräsentative Gründer und langjährige Vorsitzende der Bilderberg-Gruppe. (21)
Mehrere Politiker nahmen vor ihrer Amtsübernahme an einem Bilderberg-Treffen teil. Die bekanntesten Beispiele für Aufsteiger sind:
Kurt Georg Kiesinger trat am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 2.633.930). Zu diesem Zeitpunkt war er Referendar und Repetitor. Seine NSDAP-Mitgliedschaft begann somit unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und wurde von ihm aktiv wahrgenommen. (23)
Diese Aufzählung ist nicht komplett, da die Teilnehmerlisten der Bilderberg-Konferenzen nicht immer vollständig veröffentlicht wurden und einige Politiker auch in anderen Funktionen teilnahmen. Dennoch zeigt sich, dass die Konferenz ein Netzwerk für zahlreiche spätere Spitzenpolitiker Europas war, oft noch bevor sie ihr Amt antraten. (28)
Olof Palme, der schwedische Ministerpräsident, wurde am 28. Februar 1986 auf offener Straße in Stockholm ermordet. (29) Er war eine international bekannte Persönlichkeit, die sich für Abrüstung, soziale Gerechtigkeit und die Belange der Dritten Welt einsetzte. (30) Er war ein entschiedener Verfechter der Neutralität und Bündnisfreiheit Schwedens und lehnte einen NATO-Beitritt vehement ab. Olof Palme war ein Symbol für Schwedens Politik der Bündnisfreiheit und Neutralität während des Kalten Krieges. Der Mord geschah nach einem spontanen Kinobesuch (er war nur den Diensten bekannt), als Palme mit seiner Frau Lisbeth ohne Personenschutz nach Hause ging. Ein unbekannter Täter soll ihm aus nächster Nähe in den Rücken geschossen haben; Palme starb noch in der Nacht im Krankenhaus, seine Frau wurde leicht verletzt. (31)
Die Ermittlungen zum Mordfall waren von zahlreichen Pannen und Versäumnissen geprägt, und der Fall blieb jahrzehntelang ungeklärt. Erst 2020 erklärte die schwedische Polizei, dass der Werbegrafiker Stig Engström mit hoher Wahrscheinlichkeit der Täter war, dieser war jedoch bereits 2000 verstorben, sodass das Verfahren eingestellt wurde. (32)
Alfred Herrhausen (Deutschland), Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Teilnehmer der Bilderberg-Konferenz 1988, setzte sich ebenfalls für die Belange der Dritten Welt ein. Er wurde am 30. November 1989 durch ein von Spezialisten durchgeführtes Bombenattentat getötet1. Das Attentat wurde der 3. Generation der RAF (Rote Armee Fraktion) zugeschrieben, die kaum in der Lage gewesen sein dürfte, einen derartigen Terroranschlag vorzubereiten und durchzuführen.
Weitere Fälle von nachweislich ermordeten Bilderberg-Teilnehmern sind in den offiziellen Listen und Medienberichten nicht dokumentiert. Die meisten anderen bekannten Todesfälle unter Bilderberg-Teilnehmern sind auf natürliche Ursachen zurückzuführen. (33)
Aus Geheimhaltungsgründen wurde die die offizielle Agenda wie üblich erst kurz vor dem Treffen veröffentlicht. Die zentralen Themen 2025 waren wie immer die transatlantischen Beziehungen, Geopolitik und hier der Blick auf die Energie und kritische Rohstoffe,
der Stellvertreterkrieg in der Ukraine, die US-Wirtschaft, Europa, der Nahe Osten (einen Tag nach Beginn eröffnete Israel den Großangriff auf den Iran) und nicht zuletzt das Themenfeld Entvölkerung und Migration. (34)
Dabei wurde die Rolle von Migration als mögliche Antwort auf den demografische Wandel in Europa thematisiert2. Über die Migration hinaus wurden Gedankenspiele zur „Depopulation“ nicht gescheut, was von einigen Medien und Kritikern als Hinweis auf Bevölkerungskontrolle interpretiert wurde, wobei offizielle Quellen betonen, dass es um die Herausforderungen des demografischen Wandels geht. (35)
Die Verwendung von "Depopulation" kann sich auf niedrige Geburtenraten, die hohen Sterberaten gegenüberstehen oder die Abwanderung von jungen Menschen beziehen, steht aber historisch auch im Zusammenhang mit Katastrophen, Kriegen oder Epidemien.
Deshalb hätten die Medien und hier vor allem auch CORRECTIV über diesen Tagespunkt der Bilderberger laut und vernehmlich berichten müssen, was leider nicht der Fall ist. (36)
Auf diesem von den Leitmedien als "geheim" bezeichnete Potsdamer Treffen am 25. November 2023 in der Villa Adlon am Lehnitzsee bei Potsdam zum Thema Remigration betonten die Einladenden den vertraulichen und exklusiven Charakter (37): Es handele sich um ein „privates Treffen“ eines „exklusiven Netzwerks“ mit dem Ziel eines „konstruktiv-vertraulichen Gedankenaustauschs“. (38) Die Teilnehmer wurden gebeten, die Vertraulichkeit zu wahren, und es wurde darauf hingewiesen, dass nur Personen eingeladen werden sollten, für die gebürgt werden konnte. (39) Anwesend waren Mitglieder der AfD, einzelne CDU- und Werteunion-Mitglieder sowie Unternehmer und Akteure aus der rechten Szene (40) Das Treffen wurde von CORRECTIV bekannt gemacht und die Remigration als Vertreibungsabsicht von Asylanten und unliebsamen Ausländern gebrandmarkt. Das sorgte anschließend für eine breite Welle der Empörung und landesweite Proteste gegen Rechtsextremismus. Der Verfasser dieses Artikels verbrachte von 1946 bis 1950 seine Kindheit in einem Vertriebenenlager in Norddeutschland. Hier lebten vor allem Frauen mit Kleinkindern und ältere Menschen aus Ostpreußen und Schlesien. Der Verfasser hat noch die weinenden Menschen vor Augen, die alle nur einen Wunsch hatten, so bald wie möglich in die Heimat zurückzukehren. Niemand wollte im Westen bleiben. Diesen Plan, Migranten, die sich nicht aktiv in die neue Heimat einbringen, zum Zurückkehren in die alte Heimat zu bewegen, mit der Vertreibung während und nach dem 2. Weltkrieg zu vergleichen, ist für die damals Vertriebenen schon sehr schmerzhaft.
CORRECTIV betont, unabhängig und gemeinwohlorientiert zu arbeiten. (41) Die Redaktion sieht ihre Aufgabe darin, relevante gesellschaftliche Themen zu recherchieren und öffentlich zu machen, auch wenn diese unbequem sind. (42) Nun, zum diesjährigen Bilderberger-Treffen hält sich CORRECTIV bedeckt. Und natürlich auch zum dort behandelten Thema "Depopulation", ein Wort, das gegenüber "Remigration" wesentlich menschenverachtender ist.
Diejenigen, die das Bilderbergertreffen mit dem Zusatz "geheim" versehen, geraten schnell in die Ecke der Verschwörungsideologen. Das Potsdamer Treffen wurde jedoch sofort von den Medien als Geheimtreffen gewertet. Wie sind derartige Doppelstandards möglich? Warum gibt es keine Gegenwehr?
Auch das US-Dokument „Win in a Complex World 2020-2040“, ein Strategiepapier vom Training and Doctrin Kommando (geführt von einem Vier-Sterne-General) aus dem Jahr 2014, das die Herausforderungen und strategischen Ziele der US-Streitkräfte für die kommenden Jahrzehnte vorgibt, wurde in den deutschen Leitmedien und auch bei CORRECTIV bislang nicht explizit zum Gegenstand breiter Berichterstattung gemacht. Dabei ist es ein Dokument, das über Krieg und Frieden in der Welt entscheidet.
Die Anschubfinanzierung für CORRECTIV kam von der deutschen Brost-Stiftung (ca. 3 Millionen Euro). Weitere Förderungen stammen u.a. von der Rudolf Augstein Stiftung, der Schöpflin Stiftung, der Luminate Foundation und anderen.
Das Bilderbergertreffen 2025 in Stockholm war erneut ein exklusives, intransparentes und von den Leitmedien weitgehend ausgeblendetes Forum für die globale Elite. Trotz fehlender formeller Beschlüsse bleibt das Treffen ein Kristallisationspunkt für Kritik an mangelnder demokratischer Kontrolle und elitärer Einflussnahme auf internationale Entwicklungen. Die Kombination aus Machtfülle, Geheimhaltung und fehlender Rechenschaftspflicht machen das Treffen immer wieder zum Gegenstand von Fragen und Verdächtigungen, da die tatsächlichen Auswirkungen der Gespräche im Dunkeln bleiben. Besonders Themen wie „Depopulation“ oder die Nähe zu Organisationen wie dem WEF werden fast nur in alternativen Medien kritisch aufgegriffen. (43)
Trotz offiziell fehlender Entscheidungsbefugnis bleiben die Bilderberger-Treffen ein Kristallisationspunkt für Kritik an mangelnder demokratischer Kontrolle und elitärer Einflussnahme auf internationale Entwicklungen, (44) nicht zuletzt auch deshalb, weil Medienvertreter nicht zugelassen sind und es keine öffentliche Dokumentation der Diskussionen gibt. Diese Intransparenz ist ein zentraler Kritikpunkt und nährt Spekulationen über die tatsächlichen Ziele und Einflüsse des Treffens (45) Informelle Übereinkünfte und Netzwerke, die hier entstehen, bestimmen später politische Prozesse, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. (46)
So war auch das Bilderbergertreffen 2020 in Schweden im Hinblick auf Schwedens NATO-Beitritt ein exklusives, intransparentes Forum für den Austausch der globalen Elite. Zu den prominenten Teilnehmern 2020 gehörten:
Die exklusive Auswahl der Teilnehmer verstärkt den Eindruck, dass hier elitäre Netzwerke auf politische und wirtschaftliche Entscheidungen nehmen – ohne demokratische Transparenz und Kontrolle. (47)
Die nachfolgende unvollständige Teilnehmerliste zeigt, dass in diesem Steuerungsgremium die westlich orientierten Kapital- und Medienvertrter sowie ehemalige EU-Politiker besonderen Einfluss haben.
Die Themen Ukraine und Naher Osten sind zentrale Treiber für die Neuordnung der globalen Politik. Sie verstärken bestehende Blockbildungen, destabilisieren Märkte und Sicherheitsarchitekturen und zwingen Staaten weltweit, ihre außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Strategien neu auszurichten. Die Verflechtung beider Konfliktzonen macht deutlich, dass regionale Krisen unmittelbare globale Konsequenzen haben. (48)
In den aktuellen Konflikten sehen die Bilderberger einen Katalysator für die Auseinandersetzung zwischen einer liberalen, regelbasierten Weltordnung und autoritären Gegenmodellen, wie sie Russland und seine Verbündeten propagieren. (49) Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg (ohne UN-Mandat) der USA gegen Restjugoslawien hebelte das Völkerrecht und die UN-Charta aus. Umgehend schufen die USA neues Völkerrecht, die von Washington vorgegebene "regelbasierte internationale Ordnung", die in der nichtwestlichen Welt, die will am Völkerrecht und an der Charta der Vereinten Nationen festhalten will, auf Widerstand stößt.
So verhalten sich viele Länder des Globalen Südens gegenüber dem Ukraine-Krieg und der westlichen Positionierung ambivalent oder neutral. Sie unterstützen weder klar die westlichen Sanktionen noch Russland, sondern verfolgen eigene Interessen und Prioritäten. (50) Diese Staaten ordnen sich nicht mehr einer klassischen West-Ost-Logik unter, sondern setzen auf eine eigenständige, pragmatische Außenpolitik, die auf Koexistenz und nationalen Interessen basiert. (51)
Die westliche, „regelbasierte“ internationale Ordnung wird vom globalen Süden und den BRICS-Staaten zunehmend als Instrument zur Aufrechterhaltung westlicher Hegemonie interpretiert. Verstöße gegen eigene Prinzipien und Doppelstandards, etwa im Umgang mit internationalen Konflikten (z.B. unterschiedliche Reaktionen auf die Ukraine und Gaza), untergraben die Legitimität des Westens in den Augen vieler nicht-westlicher Staaten. (52)
Staaten wie China und Indien nutzen diese Unzufriedenheit, um sich als Alternativen zum Westen zu positionieren und eigene globale Initiativen zu starten.
Die Macht verschiebt sich – weg von einer westlich dominierten – hin zu einer multipolaren Weltordnung, in der neue regionale und globale Machtzentren entstehen. Länder wie China, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indonesien gewinnen an Einfluss und fordern die westliche Vorherrschaft heraus. Sie streben eine multipolare Friedensordnung an, in der auch die USA als gleichberechtigter Partner willkommen sind.
Die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten beschleunigen die Erosion der westlichen Dominanz, und verstärken die wachsende Skepsis gegenüber westlichen Ansprüchen auf globale Führung. (53)
84 Jahre vor dem nächtlichen US-Angriff mit dem höhnischen Code-Namen " Midnight Hammer" (deutsch: „Mitternachthammer) auf die Atomanlagen im Iran, am 22. Juni 1941, begann Hitlers Vernichtungskrieg "Barbarossa" gegen die Sowjetunion. Der US-Angriff vom 22. Juni 2025 mit dem “) war eine groß angelegte, wochenlang vorbereitete koordinierte Militäraktion gegen die wichtigsten iranischen Atomanlagen unter Einsatz von sieben strategischen US-Bombern vom Typ B-2 Spirit, die ein Dutzend bunkerbrechende Bomben des Typs GBU-57 einsetzten. Zusätzlich wurden rund 30 Tomahawk-Marschflugkörper von US-Marineplattformen und U-Booten aus abgefeuert. Diese Raketen trafen die Anlagen in Natanz und Isfahan aus einer Entfernung von etwa 640 Kilometern. (54) Die wichtigsten Ziele waren die Nuklearkomplexe in Natanz und Isfahan sowie insbesondere die unterirdische Urananreicherungsanlage in Fordo, die laut US-Präsident Trump „vollständig zerstört“ wurde. (55)
Die Operation wurde von US-Präsident Donald Trump und Verteidigungsminister Pete Hegseth als „überwältigender Erfolg“ bezeichnet. Die Internationale Atomenergiebehörde bestätigte die Angriffe auf die genannten Anlagen. (56)
In den frühen Morgenstunden des 22- Juni gab US-Präsident Donald Trump bekannt, (57) dass alle iranischen Atomanlagen komplett zerstört seien und drohte dem Iran mit weiteren, viel größeren Attacken. Auf seiner Plattform "Truth Social" schrieb Trump: „Dies ist ein historischer Moment für die Vereinigten Staaten von Amerika, Israel und die ganze Welt. Der Iran muss jetzt zustimmen, diesen Krieg zu beenden. Danke!“ (58)
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dankte dem US-Präsidenten: „Ihre mutige Entscheidung, die nuklearen Anlagen Irans mit der gewaltigen und gerechten Macht der Vereinigten Staaten ins Visier zu nehmen, wird die Geschichte verändern“, sagte Netanjahu in einer Video-Botschaft. Damit könnte Netanjahu Recht haben: Nur in welche Richtung? Der Iran bestätigte einen Angriff auf die unterirdische Uran-Anreicherungsanlage in Fordo sowie die Standorte Natans und Isfahan. Irans Außenminister Abbas Araghtschi kündigte an: „Die Ereignisse von heute Morgen sind ungeheuerlich und werden dauerhafte Folgen haben.“ Davon darf ausgegangen werden, denn der US-Angriff auf iranische Atomanlagen stellt eine komplexe Herausforderung für das internationale Recht dar. Er wird von den USA als legitimer Akt der Selbstverteidigung gegen eine angebliche atomare Bedrohung dargestellt – das was bisher bei allen gefakten Angriffskriegen der USA der Fall –, während viele andere Staaten und internationale Organisationen ihn als Bruch des Völkerrechts und eine Gefährdung des Weltfriedens ansehen. Der ohne UN-Mandat erfolgte Angriff stellt einen klaren Völkerrechtsbruch dar, der die USA international isoliert und Gegenreaktionen legitimiert.
Die USA, die sich als Verteidiger von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und einer regelbasierten Weltordnung präsentieren, haben mit dem klaren Bruch des Völkerrechts – insbesondere des Gewaltverbots der UN-Charta – ihre eigene regelbasierten Weltordnung der Lächerlichkeit preisgegeben und sind damit endgültig als glaubwürdige Hüter dieser Werte unglaubwürdig geworden. Mit der Missachtung der zentralen Prinzipien des Völkerrechts schwächen die USA das gesamte System der internationalen Rechtsordnung und haben für immer das in der UN-Charta verankerte Gewaltverbot, eine der tragenden Säulen der Nachkriegsordnung, ausgehebelt. Während die USA andere Staaten für Völkerrechtsverstöße sanktionieren oder kritisieren, setzen sie sich im eigenen Handeln darüber hinweg. Mit ihrem dem Weltfrieden entgegenstehenden Exzeptionalismus haben die USA weiter Zynismus sowie Misstrauen gegenüber internationalen Institutionen gefördert.
Die Missachtung des Völkerrechts durch einen UN-Vetomachtstaat wie die USA schwächt das Vertrauen in Institutionen wie die Vereinten Nationen, den Internationalen Gerichtshof und die Internationale Atomenergiebehörde. Die Handlungsfähigkeit und Autorität dieser Institutionen werden dadurch nachhaltig beeinträchtigt. So ist zu befürchten, dass das Risiko von Präventivschlägen, regionalen Eskalationen und einer allgemeinen Destabilisierung der internationalen Beziehungen steigen wird.
Donalds Trumps verwirrende Hakenschläge im Israel-Iran-Konflikt sorgen für Kopfschütteln und erschüttern den Glauben an den Friedenswillen der USA weiter.
Zunächst ein 48-Stunden-Ultimatum an den Iran mit Androhung des Kriegseintritts der USA, nach Ablauf des Ultimatums dann doch kein Kriegseintritt, sondern die Ankündigung einer zweiwöchigen Verhandlungsfrist – und in den Morgenstunden des 22. Juni 2025 plötzlich der US-Angriff auf den Iran mit B2-Tarnkappenbombern. Was soll man davon halten?
Ist der US-Präsident der unberechenbare Narzist, als der er in der Main-Stream-Presse gern dargestellt wird? Wohl kaum, denn dann wäre er von den im Hintergrund agierenden Strategen längst gestoppt worden.
Sind seine plötzliche Kehrtwendungen gezielt platziert, um im Kampf gegen die Kriegstreiber Verwirrung zu stiften? Oder hat ihn Netanjahu in der Hand?
Möglicherweise tobt in den USA ein strategischer Kampf, und Trump spielt nur scheinbar der Weltkriegslobby in die Hände. Dafür spricht die Tatsache, dass der Iran vorher über den nächtlichen Angriff informiert war. Möglicherweise aber hat Netanjahu nach der Ankündigung der 2-Wochen-Frist bei Trump interveniert – was ein Zeichen dafür sein könnte, dass Israel keine 2 Wochen mehr in diesem Krieg ohne US-Beteiligung durchhält.
Man sollte eine Politik immer nach ihrem Effekt beurteilen und davon ausgehen, dass dieser Effekt gewollt ist. Demnach wäre ein Effekt von Trumps Politik sicherlich, dass die arabischen Staaten und vielleicht der ganze globale Süden sich noch enger gegen das US-Israel-Imperium zusammenschließen.
Ein weiterer Effekt wäre die steigende Weltkriegsangst in Europa, was die Rüstungs- und Kriegsvorbereitungsanstrengungen befeuert. Dies wiederum ist im Sinne der Strategie, Europa Krieg gegen Russland führen zu lassen.
Die Welt verändert sich. Die "Goldene Milliarde" (Borrell) wird irgendwann mit den anderen 7 Milliarden das Teilen lernen müssen. Hoffen wir, dass der Einfluss der Bilderberger schwindet und sich mehr Verständnis für den über 400 Jahre unterdrückten globalen Süden breit macht. Es bleibt spannend!
https://www.business-leaders.net/bilderberger-treffen-deutsche-teilnehmer-hauptthemen-und-ziele/
https://www.reuters.com/world/bilderberg-group-meets-sweden-amid-us-europe-tensions-2025-06-12/
https://www.reuters.com/world/bilderberg-group-meets-sweden-amid-us-europe-tensions-2025-06-12/
Ebda.
https://www.geni.com/people/Prince-Bernhard-of-Lippe-Biesterfeld/2435340
https://archive.org/download/dokumente-rechtslage-deutschland-artikel/Bilderberg-Konferenz.pdf
https://archive.org/download/dokumente-rechtslage-deutschland-artikel/Bilderberg-Konferenz.pdf
PPT-Folie aus dem Vortrag von Wolfgang Effenberger
https://europainfo.at/wp-content/uploads/2022/01/Pioniere_der_EU.pdf; https://www.lieber-zu-ende-denken.de/aktuelles/die-geschichte-der-europaeischen-union-von-den-anfaengen-bis-zur-gegenwart/
https://en.wikipedia.org/wiki/Prince_Bernhard_of_Lippe-Biesterfeld
https://www.welt.de/geschichte/article247824328/Prinz-Bernhard-Er-wusste-von-seiner-NSDAP-Mitgliedschaft.html; https://www.juedische-allgemeine.de/politik/prinz-bernhard-war-mitglied-der-nsdap/
https://en.wikipedia.org/wiki/Prince_Bernhard_of_Lippe-Biesterfeld
https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/history-eu_de; https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/history-eu/1945-59_de
Ebda.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Teilnehmern_an_Bilderberg-Konferenzen
https://kurier.at/wirtschaft/experte-was-es-mit-den-bilderberg-treffen-auf-sich-hat/4007301926)
https://www.deutschlandfunk.de/vor-60-jahren-geheimnisumwittertes-treffen-der-maechtigen-102.html; https://kurier.at/wirtschaft/experte-was-es-mit-den-bilderberg-treffen-auf-sich-hat/400730193
https://www.brennpunkt-welt.ch/jahresr%C3%BCckblick-2020/r%C3%BCckblick-2020-2/juni/
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Verschw%C3%B6rungstheorien
https://www.business-leaders.net/bilderberger-treffen-deutsche-teilnehmer-hauptthemen-und-ziele/; https://www.reuters.com/world/bilderberg-group-meets-sweden-amid-us-europe-tensions-2025-06-12/
https://www.business-leaders.net/bilderberger-treffen-deutsche-teilnehmer-hauptthemen-und-ziele/
https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2025/01/15/faq-geheimplan-recherche-correctiv/
https://www.deutschlandfunk.de/potsdamer-treffen-remigration-afd-100.html
https://www.phineo.org/magazin/interview-schraven-nazis-machen-nazisachen
https://nnews.no/bilderberg-group-meets-in-sweden-amid-us-europe-tensions/
https://www.business-leaders.net/bilderberger-treffen-deutsche-teilnehmer-hauptthemen-und-ziele/
https://www.reuters.com/world/bilderberg-group-meets-sweden-amid-us-europe-tensions-2025-06-12/
https://www.business-leaders.net/bilderberger-treffen-deutsche-teilnehmer-hauptthemen-und-ziele/
https://www.ihk.de/gera/magazin/wirtschaft/md-exporttag-6247890
https://www.europaimunterricht.de/krieg-und-frieden-in-europa
https://amerika21.de/analyse/264486/ueberfaellige-abrechnung-mit-dem-westen
https://internationalepolitik.de/de/die-stabilisierung-der-weltordnung
https://www.deutschlandfunk.de/usa-drohen-dem-iran-mit-weiteren-luftschlaegen-100.html
Ebda.
Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Im Sommer 2025 toben auf der Welt in Israel/Palästina, der Ukraine, im Sudan, in Myanmar, im Jemen, in der Demokratischen Republik Kongo Kriege und Bürgerkriege.
Mindestens zwei dieser Konflikte – in der Ukraine und in Nahost – bergen das Potential, zu einem Weltkrieg zu eskalieren, der die Zivilisation vernichten könnte. Daneben besteht die Gefahr der Folgen des von Präsident Trump initiierte Zoll- und Handelskrieg zu einem Zusammenbruch des ohnehin schon fragilen globalen Finanzsystems. Die Welt scheint aus den Fugen zu geraten, ähnlich wie im Sommer 1914 nach dem Terroranschlag auf Österreich-Ungarn durch die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 (vor 111 Jahren). Das Attentat – die jugendlichen Täter waren in Belgrad vom serbischen Geheimdienst ausgebildet und nach Sarajewo geschleust worden – löste in der Folge den ersten Weltkrieg aus, dessen Verwerfungslinien, die 1914 in die Katastrophe des 20. Jahrhunderts geführt haben, bereits nach der Auflösung der Sowjetunion wieder sichtbar wurden und heute unübersehbar sind.
Bis heute sind jedoch im Westen die Hintergründe der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz-Ferdinand in Sarajevo, die zunächst zum Schlag gegen Serbien und nachfolgend zur offiziellen Kriegserklärung führten, nicht aufgeklärt.
Nachdem Serbien das österreichische Ultimatum zurückwies – Grund war die Forderung Österreichs, an den Ermittlungen gegen die Terroristen teilzunehmen – wurde 30 Tage nach dem Attentat am 28. Juli 1914 Serbien der Krieg erklärt.
Zum Vergleich: Nur 27 Tage nach dem Attentat vom 11. September 2001 begannen die USA ihren nicht erklärten Krieg gegen Afghanistan, ein Land, das nachweislich an dem Terroranschlag nicht beteiligt war.
Deutschland erklärte am 1. August 1914 Russland den Krieg, nachdem Russland seine Armee mobilisiert hatte. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte den Zaren Nikolaus II. vorher verzweifelt darum gebeten, die russische Mobilmachung zurückzunehmen. Am 1. August 1914 hatte Russland bereits an der Ostgrenze von Ostpreußen die Armee Rennenkampff und an der Südflanke Ostpreußens die Armee Samsonow in Stellung gebracht. Am 1. August 1914 nahmen beide Armeen ihre Aufklärungstätigkeit in Ostpreußen auf. In Großbritannien liefen die Kriegsvorbereitungen gegen Deutschland seit der Gründung des Committee of Imperial Defence (CID; auf deutsch: „Ausschuss für imperiale Verteidigung“) im Jahr 1904. In diesem Ausschuss wurde in Absprache mit Frankreich die britische Aufstellung eines Expeditionskorps in einer Stärke von 180.000 Mann für Belgien vorbereitet und in der Marineabteilung die umfassende Blockade Deutschlands akribisch ausgearbeitet. (1)
All diese Fakten finden heute in den Geschichtsbüchern und in den Medien kaum eine Erwähnung.
Am 13. Juni 1913 fanden überall im Kaiserreich Festveranstaltungen zum 25. Regierungsjubiläum des Deutschen Kaisers Wilhelm II. statt und Ludwig Geiger – Herausgeber der Allgemeinen Zeitung des Judentums – hob die 25 Regierungsjahre des Kaisers als eine Zeit gesegneten Friedens hervor. Geiger beschrieb den Kaiser als leuchtendes Beispiel unermüdlicher, viel seitiger Tätigkeit. „So schlingt sich zwischen dem Monarchen und dem Volke ein Band inniger Herzlichkeit. Selbst die Unzufriedenen – und deren gibt es wie jedem Monarchen gegenüber, gar manche in vielen Kreisen – sehen in ihm nicht nur den Herrscher, sondern den Vater und den Führer.“ (2)
An der Spitze der Abordnung aus den Vereinigten Staaten von Amerika stand kein geringerer als der Milliardär Andrew Carnegie. Von Präsident Wilson lag ein Gratulationstelegramm vor: „In der aufrichtigen Hoffnung, daß eine lange Dauer Eurer Majestät segensreicher, friedlicher Regierung dem großen deutschen Volke wachsenden Segen bringen möge, bringe ich Euer Majestät die herzlichsten Glückwünsche der Regierung und des Volkes zum 25jährigen Tage von Euer Thronbesteigung dar.“ (3)
Ebenso hatte auch der British Council der vereinigten kirchlichen Komitees zur Pflege freundschaftlicher Beziehungen Abordnungen entsandt. In der Ergebenheitsadresse der englischen Kirchen betonte Bischof Boyd Carpenter den außergewöhnlichen Fortschritt in der materiellen, moralischen und intellektuellen Wohlfahrt des deutschen und seines eigenen Volkes, um dann festzustellen: „Ein solcher Fortschritt ist nur möglich, wenn die Völker frei sind von den Besorgnissen und Störungen des Krieges, und wir erkennen es mit Dankbarkeit an, daß die Erhaltung des europäischen Friedens nächst Gott in nicht geringem Maße auf den früh gebildeten und unermüdlich festgehaltenen Entschluß Eurer Majestät zurück zuführen ist, die Segnungen des Friedens zu fördern und zu erhalten“. (4)
„Wir sind alle überzeugt“, so Ludwig Geiger, „dass das Herz unseres Kaisers von wahrhafter Friedensliebe erfüllt ist, dass er bis zum letzten Momente aufrichtig gesprochen und energisch alles getan hat, um den Krieg zu verhindern. Nicht also ihm, sondern den Hetzern in West und Ost, den Kulturstörern, obgleich sie als die echten Träger der Kultur sich gern bezeichnen, müssen die Friedensfreunde die Schuld geben an dem Unheil, das über die ganze Welt heraufgezogen ist.“ (5) „Mit einem starken Glücksgefühl, mit leuchtenden Augen sind im Augenblick einer nationalen Erhebung ohnegleichen auch alle jene zu den Fahnen geeilt, die sich im deutschen Vaterland zur mosaischen Religion bekennen,“ (6) schreibt Margarete Marasse in ihrem Artikel "Der heilige Krieg" am 4. September 1914 in der Allgemeinen Zeitung des Judentums.
Daneben drängten aber auch Juden in wehrhaftem Alter aufgrund der Religionsvorschriften massenhaft zu den Fahnen. Darunter viele Tausende von Freiwilligen, die entweder ihren Jahren nach noch zu jung oder anderweitig von der Wehrpflicht befreit waren. In Tunis wurde das Ehepaar Feuchtwanger vom Kriegsausbruch überrascht und dort interniert. Lion Feuchtwanger, Sohn eines orthodox-jüdischen, deutsch patriotischen großbürgerlichen Margarinefabrikanten, entkommt und schlägt sich nach München durch, wo er unverzüglich seinen Militärdienst antritt. Von den ca. 550.000 1914 in Deutschland lebenden Juden (7) dienten 100.000 Juden aus Deutschland, wovon rund 77.000 bis 78.000 direkt an der Front eingesetzt waren. Etwa 12.000 jüdische Soldaten fielen im Krieg, 30.000 wurden mit Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet und 19.000 befördert, darunter etwa 2.000 zu Offizieren. (8)
Diese Zahlen zeigen, dass der Anteil jüdischer Soldaten dem anderer vergleichbarer sozialer Gruppen entsprach und dass sich jüdische Deutsche in hohem Maße patriotisch engagierten. (9)
Das hatte einen Grund:
1914 war die Lage der Juden im Deutschen Kaiserreich durch rechtliche Gleichstellung, gesellschaftliche Integration und eine vergleichsweise hohe Akzeptanz gekennzeichnet, während im zaristischen Russland das Verhältnis zur jüdischen Minderheit von Diskriminierung, Entrechtung, Gewalt und existenzieller Unsicherheit geprägt war. (10)
Sie durften sich nur im sogenannten Ansiedlungsrayon niederlassen und waren von vielen Berufen, dem Hochschulzugang und politischer Teilhabe ausgeschlossen. (11)
Wiederkehrende Pogrome, Plünderungen und Massendeportationen prägten das Leben. Juden waren gesellschaftlich ausgegrenzt, Zielscheibe von Hass und staatlicher Repression Besonders während des Ersten Weltkriegs wurden Juden als „innere Feinde“ angesehen, pauschal der Spionage verdächtigt, aus Frontgebieten deportiert und Opfer von Massakern und Geiselnahmen.(12) Zwischen 1881 und 1914 waren etwa zwei Millionen Juden vor Pogromen und Diskriminierung geflohen, viele nach Deutschland, England und in die USA. (13) So konnte die Mehrheit der deutschen Juden nicht nachvollziehen, wie das zivilisierte England, in den die jüdische Bevölkerung sich ebenso geborgen fühlte wie in Deutschland, mit Russland gegen Deutschland kämpfen konnte.
In seiner Rede vor dem britischen Unterhaus betonte Disraeli am 9. Februar 1871 – am 18. Januar 1871 war im Schloss Versailles das Deutsche Kaiserreich ausgerufen worden –wie tiefgreifend für ihn die Bedeutung der Gründung des Deutschen Kaiserreichs für das europäische Machtgefüge war:
„Dieser Krieg bedeutet die deutsche Revolution, ein größeres politisches Ereignis als die Französische Revolution des vergangenen Jahrhunderts. [...] Das Gleichgewicht der Macht ist völlig zerstört worden und das Land, das am meisten darunter leidet und das die Auswirkungen dieses großen Wandels am meisten spürt, ist England.“ (14)
Disraeli warnte, dass durch die Reichsgründung alle bisherigen außenpolitischen Grundsätze und diplomatischen Traditionen Großbritanniens hinfällig geworden seien. Großbritannien müsse sich auf eine „neue Welt, neue Einflüsse am Werk, neue und unbekannte Größen und Gefahren“ einstellen. Vor allem sah er die britische Vormachtstellung und das europäische Mächtegleichgewicht massiv bedroht. (15)
Disraeli ging es um nichts anderes als die britische Vorherrschaft und die sogenannte „Balance of Power“, die es mit aller Gewalt zu verteidigen galt. Dabei war England die globale Vormachtstellung nicht auf friedlichem Weg zugefallen. Im Gegenteil! Der britische Aufstieg zur Weltmacht, insbesondere während des Imperialismus und der Kolonialzeit, war gekennzeichnet von brutaler Ausbeutung und Unterdrückung sowie von Kriegn geen die Konkurrenzmächte. England bzw. später Großbritannien verlangte, dass im Laufe der Geschichte verschiedene Großmächte „aus dem Weg geräumt“ oder dass zumindest deren Einfluss zurückdrängt werden musste.
Im 16. und 17. Jahrhundert war Spanien die führende Seemacht Europas. Der entscheidende Wendepunkt war die Niederlage der spanischen Armada 1588 gegen England. Später, im 18. Jahrhundert, wurde Spanien endgültig von Großbritannien als dominierende Seemacht abgelöst.
Frankreich war über Jahrhunderte der wichtigste Rivale Englands – sowohl in Europa als auch in Übersee. Besonders im 18. Jahrhundert standen sich beide Mächte in zahlreichen Kriegen gegenüber, etwa im Siebenjährigen Krieg (1756–1763), der mit einem klaren Sieg Großbritanniens endete. Im 19. Jahrhundert kollidierten die Interessen beider Staaten erneut, etwa in der Faschoda-Krise 1898, die jedoch diplomatisch beigelegt wurde.
Im 17. Jahrhundert waren die Niederlande eine führende Handels- und Seemacht. In mehreren Seekriegen (Englisch-Niederländische Seekriege) setzte sich England durch und verdrängte die Niederlande als wichtigste Handelsmacht auf den Weltmeeren.
Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde das Deutsche Kaiserreich zum wichtigsten Rivalen Großbritanniens. Im angeblichen Flottenwettrüsten blieb Deutschland nicht mehr als ein Papiertiger: Die deutsche Kriegsflotte blieb während des Kriegs – bis auf einen kleinen Ausflug im Mai 1916, der fast tödlich geendet hätte – aus Sicherheitsgründen in den deutschen Häfen. Sie war in jeder Hinsicht chancenlos. Nach dem US-Marinestrategen Alfred Thayer Mahan (1840-1914) besteht die Kampfkraft der Marine aus den Faktoren Flottenstärke und weltweiten Stützpunkten. Ist ein Faktor Null, dann ist auch die Kampfkraft Null. Und Deutschland hatte so gut wie keine Seebasen.
Im Ersten Weltkrieg wurde Deutschland schließlich militärisch besiegt und durch den Versailler Vertrag politisch und wirtschaftlich geschwächt. (16)
Bis zum Ersten Weltkrieg war auch Österreich-Ungarn eine europäische Großmacht, die im Rahmen der europäischen Mächtepolitik eine Rolle spielte. Nach dem Ersten Weltkrieg zerfiel das Habsburgerreich und war keine Konkurrenz mehr.
Spielte im imperialistischen Zeitalter eine untergeordnete Rolle, war aber Teil des europäischen Mächtegleichgewichts.
Erst im 20. Jahrhundert wurden diese Staaten zu globalen Rivalen Großbritanniens, insbesondere im Pazifik und im Bereich der Weltwirtschaft.
Die sogenannte Thukydides-Falle beschreibt das historische Muster, dass ein Krieg sehr wahrscheinlich wird, wenn eine aufstrebende Macht eine etablierte Großmacht herausfordert und deren Vormachtstellung bedroht. (17) Dieses Konzept wurde von Graham Allison geprägt und auf viele historische Konstellationen angewendet – darunter auch das Verhältnis zwischen England (Großbritannien) und Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg.
Nach der Reichsgründung 1871 stieg Deutschland rasant zur wirtschaftlichen und militärischen Großmacht auf und begann, Großbritannien – die bis dahin unangefochtene Welt- und Seemacht – herauszufordern. Das wird immer wieder mit einem angeblichen Anspruch auf „einen Platz an der Sonne“ in Verbindung gebracht.
Dabei handelt es sich um das berühmte Zitat von Bernhard von Bülow, dem damaligen deutschen Reichskanzler. Dieses so gut wie nie vollständig wiedergegebene Zitat lautet:
„Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne. Unerworbene Rechte beanspruchen wir nicht, aber wir wollen auch die uns gebührenden Rechte unverkürzt und ungeschmälert wahren. Das deutsche Volk ist arbeitsam, friedliebend und duldsam; aber es ist auch stolz, und es ist sich seiner Würde bewußt. Wie die anderen großen Völker, so haben auch wir das Recht, einen größeren Anteil an der zivilisatorischen Arbeit der Menschheit, an den Gütern und Schätzen der Erde zu verlangen.“ (18)
Welch menschenverachtende Dimensionen haben in der heutigen Zeit dagegen die exzeptionalisten Aussagen eines Obama, Biden oder Trump?
Das Deutschland vor 1914 wird allgemein als Militärmacht gesehen, die Zahlen zeigen jedoch ein anderes Bild:
Als Antwort auf die unmittelbar mit Kriegsbeginn einsetzenden Greuelpropaganda gegen Deutschland fertigte der Patriot mit jüdischen Wurzeln, Louis Oppenheim, eine Gegenüberstellung der Kulturleistungen an, an denen die jüdische Minderheit in Deutschland großen Anteil hatte.
Deutschland tappt in die klassische Thukydides-Falle
Die nach dem britischen Burenkrieg (1899-1902 – Milners first war) 1904 von Großbritannien aufgenommenen Kriegsvorbereitungen gegen Deutschland entsprachen dem klassischen Muster der Thukydides-Falle: Die aufstrebende Macht (Deutschland) forderte die etablierte Macht (England) heraus, was zu wachsender Unsicherheit, Misstrauen und schließlich zur Bereitschaft führte, einen Krieg zur Wahrung des Status quo zu riskieren. (19)
Die Thukydides-Falle liefert ein Erklärungsmodell dafür, warum es zwischen England und Deutschland zu einem strukturellen, kaum vermeidbaren Konflikt kam: Der rasante Aufstieg Deutschlands und die daraus resultierende Furcht Englands vor dem Verlust der eigenen Vormachtstellung führten zu einer Spirale von Misstrauen, Rüstungswettlauf und schließlich zum Ersten Weltkrieg – ganz im Sinne der historischen Warnung Thukydides’. (21)
Der einzige Feind des Staates Israel ist derjenige, der seit 80 Jahren jeglichen Friedensversuch zwischen Juden und Arabern sabotiert: nämlich das Vereinigte Königreich.
Bereits 1915 beschloss das Foreign Office seinen Plan mit dem Titel "Die Zukunft Palästinas". (22) Im Mandatsgebiet Palästina sollte ein jüdischer Staat errichtet werden, der aber keineswegs in der Lage sein sollte, für seine eigene Sicherheit zu sorgen. Erst zwei Jahre später entwarf die Regierung von David Lloyd George die Balfour-Deklaration, in der sie die Schaffung der Jüdischen Nationalen Heimstätte ankündigte, und in der die Regierung Woodrow Wilson sich verpflichtete, für die Juden des Osmanischen Reiches einen unabhängigen Staat zu schaffen.
Der Autor der Deklaration, Lord Herbert Samuel, wurde britischer Hochkommissar für Palästina. Konsequent begünstigte er auf der einen Seite Jabotinskys "revisionistische Zionisten" und auf der anderen Seite den Antisemiten Mohammed Amin al-Husseini als Großmufti von Jerusalem. Anschließend wurde er in der Regierung von Archibald Sinclair zum Staatssekretär für Inneres ernannt.
Diese Politik setzt sich ununterbrochen bis zum heutigen Tag fort: Das Vereinigte Königreich unterstützt nach wie vor mit der einen Hand den "revisionistischen Zionisten" Benjamin Netanjahu und mit der anderen die Muslimbruderschaft, deren palästinensische Sektion die Hamas ist. (23)
Im Rückblick auf das Jahr 1915 schrieb Martin Philippson unter dem Titel „Rückblick auf das Jahr 5674“ im Jahrbuch für jüdische Geschichte und Literatur einen Essay, der die Lage der jüdischen Gemeinschaft im Kontext des Ersten Weltkriegs reflektierte. (24)
„Es ist leider so gekommen, und das grausige Morden dauert schon 15 Monate fort, ohne daß ein Ende abzusehen wäre. Eine furchtbare Prüfung für die Menschheit, wie solche sie seit den Mongeolenüberflutungen nicht mehr betroffen hat“. Dann ging Philippson auf die lage der deutschen Juden ein: Wir haben „bei all dem öffentlichen und privaten Kummer und Angstgefühl einen doppelten Trost. Nicht Deutschland und das ihm verbündete Österreich-Ungarn sind an dem Unheil schuldig, sondern die tückischen und neidischen Leiter der uns feindlichen Staaten, die eingestandenermaßen seit vielen Jahren den Vernichtungskrieg gegen uns geplant und sorgsam vorbereitet, die uns mit Schmähungen und Kränkungen bis auf das Blut gepeinigt hatten. Und zweitens: der Sieg hat sich bereits dauernd an unsere und unserer Verbündeten Fahnen geheftet. Allerorten sind sie weit in Feindesland eingedrungen, und alle Versuche der Gegner, uns daraus zu vertreiben, sind blutig gescheitert. Wir sind im Begriff, durch den Balkankrieg das afrikanische und asiatische Reich Großbritanniens in seiner Wurzel zu bedrohen“.
Dagegen setzten Briten und Franzosen 1916 das Sykes-Picot-Abkommen und legten mit den künstlichen Grenzziehungen und der internationalen Verwaltung Palästinas den Grundstein für die bis heute anhaltenden Konflikte und territorialen Streitigkeiten in der Region. Großbritannien und Frankreich teilten in diesem geheimen Abkommen die arabischen Provinzen des zerfallenden Osmanischen Reichs in Einflusszonen auf, ohne Rücksicht auf die ethnischen, religiösen oder historischen Gegebenheiten der Region zu nehmen. (25)
Palästina wurde dabei als besonders sensibler Bereich unter internationale Verwaltung gestellt, während die angrenzenden Gebiete wie Syrien, Libanon, Irak und Jordanien direkt den Einflusszonen Frankreichs beziehungsweise Großbritanniens zugeordnet wurden. (26) Die genaue Ausdehnung Palästinas blieb umstritten, was zu späteren Konflikten beitrug.
Die willkürliche Grenzziehung und die konkurrierenden Versprechen an verschiedene Bevölkerungsgruppen – etwa an Araber und Zionisten – verhinderten eine nationale Einigung und schufen die Grundlage für viele der heutigen Konfliktlinien, insbesondere im Israel-Palästina-Konflikt (27). Die im Sykes-Picot-Abkommen festgelegten Mandatsgebiete wurden nach dem Ersten Weltkrieg vom Völkerbund offiziell bestätigt und bildeten die Basis für die heutigen Staatsgrenzen im Nahen Osten.
Ein Jahr nach dem Sykes-Picot-Abkommen folgte am 2. November 1917 die maßgeblich von britischen strategischen Interessen geprägt Balfour-Deklaration. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Großbritannien weiterhin im erbitterten Krieg gegen die Mittelmächte, und in Russland übernahmen die Bolschewiki die Macht. Damit drohte Russland als Verbündeter auszufallen. Die britische Regierung suchte nun nach Wegen, neue Unterstützung zu gewinnen, insbesondere von jüdischen Gemeinden in den USA und dem Commonwealth Russland. Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, dass sich in der Entente nur vereinzelte Stimmen gegen die russischen Greuel an der jüdischen Minderheit zu hören waren. Die englische Regierung unterdrückte sogar Zeitungen, die gegen die russische Schande Protest erhoben.
Im Nahen Osten standen die britischen Truppen kurz vor der Eroberung Jerusalems von den Osmanen (dies geschah im Dezember 1917). Die Kontrolle über Palästina wurde für Großbritannien strategisch immer wichtiger, weshalb die Unterstützung der zionistischen Bewegung als nützlich angesehen wurde.
Vorausschauend war im August 1917 offiziell die Jüdische Legion (28) (ca. 5.000 Soldaten) gegründet worden. Sie war ab Frühjahr 1918, insbesondere ab Juni 1918, während des britischen Vormarschs gegen die Osmanen in Palästina militärisch aktiv.
Während Deutschland jüdische Soldaten als Teil der regulären Truppe (ca. 100.000) einsetzte, hatte Großbritannien erstmals eine jüdische Kampfeinheit geschaffen.
Für das britische Empire war Palästina ein wichtiger geostrategischer Puffer und eine Landbrücke zwischen dem Mittelmeer und dem Persischen Golf, um den Einfluss von Indien bis Ägypten zu sichern. Die Unterstützung für die zionistische Bewegung war somit auch ein Mittel, um die eigene Kontrolle und den Einfluss in der Region zu stärken. (29)
Sie ist ein zentrales Beispiel für die britische Politik des „Teile und Herrsche“ im Nahen Osten. Großbritannien versprach in dieser Zeit verschiedenen Gruppen widersprüchliche Dinge: In der Balfour-Deklaration wurde den Juden eine „nationale Heimstätte“ in Palästina zugesichert, während gleichzeitig in der Hussein-McMahon-Korrespondenz von 1916 den Arabern ein unabhängiges arabisches Königreich einschließlich Palästinas in Aussicht gestellt wurde. (30) In der Balfour-Erklärung selbst wurde zwar betont, dass die Rechte der nicht-jüdischen Gemeinschaften nicht beeinträchtigt werden sollten, doch die praktische Umsetzung führte zu massiven Spannungen und Konflikten zwischen Juden und Arabern. (31)
Diese widersprüchlichen Zusagen dienten britischen Interessen: Sie sollten die Unterstützung sowohl jüdischer als auch arabischer Gruppen im Krieg sichern und Großbritannien nach dem Ersten Weltkrieg eine starke Position im Nahen Osten verschaffen. Das Prinzip, verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen, um die eigene Kontrolle zu sichern, ist ein klassisches Beispiel für „Teile und Herrsche“. (32)
Viele Zeitgenossen – auch jüdische Intellektuelle – sahen darin einen Versuch, die Juden als „Brückenkopf“ britischer Interessen zu instrumentalisieren.
Erfolgreich hatte Großbritannien seit Anfang des 20. Jahrhunderts die separatistischen Bewegung in Österreich-Ungarn und in Serbien unterstützt.
Politische Vorgänge lassen sich fast immer nach den Effekten beurteilen. 1917 kam es zur Deklaration von Korfu. Die britische Regierung und die serbische Exilregierung – sie residierte auf Korfu im Nebengebäude des britischen Hauptquartiers – beschlossen darin als Nachfolge des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn die Gründung eines probritischen Südslawischen Vielvölkerstaat, Jugoslawien, dessen Reste dann 1999 bombardiert wurden, nachdem sich Serbien und Montenegro nicht mehr dem britischen Hegemon unterwerfen wollten.
Innerhalb der jüdischen Gemeinschaft gab es von Anfang an kontroverse Debatten über den Zionismus und die praktische Umsetzung einer jüdischen Heimstätte in Palästina. Nicht wenige warnten vor den politischen und sozialen Folgen einer massenhaften jüdischen Einwanderung und Besiedlung, insbesondere angesichts der ablehnenden Haltung der arabischen Bevölkerung und der daraus resultierenden Spannungen. Einige jüdische Intellektuelle und Rabbiner – etwa Mitglieder der Organisation „Brit Shalom“ (33) oder Persönlichkeiten wie Martin Buber und Judah Magnes – forderten einen binationalen Staat und kritisierten die nationalistische Ausrichtung des Zionismus. Sie befürchteten, dass eine einseitige Besiedlung und die Unterstützung durch die Kolonialmacht Großbritannien langfristig zu Konflikten führen und das jüdische Projekt diskreditieren könnte.
In den 1920er und 1930er Jahren war die Skepsis gegenüber der britischen Politik und der zionistischen Siedlungspolitik innerhalb der jüdischen Gemeinschaft sehr präsent. Viele warnten davor, dass die britische Unterstützung weniger aus Solidarität mit den Juden, als vielmehr aus geopolitischen Interessen erfolgte, und dass die Juden Gefahr liefen, als Werkzeug imperialer Politik missbraucht zu werden. (34) Diese kritischen Stimmen gehören zu den wichtigen, aber oft übersehenen Aspekten der Geschichte der jüdischen Besiedlung Palästinas.
Auch andere prominente jüdische Persönlichkeiten wie der Historiker Simon Dubnow und der Schriftsteller Ahad Ha’am äußerten frühzeitig Bedenken gegen eine überstürzte oder exklusive jüdische Besiedlung Palästinas. Ahad Ha’am etwa warnte bereits 1891 in seinem berühmten Essay „Wahrheit aus Eretz Israel“ vor der Missachtung der arabischen Bevölkerung durch jüdische Siedler.
Viele Beobachter sehen in der heutigen US-Politik im Nahen Osten Parallelen zu dieser „Teile und Herrsche“-Strategie von 1915 an: Auch heute werden unterschiedliche Akteure unterstützt oder gegeneinander ausgespielt, um geopolitische Interessen durchzusetzen. Die Opfer dieser Politik sind nach wie vor sowohl Israelis als auch Palästinenser, die bis heute unter den Folgen der historischen Entscheidungen und der anhaltenden Konflikte leiden. (35)
Als Internationalisten waren die Sozialisten von Anfang an Gegner dieses jüdischen Nationalismus, der nur vom Klassenkampf ablenke. Sie erstrebten eine Lösung der Judenfrage durch Assimilation.
Die Kommunisten erkannten in der Balfour-Deklaration den Versuch des englischen Imperialismus, die Juden im östlichen Mittelmeer anzusiedeln, um den Suezkanal gegen die Freiheitsbestrebungen der Araber zu sichern, während der britische Economist die Entwicklung viel pragmatischer sah und auf die Mineralquellen Palästinas als Ersatz für einen Kuraufenthalt in Deutschland und Österreich verwies, da diese Länder doch für Jahre den Besuchern aus Westeuropa und Amerika so gut wie verschlossen sein würden. (36)
Der jüdische Historiker und Publizist Joseph Landau vertraute den britischen Versprechungen überhaupt nicht. Er sah England in der intriganten Rolle, die Russland soeben abgelegt hatte. Während Pogrome im Londoner Judenviertel, in Leeds und in Birmingham aufflammten, sollten die aus Rußland im Vertrauen auf die englische Freiheit und Gastlichkeit geflüchteten Juden zu Kanonenfutter gepresst werden. Dasselbe England spielte sich nun „als Beschützer und Förderer der Juden in der Palästina-Frage auf, gebärdete sich als Vorkämpfer der Zionisten im Streben nach der Besitznahme Palästinas für die Juden.“ (37)
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg äußerte US-Präsident Dwight D. Eisenhower die Befürchtung, dass sein israelischer Amtskollege Chaim Weizmann "Groß-Israel" verwirklichen könnte, d.h. nicht die Wiederherstellung des Königreichs Jerusalem (das bereits weitgehend im Staat Israel vorhanden war), sondern des ehemaligen assyrischen Reiches (d.h. vom Nil bis zum Euphrat). Er bat seinen Außenminister John Foster Dulles, ein Bündnis zwischen Syrien und dem Iran zu organisieren, um den israelischen Einfluss auszugleichen.
Auf Washingtons Ersuchen unterzeichnete der syrische Präsident Adib Chishakli (SSNP) (1953-1954) am 24. Mai 1953 ein militärisches Kooperationsabkommen mit dem iranischen Schah Mohammad Reza Pahlavi (38), den 1979 US-Präsident Jimmy Carter verjagte mit dem Hinweis auf dessen Anspruch, den Nahen Osten zu beherrschen, indem er nach einer „Atombombe“ strebte. (39) Kurzerhand verlegte Carter auf Anraten seines Sicherheitsberaters Zbigniew Brzeziński den Imam Ruhollah Khomeini von Frankreich nach Teheran. Israel unterstützte den Iran zunächst gegen den Irak und versorgte ihn bei Bedarf mit Waffen. Tel Aviv spielte eine Schlüsselrolle bei der Organisation und Durchführung der geheimen Waffenlieferungen an den Iran in den Jahren 1985 und 1986 (Iran-Contra-Skandal) (40).
Ein israelisch-iranisches Konsortium, das sich je zur Hälfte im Besitz der beiden Staaten befindet, betreibt weiterhin die für die israelische Wirtschaft wichtige Eilat-Aschkelon-Pipeline. Im Jahr 2018 verabschiedete die Knesset ein Gesetz, das jede Veröffentlichung über die Eigentümer dieses Unternehmens mit 15 Jahren Gefängnis bestraft (41).
Beginnend mit der angelsächsischen Invasion des Irak im Jahr 2003, angeblich wegen seiner Rolle bei den Attentaten vom 11. September 2001, begannen London und Washington, Gerüchte über eine angebliche iranische Atomwaffe zu verbreiten, wie sie es auch bei den angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak getan hatten. Damals hofften London und Washington, den Iran zwingen zu können, ihnen gegen den Irak zu helfen.
Der Führer der damaligen israelischen Opposition, Benjamin Netanjahu, griff diese Propaganda dann auf. Fünfundzwanzig Jahre lang hörte er nicht auf, die "bevorstehende" Herstellung einer iranischen Atombombe anzuprangern, obwohl Teheran bei den Vereinten Nationen einen Resolutionsantrag einreichte, der die Schaffung einer "atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten" forderte (42).
2013 verhandelte William Burns (Joe Bidens späterer Direktor der CIA) als Vize-Staatssekretär im Auftrag von Präsident Barack Obama im Oman den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) mit dem Iran. Dies geschah während der 5+1-Treffen (d.h. der fünf Atommächte im Sicherheitsrat + Deutschland) in Genf. Aber er wurde erst zwei Jahre später in Wien unterzeichnet, wobei sich die Vereinigten Staaten und der Iran eine lange Aussetzung vorbehielten, um einen geheimen Nachtrag abzuschließen.
Nach der Unterzeichnung von JCPoA 2015 in Wien verfolgte die US-Regierung unter Donald Trump ab 2017 eine radikal andere Iran-Politik: Im Mai 2018 zogen sich die USA einseitig aus dem JCPoA zurück und verhängten erneut umfassende Sanktionen. Die Trump-Administration setzte auf eine Strategie des "maximalen Drucks", um den Iran wirtschaftlich und politisch zu isolieren. Das Ziel war, Teheran zu neuen, umfassenderen Verhandlungen zu zwingen. Der Iran reagierte mit einer schrittweisen Reduzierung seiner Verpflichtungen aus dem Abkommen und intensivierte sein Atomprogramm. 2025 griffen die USA unter Trump gemeinsam mit Israel iranische Atomanlagen direkt an und zerstörten mehrere Einrichtungen, darunter Fordo. Trump verkündete, das iranische Atomprogramm sei damit „vollständig ausgelöscht“ worden. Der Iran reagierte mit Drohungen und Raketenangriffen auf Israel.
Donald Trump brach den Angriff auf den Iran vorzeitig ab, nachdem die USA nach massiven Luftschlägen auf iranische Atomanlagen eine unmittelbare militärische Eskalation befürchteten und der Iran mit Vergeltungsangriffen reagierte.
Zusammengefasst: Trump stoppte die Angriffe, um eine weitere Eskalation zu verhindern, und setzte auf eine Waffenruhe, die jedoch keine dauerhafte Lösung des Konflikts brachte und die Spannungen im Nahen Osten hochhält.
Das alles scheint auf den ersten Blick verworren. Doch beim genaueren Hinschauen wird klar: Trumps Politik bereitet die Umsetzung des US Army Operating Concept „Win in a Complex World 2020–2040“ (TRADOC 525-3-1) vor. Dieses Konzept aus dem Jahr 2014 ist kein friedenspolitisches Dokument. Es zielt auf militärische Überlegenheit und die Fähigkeit der USA, in komplexen, multipolaren Konflikten – auch gegen gleichwertige Gegner wie China oder Russland – zu siegen. Es betont die Notwendigkeit, globale Machtprojektion zu sichern, militärische Innovationen voranzutreiben und in verschiedenen Regionen der Welt flexibel und durchsetzungsfähig zu bleiben. Trumps Nahostpolitik ist eng eingebunden in die strategische Neuausrichtung der US-Streitkräfte gemäß TRADOC 525-3-1:
Weg von regionalen Dauerengagements, hin zur Vorbereitung auf einen möglichen Großmachtkrieg – insbesondere gegen China. Die Politik zielte darauf ab, den Nahen Osten zu „stabilisieren“ oder zumindest zu befrieden, soweit es US-Interessen erlauben, um Ressourcen für den globalen Machtwettbewerb freizusetzen. Für diesen globalen Machtwettbewerb wird Israel unter Netanyahu missbraucht, wie schon ab 1918 durch die Briten. Die israelische wie die palästinensische Bevölkerung befinden sich in einer kaum vorstellbaren Leidspirale. Und das kann funktionieren!
Der israelische Friedens- und Versöhnungsfreunde Reuven Moskovitz hat 1967 das israelisch-palästinensische Friedensdorf „Neve Shalom“ mitgegründet. Hier leben die Menschen schon in der dritten Generation friedlich miteinander. Es scheint aber nicht gewollt zu sein.
Seit seiner Gründung befindet sich Israel fast ununterbrochen im Krieg mit einem oder mehreren seiner Nachbarn. Es hat diese Rolle erfüllt, weil die Israelis oft dachten: Wir müssen
Seit Jahrzehnten provoziert Israel seine Nachbarn, einschließlich Ägypten, und schafft Vorwände für westliche Mächte, einzugreifen.
Das war für die westlichen Strategen das Rezept zur Aufrechterhaltung der Hegemonie über die Region. Niemand machte sich Sorgen um iranische Atomwaffen, genauso wie sich heute niemand um israelische Atomwaffen sorgt. Sie wollten einen Regimewechsel im Iran, um dort ein kooperatives Regime zu installieren. Nun hat Trump Israel zu Verhandlungen gezwungen, ohne einen Regimewechsel im Iran herbeizuführen.
Der Friedensfreund und Haaretz-Kolumnist Gideon Levy thematisiert seit 30 Jahren die israelische Besatzungspolitik. Lautstark kritisiert er vor allem das Vorgehen Israels im Gazastreifen sowie die Unterstützung der israelischen Militäroperationen. Er gibt denjenigen eine Stimme, die insgeheim gegen den Krieg sind, sich aber scheuen, diese Meinung offen zu äußern.
Am 4. März 2018 – einen Tag vor dem AIPAC-Gipfel von 2018 – hielt Levy eine vielbeachtete Rede, die heute wieder aktuell ist, wie er aktueller nicht sein könnte. Damals tobte ebenfalls ein Krieg Israels gegen die Hamas. Die Ursachen sind immer dieselben: Die jahrzehntelange und von dem gesamten Westen unterstützte Besatzung und die Rebellion dagegen. Gideon Levy erläutert den inneren Zustand der israelischen Gesellschaft und die inneren Beweggründe dazu: „Wir sind das auserwählte Volk, das über dem Recht der Außenwelt steht; wir sind die universalen Opfer, was uns das Recht gibt, uns aufzuführen, wie wir wollen; und Palästinenser sind keine Menschen wie wir, also werden wir sie entweder vertreiben oder austilgen oder beherrschen.“ (43)
Zusammenfassend stellte er dann fest:
„Noch nie zuvor haben Israel und die Vereinigten Staaten dieselben "Werte geteilt" wie in diesen Tagen. Der einzige Ort auf der Welt, an dem Donald Trump geliebt, bewundert, verehrt und geschätzt wird, ist Israel. Der einzige Ort, an dem Benjamin Netanjahu bewundert, verehrt und geliebt wird, sind die Vereinigten Staaten. Wenn das keine "gemeinsamen Werte" sind, was sind dann "gemeinsame Werte?“ (44)
Die Friedensarbeit von Levy erfuhr nicht nur vehemente Kritik, sondern auch Anerkennung:
Nach unserem Auftreten am 25. Juli 2009 auf dem Friedensfestival vor dem Brandenburger Tor habe ich Reuven Moskovitz mein Manuskript „Deutsche und Juden vor 1939“ zugeschickt und ihn 2010 in Jerusalem besucht. Ich konnte ihn als Mitautor gewinnen, der mit seinem fundierten Vorwort und Nachwort dem Buch Tiefe gab. Er schrieb im Vorwort:
„Das vorliegende Buch beleuchtet die Facetten verschiedener historischer Epochen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und lässt sich somit schwer in ein hergebrachtes Schema pressen. Es versucht wahrhaftig die relevanten Zeitströmungen einer gemeinsamen Geschichte verständlich zu machen. Einer Geschichte, die nicht nur die Diskriminierung der Juden, sondern parallel dazu auch die politischen Strömungen zur Unterdrückung anderer Minderheiten wie Katholiken und Sozialdemokraten aufzeigt. Insofern scheint mir das Manuskript eine unverwechselbare Stellung innerhalb der Literatur über die jüdische Geschichte in Deutschland einzunehmen“.
Reuven Moskovitz, der 2017 im Kreis seiner Familie in Jerusalem verstarb, war Zeit seines Lebens ein Friedensaktivist, der sich für einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina einsetzte und in Deutschland wie Israel für einen offenen Dialog warb.
Der aus Rumänien stammende Holocoustüberlebende brachte sich zunächst in einem Kibbuz ein und erlebte als Pioniersoldat den Sechstagekrieg 1967. Tatenlos musste er zusehen, wie die israelische Armee die Einwohner aus drei palästinensischen Dörfern vertrieb, um dann das Dorf dem Erdboden gleichzumachen. Ein 13-jähriger Palästinenserjunge schenkte ihm seine Mundharmonika. Diese Mundharmonika wurde zu seinem Markenzeichen.
Moskovitz’ Vermächtnis ist das eines Brückenbauers, Mahners und Hoffnungsträgers für Versöhnung und Frieden – weit über Israel hinaus.
Ausschnitt aus der Todesanzeige
Heute ist es angesichts des blutigen Krieges in der Ukraine, den Bombenangriffen auf Israel und den Iran sowie der verbissenen Umsetzung des US-Strategiepapiers „Win in a Complex World 2020-2040“ wichtiger denn je, die Friedens- und Versöhnungspolitik fortsetzen.
1914 ist niemand „schlafgewandelt“, sondern es wurde auf vorbereiteten Wegen aufmarschiert, so wie heute dank PESCO-Abkommen Straßen und Brücken in Richtung Russland „ertüchtigt“ werden.
Der "Operationsplan Deutschland", Teil der US-Strategie, ist zeitlich an der Fertigstellung der Rail Baltica ausgerichtet. Sie war für 2025 vorgesehen. Durch Kostenexplosion und Spurbreitenwechsel kommt es zu Verzögerungen bis 2029 / 2030. Andere NATO-Projekte werden dagegen bis 2026 final fertiggestellt werden, z. Bsp. das größte und modernste Eisenbahn-Instandhaltungswerk in Cottbus mit Bahnanbindung an unsere NATO-Trasse nach Kiew.
Traurig muss der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Vizepräsident des OSZE-Vollversammlung, Willy Wimmer, feststellen, dass bisher noch kein deutsches Establishment die Fremdsteuerung Deutschlands so willenlos hingenommen hat: „Wir sollen der Festlandsdegen von Nato-Entertainern werden, während sich London auf die nukleare Führungsrolle mittels der F35 in Europa vorbereitet. Die Posaunen von der Aufrüstung klingen in Deutschland schrill. Deutschland hatte nach Tauroggen (45) verinnerlicht, dass es in Europa nur dank Russland überleben konnte, und verlegte sich auf Wissenschaft und Technik, vom Handel ganz zu schweigen.“ (46) Laut Willy Wimmer sollte man in Berlin an die zivilisatorischen Leistungen des kaiserlichen Deutschlands und die Rechtstreue der deutschen Sozialdemokratie anknüpfen: „War es doch die New York Times, wie Wolfgang Effenberger nicht müde wird zu betonen, die Kaiser Wilhelm II geradezu hymnisch als Friedenskaiser pries. Das deutsche Volk will den Frieden, und den nicht durch Panzer, sondern als Raum für Leistung. Freiheit ist angesagt und nicht die Drohung mit dem Untergang.“ (47)
Siehe Wolfgang Effenberger: Europas Verhängnis 14/18, Teil 1 Die Herren des Geldes greifen zur Weltmacht Teil 2 Kritische angloamerikanische Stimmen zur Geschichte des Ersten Weltkriegs und Teil 3 Revolution Rätewirren und Versailles.
Wolfgang Effenberber/ Reuven Moskovitz: Deutsche und Juden vor 19139, Ingelheim 2013, S. 33
Ebda., S. 34
Ebda.
Allgemeine Zeitung des Judentums, 77. Jahrgang, Nr. 24 vom 20. Juni 1913, S. 296
Effenberger/Moskovitz 2013, S. 209
Diese Zahl basiert auf der Volkszählung von 1910 und berücksichtigt, dass frühere Schätzungen (wie 615.000) zu hoch angesetzt waren. Die jüdische Bevölkerung machte damit etwa 0,9% der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches aus.
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg/innenpolitik/judenzaehlung-1916; https://www.spiegel.de/geschichte/juedische-soldaten-im-ersten-weltkrieg-a-975473.html
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/erster-weltkrieg/innenpolitik/juedische-soldaten
https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2017_4_1_lieb.pdf; https://www.focus.de/wissen/experts/brenner/serie-die-deutschen-juden-im-ersten-weltkrieg-hoffnung-auf-integration-im-jahr-1914_id_3640607.html
https://ghdi.ghi-dc.org/sub_document.cfm?document_id=1849&language=german
https://www.welt.de/welt_print/wissen/article10038945/Die-erste-deutsche-Revolution.html
https://geopoliticalfutures.com/the-thucydides-trap-and-the-rise-and-fall-of-great-powers/; https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/3/beitrag/chinas-und-amerikas-geooekonomische-rivalitaet-gibt-es-die-gefahr-einer-thukydides-falle.html
Bernhard von Bülow, Reichstagsrede vom 6. Dezember 1897 (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 9. Legislaturperiode, 2. Session 1897/98, Bd. 1, S. 19).
https://ethik-und-anthropologie.de/2023/12/31/herfried-muenkler/; https://www.schaffermahlzeit.de/media/1192/rede-matthias-claussen-generalversammlung-am-05022019docx.pdf
Ebda.
https://geopoliticalfutures.com/the-thucydides-trap-and-the-rise-and-fall-of-great-powers/
Ebda.
https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/titleinfo/3116602
https://www.woz.ch/1425/aufteilung-des-nahen-ostens/ein-fatales-geheimabkommen
Ebda.
Im April 1918 schloss sich das 38. Bataillon der Royal Fusiliers mit dem 39. Bataillon zusammen, das überwiegend aus amerikanischen Freiwilligen bestand. Im Juni 1918 wurde das 38. Bataillon nach Palästina entsandt, wo die Jüdische Legion an den Kämpfen zur Befreiung Palästinas von der osmanischen Herrschaft teilnahm.
https://www.dw.com/de/100-jahre-balfour-deklaration-fragen-und-antworten/a-41208430
Diese Gruppe jüdischer Intellektueller und Akademiker setzte sich für einen binationalen Staat ein und lehnte die Vorstellung eines ausschließlich jüdischen Staates ab. Sie befürchteten, dass die britische Mandatspolitik die Juden als Instrument imperialer Interessen missbrauchen könnte.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-balfour-deklaration-von-1917-wer-hat-wem-was-versprochen-100.html; https://www.lpb-bw.de/geschichte-palaestinas
Effenberger/Moskovitz 2013, S. 250
Ebda.
Die nach Aussage von Thierry Messan vom französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing und Premierminister Jacques Chirac geliefert wurde
www.geschichte-in-5.de/index.php/12-nordamerika/71-die-iran-contra-affaere, Die ersten Lieferungen von Panzer- und Flugabwehrraketen (TOW- und HAWK-Systeme) an den Iran liefen über Israel, das als Vermittler und Logistikpartner fungierte. Israelische Stellen arbeiteten dabei eng mit US-amerikanischen Akteuren zusammen, um die Operationen zu verschleiern und die US-Politik zu umgehen, die direkte Waffenlieferungen an den Iran untersagte
Ebda.
Gideon Levy: Der zionistische Tango: ein Schritt nach links, ein Schritt nach rechts
https://seniora.org/wunsch-nach-frieden/der-wunsch-nach-frieden/gideon-levy-der-zionistische-tango-ein-schritt-nach-links-ein-schritt-nach-rechts
Ebda.
Die Konvention von Tauroggen wurde am 30. Dezember 1812 vom preußischen General Yorck von Wartenburg und dem russischen General Diebitsch geschlossen, in der Yorck eigenmächtig die Neutralität des preußischen Korps gegenüber den Russen erklärte, obwohl Preußen offiziell mit Napoleon verbündet war.
Dieser Schritt, leitete den Beginn der Befreiungskriege gegen Napoleon ein. Yorcks handlung wurde zunächst als Hochverrat betrachtet, erwies sich aber rückblickend als Wendepunkt im Kampf gegen die französische Vorherrschaft in Europa
Mail von Willy Wimmer vom 29. Juni 2025
Ebda.
Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.
Trotz der politischen Spannungen nach dem Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 war die Stimmungslage in der ersten Julihälfte 1914 geprägt von Urlaubsstimmung und einer trügerischen Normalität – an einen unmittelbar bevorstehenden Krieg dachte kaum jemand.
Angesichts der Furcht vor weiteren Anschlägen ist die Betroffenheit vieler monarchistischer Repräsentanten nach der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand durchaus nachvollziehbar (keine 24 Stunden später war der Mordanschlag auf den am Zarenhof tätigen Friedensapostel und Wunderheiler Rasputin in Sibirien erfolgt). (1)
Nicht nur in Europa wurde der Anschlag auf Franz Ferdinand als terroristischer Akt verurteilt, der Österreich-Ungarn das Recht auf Satisfaktion gab. In Wien hatte man eindeutige Hinweise, dass Belgrad für den Mord verantwortlich war. In der Tat hatte der Chef des serbischen Geheimdienstes, Dragutin Dimitrijevic-Apis, den Attentätern die Waffen geliefert, und auch der serbische Ministerpräsident, Nikola Pašic, hatte die Attentatspläne aktiv unterstütz (siehe Pašic-Handzettel mit der Anweisung, den Schülern Bomben und Revolver zu übergeben). (2)
So forderte Kaiser Wilhelm II. unnachgiebige Bestrafung der Drahtzieher und schloss auch eine Strafaktion gegen Serbien nicht aus. Für ihn war es wahrscheinlich ausgeschlossen, dass daraus ein europäischer Krieg werden könnte: Waren doch in den vorhergegangenen Jahren so viele Balkan-Spannungen vorangegangen und 1912 und 1913 sogar zwei Balkankriege geführt worden, in denen sich Deutschland und Österreich-Ungarn um Verständigung bemüht hatten. Hatte man nicht noch vor einem Jahr das Jubiläumsfest und Friedensfest des deutschen Kaisers mit den fremden Souveränen und den herzlichen Wünschen des Präsidenten der Französischen Republik gefeiert? Obwohl sich Wilhelm II. nach Wien zur Teilnahme an der Beisetzung angemeldet hatte, sagte er – auf Rat seines Kanzlers eine Erkältung vorschützend - wieder ab. Hatte er Angst, dass jene „berufsmäßigen Königsmörder“ nach seinem Leben trachten würden? Innerlich hoffte er, dass der Anschlag auf Franz Ferdinand die Monarchen Europas mit ihren Staaten und Völkern fester gegen die imaginären „Anarchistenmörder“ zusammenhalten würden und ein europäischer Krieg auszuschließen sei.
Am 5. Juli, einen Tag vor Antritt der gewohnten Nordlandreise, gab Wilhelm II dem österreichisch-ungarischen Botschafter in Berlin, Ladislaus von Szögyény-Marich, – unter Vorbehalt einer Beratung mit dem Reichskanzler – spontan die Zusicherung, dass "Deutschland in gewohnter Bundestreue an unserer Seite stehen werde".(3)
Einen Tag später bestätigte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg in einem Telegramm an den österreichisch-ungarischen Außenminister Leopold Graf Berchtold die Zusage Deutschlands, „im Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns zu stehen“. (4)
Hatte der Kaiser eine Woche nach dem Anschlag und dem vorliegenden Nachweis, dass die Spur der Attentäter nach Belgrad führte, seine Zusage gegeben, erklärte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder keine 24 Stunden nach den Terroranschlägen im Deutschen Bundestag den USA die „uneingeschränkte Solidarität“ Deutschlands.
Wörtlich sagte Schröder in seiner Regierungserklärung:
„Ich habe ihm [dem amerikanischen Präsidenten] auch die uneingeschränkte – ich betone: die uneingeschränkte – Solidarität Deutschlands zugesichert.“ (5)
Diese Zusage wurde im Bundestag parteiübergreifend unterstützt und war als politisches Signal gemeint, dass Deutschland fest an der Seite der Vereinigten Staaten steht. Schröder betonte, dass dies keine Zeit für ein „Ja, aber“ sei, sondern für ein klares Bekenntnis zur Gemeinschaft der freien Völker und zum Bündnis mit den USA. (6)
Die Formulierung „uneingeschränkte Solidarität“ wurde in den folgenden Wochen und Monaten zum Leitmotiv der deutschen Außenpolitik im Umgang mit den Folgen von 9/11. (7)
Bereits am 12. September 2001 hatte der NATO-Rat das Ausrufen des Bündnisfalls in Aussicht gestellt, aber die formale Feststellung erfolgte erst nach Vorlage der entsprechenden Beweise. Doch ist bis heute die vollständige Aufklärung und Transparenz über die Rolle Saudi-Arabiens umstritten und lückenhaft. Große Teile des sogenannten "28-Seiten-Berichts" aus dem Untersuchungsbericht des US-Kongresses sind bis heute geschwärzt. (8) Am 4. Oktober 2001 (9) wurde aufgrund vorliegender Beweise der NATO-Bündnisfall ausgerufen; er ist bis heute noch gültig. (10)
Drei Tage später starteten die USA gemeinsam mit Großbritannien die Operation "Enduring Freedom" zunächst mit massiven Luftangriffen auf Afghanistan. Als Kriegspartner bedienten sich die USA der Dschunbisch-Milizen und ihres zwielichtigen Warlords Raschid Dostum. (11) Mit US-Unterstützung eroberte Dostum im November 2001 Masar-e Scharif von den Taliban zurück und noch im gleichen Monat befahl Dostum ein ungeheuerliches Kriegsverbrechen. Diese Ereignisse nach dem Fall von Kundus, der letzten Hochburg der Taliban in Nordafghanistan, dokumentierte am 21. November 2001 der irische Journalist und Dokumentarfilmer Jamie Doran. 3.000 der insgesamt 8.000 Gefangenen wurden zu einer Gefängnisanstalt in der Stadt Shibarghan gebracht. Ortsansässige afghanische LKW-Fahrer wurden zwangsverpflichtet, in unbelüfteten Containern jeweils 200 bis 300 Gefangene zu transportieren. Die Container wurden in die Wüste gebracht, wo die noch lebenden Opfer unter den Augen der US-Streitkräfte qualvoll starben. (12) Die Verantwortlichen sind bis heute unbehelligt geblieben. Das deutsche Parlament hätte es sich zur Aufgabe machen müssen, eine Aufklärung dieses abscheulichen Verbrechens im deutschen Einsatzraum samt entsprechender Konsequenzen zu fordern. Für eine verantwortungsvolle Regierung eigentlich selbstverständlich. Doch für die Regierung Schröder/Fischer nicht. Im Rahmen des Petersberg-Prozesses wurde Dostum sogar im Dezember 2001 zum stellvertretenden Verteidigungsminister in der Regierung von Hamid Karzai ernannt – er hatte von 1979 bis 1989 in den USA eine Restaurantkette aufgebaut (13)
Kein im Westen verankerter Historiker kam oder kommt auf die Idee, dass Kanzler Schröder am 12. Juli 2001 den USA eine "Blankovollmacht" ausgestellt habe. Im Gegensatz dazu sehen viele dem westlichen Narrativ verpflichtete Historiker in der Zusicherung des Kaisers auch noch heute eine "Blankovollmacht für die bedingungslose Unterstützung Österreich-Ungarns" für ein Vorgehen gegen Serbien. (14)
Bevor sich Wilhelm II. an Bord der Hohenzollern begab, empfing er nacheinander den Admiral von Capelle und den General von Bertrab, um ihnen kurz seine Auffassung über die politische Lage darzulegen. Diese Besprechung ging dank der zitierten Historiker als "Potsdamer Kronrat" in die Geschichte ein. Auf eine später erfolgte Anfrage des Auswärtigen Amtes an Admiral von Capelle hat dieser am 8. Oktober 1919 Folgendes über diese Potsdamer Unterredung mit dem Kaiser zu Protokoll gegeben: (15) „Am Montag, den 6. Juli 1914, zwischen 7 und 8 Uhr morgens, erhielt ich als stellvertretender Staats-Sekretär - Großadmiral von Tirpitz war auf Urlaub - die telefonische Aufforderung, sofort zum Kaiser ins Neue Palais zu kommen. Ich traf den Kaiser im Garten reisefertig zum Antritt der Nordlandreise. Der Kaiser ging mit mir auf und ab und erzählte mir kurz von den Vorkommnissen am gestrigen Sonntag. Er fügte nach meiner Erinnerung dem Sinn nach ungefähr Folgendes hinzu: „er glaube nicht an größere kriegerische Verwicklungen. Der Zar werde sich in diesem Falle nach seiner Ansicht nicht auf die Seite der Mörder stellen.“ (16)
Der Kaiser scheint also recht unbedarft seine Nordlandreise angetreten zu haben.
Kanzler Theobald von Bethmann-Hollweg billigte diese Reise, weil er sich von ihr eine günstige, entspannende Wirkung auf die politische Lage in Europa versprach. Die damaligen wie die heutigen Kritiker des Kaisers sowie die Agenten, die eine alleinige Kriegsschuld Deutschlands manifestieren wollen, sahen und sehen in der Nordlandreise eine perfide Maßnahme des Kaisers, um die Entente in Sicherheit zu wiegen. Der deutsch-britische Historiker C.B. Röhl spricht sogar von einer Verschwörung: „Die fingierte Nordlandreise des Kaisers bildete nur einen Aspekt einer seit langem ausgeheckten Verschwörung, die das Ziel hatte, Russland als Angreifer dastehen zu lassen“. (17)
Nun, Russland hatte Ende Juli 1914 mit 2 Armeen Ostpreußen eingeschnürt und nahm am 1. August 1914 die Aufklärungstätigkeit in Ostpreußen auf.
Ein Land, das sich geopolitisch in einer äußert kritischen Mittellage befindet, und dabei ist, nach der Weltmacht zu greifen (laut Fritz Fischer), schickt in dieser sich zuspitzenden Situation seine politische wie militärische Elite in den Urlaub oder in die Sommerfrische?
Die KI (Perplexity) fasste am 5. Juli 2025 die damalige Situation wie folgt zusammen:
„Diese Urlaubsreisen waren teils Routine, teils bewusst inszeniert, um Normalität zu signalisieren. Die tatsächlichen Regierungsgeschäfte liefen im Hintergrund weiter, oft über Telegramm und geheime Treffen. Die Urlaubsstimmung täuschte über die sich zuspitzende Krise hinweg und war Teil einer Strategie, die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen.“
Die deutsche Elite aus Politik und Militär eines Landes mit der Geschichte eines unheilvollen Dreißigjährigen Krieges (ein Großteil der Lande verheert und Verlust eines Drittels der Bevölkerung) soll angesichts eines drohenden Zweifrontenkriegs aus Perfidie eine Woche nach dem Anschlag in den Urlaub gegangen? Hier treibt eine sonderbare – aber allgemein geduldete – Verschwörungsideologie bizarre Blüten!
Bei einer Seemacht wie 1914 Großbritannien und heute die USA fehlte und fehlt das Verständnis für das Sicherheitsdenken einer Landmacht. Seit der Antike strebten die Seemächte danach, die gegenüberliegenden Küsten zu beherrschen – zumindest dort einen Brückenkopf zu errichten. So besitzt England heute noch immer den Brückenkopf in Nordirland, die in Calais und Dünkirchen gingen verloren. Die USA verfügen seit 1945 über Brückenköpfe im Westen und Osten von Eurasien. Die Sicherheitsinteressen einer Landmacht sind anders geartet. Hier spielen die räumliche Entfernung zur nächsten Großmacht und Hindernisse wie Berge (Pyrenäen) oder Flüsse (Rhein) eine lebenswichtige Rolle. Auch die Anzahl der Nachbarn samt ihren "territorialen Wünschen" ist für die Sicherheit relevant. Eine schlechtere Situation als die deutsche Mittellage ist in dieser Hinsicht wohl kaum vorstellbar. Kein Land hat in seiner Geschichte mit derart vielen Nachbarn politisch agieren müssen wie Deutschland. So wurden über Deutschland hinweg Bündnisse geschmiedet: Schweden-Frankreich, Russland-Frankreich, Polen-Frankreich, Polen-England, Russland-England, Tschechoslowakei-Frankreich, um nur einige zu nennen. (18)
Der deutsche Geograph und Theoretiker der Geopolitik Otto Maull (1857-1957) hat in einer Deutschlandkarte die Auswirkungen der dynamischen Kräfte festgehalten.
Karte zur Mittellage des Deutschen Reiches (19)
Die alljährlichen Nordlandfahrten von Kaiser Wilhelm II. waren weit mehr als nur private Erholungsreisen oder Ausdruck seiner maritimen Begeisterung. Sie hatten eine wichtige gesellschaftliche und politische Funktion. Der Kaiser lud zu diesen Fahrten regelmäßig eine große Zahl von Gästen ein – oft zwischen 50 und 70 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Militär und Politik. Diese exklusive Gästeliste war kein Zufall: Wilhelm II. nutzte die Abgeschiedenheit und entspannte Atmosphäre an Bord der „Hohenzollern“, um Kontakte zu knüpfen, Loyalitäten zu stärken und gesellschaftliche Netzwerke zu pflegen und letztlich auch zum Wissensaustausch.
Während der Nordlandfahrten fanden zahlreiche Gespräche, Vorträge und Diskussionen statt. Der Kaiser war bekannt für den regen Austausch mit seinen Gästen. Es wurden neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgestellt, wirtschaftliche Entwicklungen diskutiert und politische Themen erörtert. Die Fahrten dienten somit als eine Art schwimmender Salon und Ideenschmiede.
Wilhelm II. war sehr an technischen Innovationen und wissenschaftlichen Fortschritten interessiert. Die Nordlandfahrten boten Wissenschaftlern und Ingenieuren die Gelegenheit, dem Kaiser ihre neuesten Projekte und Ideen vorzustellen – oft mit dem Ziel, kaiserliche Förderung oder Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Fahrten hatten auch eine repräsentative Funktion. Sie unterstrichen das Image des Kaisers als moderner, weltoffener Monarch, der sich für Fortschritt und Austausch interessiert. Die Anwesenheit bedeutender Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen trug zum Prestige des Kaiserhofs bei.
Die Nordlandfahrten waren somit ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis im Deutschen Kaiserreich. Sie dienten vor allem dem gezielten Austausch mit den Eliten des Landes und der Förderung von Wissenschaft und Technik. Ihre Bedeutung als "schwimmendes Netzwerk" und Diskussionsplattform ist ein wichtiger Aspekt, der die politische und gesellschaftliche Rolle dieser Reisen unterstreicht. (20)
Der Kaiser war mit seinen Gästen bereits in der zweiten Woche in nördlichen Gewässern unterwegs, als Winston Churchill als Erster Lord der Admiralität (First Lord of the Admiralty) und damit politischer Leiter der britischen Marine, am 17. Juli 1914 die britische Home Fleet zu dem jährlichen zehntägigen Sommermanöver auslaufen ließ. (21) Alles sah nach Routine aus. Diese Idylle hielt bis zum 25. Juli 1914 an. Zwei Tage zuvor hatte Österreich-Ungarn Serbien ein auf 48 Stunden befristetes 10-Punkte-Ultimatum überreicht.
Hinter dem politischen Mordanschlag stand eine Verschwörung hochrangiger serbischer Militärkreise, die durch die serbische Regierung gedeckt wurden. Ihr politisches Ziel war die Destabilisierung Osterreich-Ungarns und die Eroberung seiner südöstlichen Provinzen (ein Ziel, das bekanntlich 1918 verwirklicht wurde und zur Gründung des mittlerweile blutig zerbrochenen "Jugoslawiens" geführt hatte). An dieser Stelle sei ein Rückblick auf ein ähnlich symbolstarkes Attentat erlaubt: Auf den Terroranschlag vom 11. September 2001, bei dem die Doppeltürme des World-Trade-Centers in NewYork zum Einsturz gebracht wurden. Hinter dem politischen Mordanschlag steht nach offizieller amerikanischer Regierungsversion eine Verschwörung hochrangiger islamischer Extremisten, die von Afghanistan aus operierten. Ihr politisches Ziel ist die Destabilisierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika und die Zurückdrängung ihres Einflusses in den islamisch geprägten Teilen der Welt.
Die afghanische Taliban-Regierung, in den Anschlag nicht direkt involviert, deckte aber nach amerikanischer Sichtweise die Organisatoren des Attentates. In Wahrnehmung ihrer Interessen verlangen die USA ultimativ die Auslieferung der Hintermänner des Anschlages und ergreifen, nachdem dem Ultimatum nicht entsprochen wird, die aus ihrer Sicht notwendigen militärischen Maßnahmen.
Nur 27 Tage nach dem Anschlag wird Afghanistan von den USA ohne Kriegserklärung angegriffen.
Die afghanische Regierung war ultimativ aufgefordert worden, unverzüglich den im afghanischen Asyl lebenden und mutmaßlich Drahtzieher des Anschlags, Osama bin Laden, auszuliefern. Die afghanische Regierung verlangte eine ordentliches Auslieferungsverfahren und Zeit, um das Asyl durch den obersten Mullahrat aufheben zu lassen. Die Zeit wurde nicht gegeben! Ohne Kriegserklärung wurde Afghanistan angegriffen; im weiteren Verlauf wurden die afghanische Regierung gestürzt und jene machtpolitischen Strukturen zerschlagen, durch welche die USA meinten, herausgefordert worden zu sein.
Österreich-Ungarn hat dagegen im Jahr 1914 alle diplomatischen Regeln eingehalten. Hier folgte eine Kriegserklärung nach 30 Tagen.
Der Mord in Sarajewo reihte sich in eine lange Folge politischer Aggressionsakte gegen Österreich; er ist nicht die Tat eines einzelnen Fanatikers, sondern das Werk eines wohlorganisierten Anschlags, und ist als Kriegserklärung Serbiens an Österreich-Ungarn zu werten. Die Monarchie, durch den damaligen Mord in noch weit bedrohlicherer Weise herausgefordert als die USA 2001, verlangte in Wahrnehmung ihrer Interessen ultimativ die Aufklärung der Hintergründe und ergriff, nachdem dem Ultimatum nicht entsprochen wurde, die notwendigen militärischen Maßnahmen, marschierte in Serbien ein, stürzte schließlich die Regierung und zerschlug jene machtpolitischen Strukturen, durch welche sie herausgefordert worden war. Zu vermitteln und zu verhandeln hat es da eigentlich nichts mehr gegeben.
Wie Henry Kissinger, emeritierter Außenminister der USA, es in einem seiner historischen Werke formuliert hat: kein Staat kann bereit sein, über die "Grundfragen seiner Existenz" zu verhandeln. Das gilt für die USA heute ebenso wie es für das alte Österreich damals galt.
Im Jahr 2001 freilich sind die USA die einzig verbliebene Weltmacht; ihrem politischen System kann durch offenen Krieg kein Widerstand mehr entgegengesetzt werden. Im Jahr 1914 agiert aber nicht nur ein kleiner Aggressor gegen eine Großmacht; Serbien hat vielmehr die Rückendeckung einer anderen Großmacht, nämlich Russland, das ihm zusagt, es vor jeglicher Bestrafung zu schützen; und Russland seinerseits hat die Rückendeckung zweier weiterer Großmächte, Frankreichs und Englands (hinter dem ein kriegsvorbereitetes Commenwealth steht). Solcherart wird aus der Auseinandersetzung Österreich und Serbien ein Weltkrieg. (Was die USA bei ihren militärischen Operationen zur Bestrafung des Aggressors in Ermangelung gleichrangiger Gegner nicht riskieren).
Wer hat nun Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs? Alle damaligen Großmächte, die ihre Pflicht zum Frieden vergessen und dafür einen Krieg billigend in Kauf genommen haben. Haben aber nicht jene Großmächte, die den damaligen infamen politischen Mord und die Mörder gedeckt haben, besondere Verantwortung für die folgende große Katastrophe?
In einer 10-Punkte-Note forderte Österreich-Ungarn von Serbien, alle serbisch-nationalistischen Aktivitäten sofort zu beenden und die Verantwortlichen des Attentats konsequent zu verfolgen. Sprach aus diesen Forderungen die Arroganz der Macht, mit der das große Österreich-Ungarn den kleinen Nachbarn düpieren wollte? Oder nicht vielmehr die Angst vor weiteren Terroranschlägen?
Angesichts der militanten anti-österreichischen Bewegungen reichte es der Habsburger Regierung nicht, sich nur auf eigenem Boden der großserbischen Aktivitäten zu erwehren. Es schien für die Sicherheit des Habsburgischen Reiches unumgänglich, den Rückhalt der Bewegung und des Terrors in Serbien zu brechen, so wie es 2001 für die USA unumgänglich schien, den Terrorismus auch außerhalb des eigenen Landes zu bekämpfen. (22)
Nach den lärmend-ungestümen russisch-französischen Feiern in Petersburg beschleunigte sich die Fahrt in den Abgrund. Am 23. Juli 1914, dem Tag der Abreise des französischen Staatspräsidenten Poincaré und seines Ministerpräsidenten Viviani aus Petersburg, übergab um 18:00 Uhr der österreichische Gesandte Freiherr Wladimir Giesl von Gieslingen in Belgrad eine auf 48 Stunden befristete diplomatische Depesche mit 10-Punkten. Darin forderte Österreich-Ungarn von Serbien, alle serbisch-nationalistischen Aktivitäten sofort zu beenden und die Verantwortlichen des Attentats konsequent zu verfolgen. Am brisantesten waren die Punkte 5 und 6. Darin wurde gefordert, dass „…in Serbien Organe der K. u. K. Regierung bei der Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität der Monarchie gerichteten subversiven Bewegung mitwirken“ (23) und in „…eine gerichtliche Untersuchung gegen jene Teilnehmer des Komplottes vom 28. Juni einzuleiten, die sich auf serbischem Territorium befinden; von der K. u. K. Regierung hierzu delegierte Organe wurden an den diesbezüglichen Erhebungen teilnehmen“. (24)
In einer Beilage wurden die Untersuchungsergebnisse der österreichischen Ermittlungsbehörden dem Ultimatum beigefügt: Die Pistolen und Bomben, deren sich die Verbrecher als Werkzeuge bedienten, entstammten einem serbischen Waffendepot, der ganze Plan sei in Belgrad unter Beihilfe von Major Vojislav Tankosic ausgeheckt worden, und Milan Ciganovi habe in der Nähe von Belgrad die Mörder in der Handhabung der Granaten und Pistolen unterwiesen. Die Einschleusung der gedungenen Mörder sei mithilfe der serbischen Grenzhauptleute und Zollorgane organisiert worden.
Die deutsche Regierung reagierte unmittelbar und ließ sofort in Petersburg, Paris und London erklären, sie wünsche dringend eine Lokalisierung des Konflikts zwischen Österreich-Ungarn und Serbien, da jede Intervention einer anderen Macht infolge der verschiedenen Bündnisverpflichtungen unberechenbare Folgen herbeiführen könne.
Der königlich serbische Ministerpräsident Pašić selbst befand sich auf einer Wahlkampfreise in der serbischen Provinz. Eben hatte er eine seiner unzähligen Wahlreden hinter sich gebracht. Wie immer wurden diese begleitet von begeisterten Zurufen seiner Parteifreunde der Radikalen, die er seit 30 Jahren führte. Der ergraute 68-jährige, dessen Gesichtsfalten ihn noch älter erschienen ließen, war vermutlich von seiner Wahlreise ermüdet, als er sich am Abend des 23. Juli erholungssuchend in seinen Gasthof zurückzog. Seine Gedanken dürften sich an jenem Abend um den serbisch-österreich-ungarischen Konflikt gedreht haben. Wie würde Wien reagieren? Würde Russland Wort halten?
Vielleicht dachte Pašić auch an sein Vorbild Bismarck. Hatte der nicht auch drei Kriege gebraucht, um die deutschen Stämme zu einen? „Er, Pašić, hatte eben zwei hinter sich, sein Land war fast doppelt so groß geworden, die alten Feinde, Bulgaren und Türken, geschlagen. Könnte er jetzt mit Russlands Hilfe der zerrütteten Monarchie ans Leben: dann einten sich die letzten Südslawen mit Serbien, und der Wunsch von fünfzehn Millionen, und der Traum von fünf Jahrhunderten wäre erfüllt.“ (25)
Doch dann kam es anders. Sein Finanzminister rief ihn in die Realität und nach Belgrad zurück.
Ehe am Nachmittag der russische Ministerrat tagte, fand in der französischen Botschaft eine Absprache zwischen dem russischen Außenminister Sasonow, dem französischen Botschafter am Zarenhof in St. Petersburg, Paléologue und dem britischen Botschafter in St. Petersburg Buchanan statt – ein ungewöhnlicher Vorgang! Alle drei spielten in der Julikrise eine Schlüsselrolle bei der Kommunikation und Koordination zwischen ihren jeweiligen Regierungen und dem russischen Zarenhof. (26)
Der russische Ministerrat befasste sich in erster Linie mit der Frage, ob die innere Lage Russlands den Krieg gestatte. Diese Frage wurde anscheinend bejaht.
Aus Belgrad lag auch ein Telegramm des serbischen Prinzregenten Alexander vor, der den Zaren um Rat bat: „wir sind bereit, jene Forderungen Österreich-Ungarns anzunehmen, die mit der Stellung eines unabhängigen Staates vereinbar sind sowie jene, deren Annahme Eure Majestät uns anrät.“ (27)
Über die Vorgänge in Petersburg gut informiert, schrieb die russiche Zeitung "Rjetsch":
„Augenscheinlich ist sich die russische Diplomatie des Ernstes der Lage nicht bewusst. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Serbien nach der russischen Note eine nicht völlig befriedigende Antwort geben wird und dass eine Ermunterung Serbiens bereits erfolgt ist, so dass ein Teil der Verantwortung für die Folgen Russland zufällt. Die einzige Möglichkeit für den Dreierverband, eine Hineinziehung in den Konflikt zu vermeiden, bleibt die Lokalisierung der serbischen Frage und die Vermeidung jeder Ermunterung Serbiens.“ Es scheint, dass Serbien wohl bereit gewesen wäre, die Note einfach anzunehmen. Aber in Russland empfand man sie als „eine gegen Russland gerichtete Provokation, auf die Russland in Tagen antworten müsse.“ (28)
In einem Telegramm informierte der britische Außenminister Edward Grey den Botschafter in Wien, Sir Maurice de Bunsen, dass ihm der österreichisch-ungarische Botschafter die an Serbien gerichtete Note mitgeteilt habe und die Befristung auf 48 Stunden mit der serbischen Verschleppungstaktik begründet habe. In den Wochen nach der Ermordung des Erzherzogs sei von Serbien kein Zeichen der Teilnahme oder Hilfsbereitschaft erfolgt; hätte Serbien nach dem Mord die Hand geboten, dann hätte die gegenwärtige Lage verhütet werden können. (29)
Grey erklärte für den Fall, dass das "Wiener Ultimatum" zu keinem Zwist zwischen Österreich-Ungarn und Rußland führe, sein Desinteresse an dem Konflikt.
Für den anderen Fall wünschte er eine Vermittlung der vier Mächte Deutschland, England, Frankreich und Italien im Sinne einer Mäßigung zugleich in Wien und Petersburg und regte eine Fristverlängerung für Belgrad an. (30)
Die deutsche Regierung reagierte ebenfalls unmittelbar und ließ sofort in Petersburg, Paris und London erklären, sie wünsche dringend eine Lokalisierung des Konfliktes zwischen Österreich-Ungarn und Serbien, da jede Intervention einer anderen Macht infolge der verschiedenen Bündnisverpflichtungen unberechenbare Folgen herbeiführen könne.
War Russland friedlich gesinnt, so musste es Belgrad raten, sich zu fügen. Doch das Kriegsfieber hatte in Russland bereits die herrschenden Kreise erfasst.
Kurz vor Mitternacht gab der deutsche Gesandte in Belgrad ein Telegramm auf und informierte das Auswärtige Amt über die serbischen Militärs, die kategorisch die Note ablehnen und Krieg fordern würden. Die Mobilisierung sei bereits in vollem Gange. (31)
Während Frau Pašić bereits sicher in Paris weilte, floh ihr Mann und Premierminister mit seiner Regierung überstürzt nach Saloniki.
Die k. u. k. Regierung erwartete die Antwort der königlichen Regierung Serbiens spätestens bis Samstag, den 25. Juli um 6 Uhr nachmittags. Sollte sie nicht zustimmend ausfallen, würde das den Abbruch der diplomatischen Beziehungen nach sich ziehen. Somit handelte es sich mehr um eine Démarche als um ein Ultimatum.
Zweifelsohne gab es in Österreich-Ungarn Kreise, die im Krieg gegen Serbien die einzige Lösung erblickten. Aber ebenso gab es auch andere Strömungen. Am Ballhausplatz tobten erbitterte Kämpfe zwischen der Kriegspartei um Generalstabschef Conrad von Hötzendorf und der Friedenspartei rund um Außenminister Graf Tisza, der sich erfolgreich dafür eingesetzt hatte, dass Serbien unversehrt bleiben sollte.
Schon in den frühen Morgenstunden des 25. Juli liefen die ersten Telegramme aus Petersburg in Belgrad ein. Um 4 Uhr früh wurde telegrafiert, dass Serbien mit Russlands Hilfe rechnen könne. Sechs Stunden später wurde Serbien geraten, es solle erklären, dass es sich nicht mit Waffen gegen eine Großmacht verteidigen wolle und könne – das entsprach noch den provisorischen Entschlüssen des russischen Ministerrates vom Tag zuvor. Um 11 Uhr 30 wurde nach Belgrad gemeldet, dass der russische Ministerrat beschlossen habe, zur Mobilisierung zu schreiten.
Zwischen 11 und 12 Uhr wurde in Petersburg vom Kronrat beschlossen, die Mobilmachung vorläufig nicht zu verkünden, dafür aber die seit März 1913 eingeführte "Kriegsvorbereitungsperiode" anzuordnen.
Bereits am 25. Juli hatte Paléologue in Krasnoje Selo vom russischen Kriegsminister Suchomlinow von der Teilmobilmachung erfahren. Am nächsten Tag telegrafierte er nach Paris, dass für die Militärdistrikte Kiew, Odessa, Kasan und Moskau Mobilmachung anbefohlen sei. Für die Militärbezirke Wilna, Warschau und Petersburg seien geheime Weisungen ergangen. (32) Über die Städte und Gouvernements Petersburg und Moskau sei der Belagerungszustand verhängt worden. (33) In aller Deutlichkeit habe der Zar die Notwendigkeit, Serbien zu unterstützen, vor Augen geführt, „auch wenn man dazu die Mobilmachung erklären und Kriegshandlungen beginnen müsse, jedoch nicht eher, als bis österreichische Truppen die serbische Grenze überschritten hätten.“ (34)
Diesem Kronrat hätten auch Nikolai Nikolajewitsch und der Generalstabschef beigewohnt. Nach seiner Rückkehr aus Zarskoje Selo berichtete der französische Militärattaché General de Laguiche: „Der Kriegsrat habe die größte Kriegslust gezeigt und den Beschluss gefasst, zum Schutze Serbiens bis zum Äußersten zu gehen, insbesondere habe der Zar durch seine Entschlossenheit alle überrascht.“ (35)
Der französische Botschafter Paléologue fasste als Ergebnis dieser Sitzung zusammen: Rußland wird 13 Armeekorps (bzw. 39 Divisionen) gegen Österreich mobilisieren, diese Maßnahme jedoch erst dann veröffentlichen, wenn Österreich Serbien mit Waffengewalt zwingt.
Die angeordnete Teilmobilisation umfasste mehr als die ursprünglich zum Kampf gegen die Donaumonarchie bestimmten 26 Divisionen. Gegen diese Streitmacht, verbunden mit den Truppen Serbiens und Rumäniens, wäre Österreich-Ungarn hoffnungslos unterlegen gewesen. (36)
Am Nachmittag gegen 16 Uhr hieß es dann aus Petersburg: „Alle Vorbereitungen für die Mobilisierung angeordnet, welche sogleich verkündet werden wird, falls der österreichisch-ungarische Gesandte Belgrad verlassen würde.“ (37)
Zu diesem Zeitpunkt erwartete der österreichische Gesandte Wladimir Freiherr Giesl keine Antwort mehr und begann, seine Koffer zu packen, um nach Ablauf der Frist noch um 18:30 Uhr den Schnellzug nach Budapest nehmen zu können. Doch nur wenige Minuten vor 18 Uhr erschien zu seiner Verblüffung der serbische Ministerpräsident Nikola Pašić und überreichte ihm eine in aller diplomatischer Raffinesse abgefasste Antwortnote, die Giesel nur überfliegen konnte. Umgehend übergab er Pašić die vorbereitete österreichische Antwort, die der serbischen Regierung den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mitteilte. Giesel erreichte seinen Zug noch. Während er Budapest zustrebte, wurde von Serbien die Räumung Belgrads eingeleitet.
Zur gleichen Zeit erfolgte einige Tausend Kilometer ostwärts die Beförderung der jungen russischen Offiziere, die eigentlich nach der Tradition erst am 18. August stattfinden sollte.
Auf den ersten Blick eine zustimmende Antwort – doch nur auf den ersten! Mit dem Beisatz
„laut der Mitteilung der k. u. k. Regierung“ vermied die serbische Regierung jede Mitverantwortung und behielt sich für die Zukunft freie Hand. Den anderen Forderungen wurde in ähnlicher Manier zugestimmt; nur die Forderung 5 wurde indirekt, und die Forderung 6 direkt abgelehnt. Letztere erregte heftigen Widerspruch, da angeblich nicht mit der serbischen Souveränität vereinbar. Unter diesem Punkt verlangte das Ultimatum die Teilnahme österreichisch-ungarischer Organe an den das Komplott betreffende Ermittlungen. (38)
Einer ähnlichen Forderung Serbiens, es war damals noch Fürstentum, war die ungarische Regierung nach der Ermordung des serbischen Fürsten Michael Obrenowitsch am 10. Juli 1868 in Topschider ohne weiteres nachgekommen. Nun verletzte die gleiche Forderung umgekehrt angeblich die serbische Souveränität. Auch in der Bundesrepublik werden bei Delikten, die fremdenfeindliche Motive haben könnten, ausländische Ermittlungsbeamte zugelassen. So besuchte nach einem Wohnhausbrand in Ludwigshafen – hier waren neun Menschen zumeist türkischer Herkunft ums Leben gekommen–, am 7. Februar 2008 der türkische Ministerpräsident Erdoğan gemeinsam mit Kurt Beck den Brandort und stellte den deutschen Ermittlern ein Team von vier türkischen Experten bei.
Doch zurück zum österreichischen Ultimatum:
„Da der Versuch, die serbischen Mitschuldigen bei dieser Tat zu strafen, Ausflüchten begegnete, (39) griff Österreich nach einiger Zeit zu einem Ultimatum, welches unter anderem forderte, dass beim Gerichtsverfahren gegen verdächtige Serben auch österreichische Beamte teilnehmen. Wäre der Prinz von Wales an den Grenzen Afghanistans ermordet worden, und wir hätten Grund, zu glauben, dass die Afghanen an seiner Ermordung schuldig sind, dann hätten wir wahrscheinlich mit der vollen Unterstützung von Englands öffentlicher Meinung ein ähnliches Begehren gestellt“ (40), schrieb Bertrand Russell.
Im Gegensatz zu Russell hatte der englische Außenminister Edward Grey kein Verständnis für Österreich und verstieg sich sogar dazu, das Ultimatum als „das übelste Schriftstück, das je von einem Staat an einen anderen gerichtet wurde“ (41) zu bezeichnen.
Für die serbische Regierung mag die Abgabe der Antwortnote ebenso nebensächlich wie der Inhalt gewesen zu sein. Es kam vor allem auf die Außendarstellung an. Geschickt hatte die serbische Regierung noch vor der Abgabe ihrer Antwort angeboten, vor dem Haager Internationalen Gerichtshof oder den Großmächten Rechenschaft abzulegen. Hier war sich Pašić der Schützenhilfe durch Russland, Frankreich und England sicher. Eine perfekte Orchestrierung! Weltweit konnte das von den Türken über Jahrhunderte unterdrückte Serbien auf Mitgefühl hoffen und trotz der terroristischen Verstrickung politisch die Schuld an Österreich-Ungarn weitergeben.
Schon um 15 Uhr – drei Stunden vor Übergabe der Antwortnote – erfolgte die serbische Mobilmachung. (42) Die Donau-Monarchie antwortete drei Stunden nach Ablauf des Ultimatums ihrerseits mit der Teilmobilmachung von acht Armeekorps. (43) Wie die Kämpfe später zeigten, konnte Serbien schnell, umfassend und sehr erfolgreich mobilisieren – unerwartet kam da anscheinend nichts.
So geriet in der Zeit zwischen dem 23. Juli 18 Uhr und derselben Stunde des 25. Juli das Räderwerk der Kriegsmaschine unaufhaltsam in Bewegung.
Acht Jahre später schrieb Fürst Bernhard von Bülow – der als Reichkanzler (1900 bis 1909) bei der Marokko- und Balkankrise nur dank glücklicher Umstände einen Krieg vermeiden konnte:
„Im Hochsommer 1914 hatten wir noch am 25. Juli die Möglichkeit, den Krieg zu vermeiden. Wir brauchten nur in Wien erklären, daß wir unter keinen Umständen den Abbruch der Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien gestatteten, bevor wir selbst die serbische Antwort genau geprüft hätten.“ (44)
Gegen Mittag des 25. Juli 1914 waren dem deutschen Auswärtigen Amt u.a. über die Manövertätigkeit der britischen Kriegsmarine dringende Depeschen eingegangen. Die britische Kriegs-Flotte (Home-Fleet) hatte sich nach der Manöver-Revue von Spithead nicht wie üblich aufgelöst, sondern hatte Befehl erhalten, in die Kriegshäfen in der Nordseehäfen einzulaufen. (45) Um 15.00 Uhr befahl Admiral Georg Alexander von Müller, Chef des Marinekabinetts, eigenmächtig dem Kapitän der „Hohenzollern“, die Kessel für die 22 Stunden lange Fahrt zurück nach Cuxhaven anzuheizen. Wilhelm II brach die Nordlandreise ab und befahl der vor Jütland liegenden deutschen Flotte, nach Wilhelmshaven und Kiel zurückzukehren.
Die Absicht Serbiens und Russlands, die Frage der österreichisch-ungarischen Sühneforderungen zu einer Machtfrage zwischen den europäischen Bündnisgruppen eskalieren zu lassen, wollte Berlin im Interesse des Friedens unterlaufen. Die Gefahr einer Eskalation wurde offenbar in London und Paris ebenso gesehen. Daher war am 26. Juli bei der Aussprache zwischen Sasonow und Pourtales von einer „Revision der österreichischen Untersuchung durch Europa nicht mehr die Rede“ (46).
Welchem Umstand war das Entgegenkommen Sasonows geschuldet?
Am gleichen Tag hatte aus London der russische Botschafter Benckendorff einen Situationsbericht geschickt, in dem es hieß: „Sir E. Grey hört nicht auf, mir zu wiederholen, daß seine nach Berlin gerichteten Erklärungen dort auf keinen Fall gestatten, auf die Neutralität Englands im Falle eines Krieges zu rechnen. Lichnowsky war in der Tat sehr verwirrt, aber das kommt daher, weil es ihm weh tat, daß es zum Kriege kommt. Ich bin gar nicht sicher, daß er die Worte Greys so verstanden, wie Grey es wünschte.“ (47)
Dieses fatale Missverständnis zwischen dem englischen Außenminister und dem deutschen Botschafter mag zum Einen an der diplomatisch verklausulierten Sprache Greys und zum Anderen an der anglophilen Einstellung Lichnowskys gelegen haben. Möglicherweise wollte Grey auch nicht eindeutig von Lichnowsky verstanden werden. Außerdem musste Grey nicht nur im Verhältnis zu Lichnowsky, sondern auch für die britische Öffentlichkeit jede Kriegsrhetorik unterlassen, denn die britische Bevölkerung war durch die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Irland vorerst nicht für einen weiteren "Kriegsschauplatz" zu gewinnen.
„Es ist wahr“, schließt Benckendorff seinen Bericht ab, „daß Österreich, wie man sagt, nicht auf einmal den Krieg beginnen wird. Vorläufig besteht noch ein Hoffnungsstrahl. Was die Rolle Deutschlands anbetrifft, so erscheint mir dieselbe in dunklerem Lichte als allen übrigen. Und darauf stütze ich mich eben hier: England fürchtet sich nicht so vor dem Vorrang Österreichs auf der Balkanhalbinsel, wie vor dem Vorrang Deutschlands in der Welt.“ (48) (!!)
Nun sollten sich die Ereignisse überstürzen.
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